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Wie Computerspiele Wunden heilen

Sie vermitteln komplizierte Dinge spielerisch und können sogar Schmerzen lindern. Expertin Linda Breitlauch erklärt die faszinierenden Funktionen von Serious Games.

24.04.2017
Linda Breitlauch, Professorin für Game Design
© dpa

Frau Breitlauch, Sie sind Professorin für Game Design an der Hochschule Trier. Was macht ein Computerspiel zu einem guten Serious Game?

Das Wichtigste ist: Das Spielen muss Spaß machen. Spieler eines Serious Game suchen die Herausforderung, sie möchten etwas lernen und Probleme lösen, sie wollen sich verbessern und ein Feedback zu ihrer Leistungssteigerung bekommen.

Bei Serious Games geht es um viel mehr als die Vermittlung von Wissen. Was kann man bei einem Serious Game lernen?

Tatsächlich geht es bei den wenigsten Serious Games um das reine Lernen, etwa von Vokabeln oder Hauptstädten. Serious Games wollen oft auch bestimmte Kompetenzen vermitteln, sie schulen Motorik, logisches und räumliches Denkvermögen oder bestimmte Verhaltensweisen. Unternehmen setzen Serious Games im Personaltraining ein. Psychologen, Pädagogen und Mediziner nutzen sie bei Traumapatienten oder in der Schmerztherapie. In diesen Fällen geht es nicht so sehr um das Lernen, sondern vielmehr darum, mit etwas klarzukommen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Besonders bekannt ist das Serious Game „Snow World“. Es wurde für Verbrennungsopfer entwickelt. Täglich müssen sie die schmerzhafte Prozedur des Verbandwechsels über sich ergehen lassen. Die Ärzte setzen „Snow World“ während dieser Behandlung ein. Mit einer speziellen Brille tauchen die Patienten in eine virtuelle Welt ab: In einer Eislandschaft liefern sie sich Schneeballschlachten mit Schneemännern. Das Spiel hat zwei positive Effekte: Es vermittelt das Gefühl von Kälte und Eis – das wirkt auf die Patienten sehr beruhigend. Außerdem sind sie durch das Schneeballwerfen abgelenkt und konzentrieren sich weniger auf den Schmerz. Bei diesem Serious Game handelt es sich zwar um eine sehr einfache Anwendung. Das Ergebnis aber ist beeindruckend: Das Spiel kann das subjektive Schmerzempfinden um 30 bis 50 Prozent verringern.

Können auch Actionspiele Lerneffekte erzielen?

Ja, viele Studien bestätigen, dass Actionspiele die Hand-Augen-Koordination erheblich verbessern. In einer Untersuchung haben Forscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin sogar herausgefunden, dass Actionspieler neben einer besseren Hand-Augen-Koordination, einem stärkeren räumlichen Vorstellungsvermögen und einer besseren Auffassungsgabe auch einen höheren IQ haben als viele Nicht-Actionspieler. Und Strategiespiele zum Beispiel schulen Social Skills, da die Nutzer lernen, ein Team zu leiten und eigenverantwortlich zu handeln.

Für Action Games gibt es zahlreiche namhafte deutsche Hersteller. Wo verorten sie deutsche Entwickler von Serious Games?

Sie entwickeln qualitativ und inhaltlich aufwendige und hochwertige Spiele, mit denen sie international konkurrenzfähig sind. Der Markt für Serious Games ist aber etwas anders gestrickt als jener der Action Games: Die meisten Serious-Games-Entwickler kreieren keine Blockbuster, sondern Spiele für eine bestimmte Zielgruppe. Geht es etwa um ein spezielles Krankheitsbild, ist auch die Nutzergruppe oft sehr klein. Manch eine gute Idee scheitert dann an der Finanzierung. Hier wünsche ich mir deutlich mehr staatliche Förderung.

Was sind die wichtigsten Innovationen bei Serious Games?

Serious Games wollen Erlebnisse schaffen, die uns die reale Welt nicht bietet. An der Hochschule Trier haben wir zum Beispiel eine Anwendung entwickelt, bei der Spieler in die Rolle eines Astronauten der Internationalen Raumstation ISS schlüpfen. Sie können einen Weltraumspaziergang machen und das Gefühl der Schwerelosigkeit nachempfinden. Bei anderen Serious Games geht es darum, Empathie zu vermitteln: Wie geht es zum Beispiel Menschen, die in einem Kriegsgebiet leben oder an einer bestimmten Krankheit leiden? In diesen Bereichen sind zahlreiche Anwendungen denkbar. 

International Games Week Berlin

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