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Deutsch-Rap ohne Grenzen

Warum Hip-Hop aus Heidelberg ein immaterielles Kulturerbe ist und darüber hinaus ein Beispiel für europäische Vernetzung. 

Helen SibumInterview: Helen Sibum , 26.10.2023
DJing gehört zu den Kernelementen des Hip-Hop.
DJing gehört zu den Kernelementen des Hip-Hop. © imago

Der Heidelberger Hip-Hop ist seit 2023 immaterielles Kulturerbe. Bryan Vit schrieb den Antrag für die Bewerbung bei der Deutschen UNESCO-Kommission. Im Interview erzählt der Forscher, was den Heidelberger Hip-Hop besonders macht und wie sich dessen Macher mit anderen Künstlern in Europa und darüber hinaus vernetzten. 

Herr Vit, was macht den Heidelberger Hip-Hop zum Kulturerbe?
Beim immateriellen Kulturerbe geht es um mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksweisen, künstlerische Darstellungsformen, gesellschaftliche Bräuche, Feste und Rituale. Der Hip-Hop mit seinen Elementen Rap, DJing, Graffiti, Breakdance, Street Language und Knowledge – dem Gedanken, sich selbst und seine Umwelt zu hinterfragen – passt wunderbar in dieses Konzept. 

Warum gerade Heidelberg?
Heidelberg ist eines der Zentren von Hip-Hop in Deutschland, aber nicht dessen einzige Heimat. Das Besondere an Heidelberg ist, dass es dort um den Hip-Hop als Ganzes geht, während es in anderen Städte Schwerpunkte gibt: wie Rap oder Graffiti. In Heidelberg wurde immer die Gesamtidee gepflegt. Was bis zu den heutigen Bestrebungen führt, ein Hip-Hop-Archiv aufzubauen, um die Idee weiter zu vermitteln.  

Wie und wann ging es los mit Hip-Hop in Heidelberg?
Anfang der 1980er gab es in Deutschland einen Hype um Breakdance, der bald wieder abflaute, aber kleine Gruppen machten weiter. In Heidelberg waren das etwa 15 Leute. Gemeinsam fuhren sie zu Hip-Hop-Jams in Deutschland, der Schweiz und in Österreich oder auch Frankreich. Aus dieser Heidelberger Gruppe ging 1987 die Band „Advanced Chemistry“ hervor, die anfangs auf Englisch rappte. Ein Bandmitglied – Torch –  fing dann an, bei Auftritten in den Pausen zwischen Songs auf Deutsch zu freestylen, also Raps zu improvisieren. Bis dahin war es undenkbar, auf Deutsch zu rappen, man orientierte sich am englischsprachigen Rap aus den USA. Bei diesen spontanen Versuchen merkte die Band jedoch: Da kommt viel mehr Resonanz, die Leute verstehen viel besser, worum es uns geht. 

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War und ist der deutsche Hip-Hop international vernetzt?
Ja, wenn man die Pioniere fragt, hört man oft: „Wir haben uns nicht als deutschen Hip-Hop wahrgenommen, es war europäischer Hip-Hop.“ Man verstand sich als Familie, die nationale Herausbildung kam erst mit der Zeit. Es gab zum Beispiel die Formation „La Connessione“, bestehend aus dem Heidelberger Toni-L mit Gruppen und Künstlern aus Belgien und Italien. Diese Verbindungen und Freundschaften bestehen bis heute. Spezifisch für Heidelberg ist auch die enge Bindung an den New Yorker Hip-Hop. 

Wie entstand die Idee, den Heidelberger Hip-Hop als Kulturerbe vorzuschlagen?
Die Initiative ging vom Heidelberger Stadtarchiv aus, angeregt durch die örtliche Hip-Hop-Initiative. Neben der Arbeit an einem Hip-Hop-Archiv gibt es inzwischen Pläne, eine Kultureinrichtung zu schaffen, in der Hip-Hop ein Zuhause bekommt. Dort kann diese Kultur dokumentiert, erforscht und vermittelt werden.  

Was erhoffen Sie sich von der Auszeichnung als Kulturerbe?
Wir verstehen sie als Türöffner. Sie ist ein Schlüssel dazu, das Interesse von Leuten zu wecken, die bislang keine Berührungspunkte mit dem Thema haben. Das Siegel Kulturerbe macht deutlich, dass es lohnend ist, sich mit dieser Kulturform zu beschäftigen. 

Ist das nicht ein Widerspruch – der freie, selbstbestimmte Hip-Hop und das offizielle Siegel Kulturerbe?  

Nein, es gehört auch zum Erwachsenwerden der Kultur an sich. Dieses Jahr feiern wir 50 Jahre Hip-Hop – 1973 erfand ein New Yorker DJ auf einer Party den Break Beat – und auch unsere Pionierinnen und Pioniere aus Heidelberg kommen in ein Alter, in dem sie nicht mehr in der Unterhaltungsindustrie aktiv sein können. So geht es auch darum, Wege zu finden, dass man im Hip-Hop würdig altern kann. Und zwar indem man Räume schafft, in denen diese Leute mit unglaublich viel Erfahrung und Wissen ihr Erbe weitergeben können. 

Gibt es in anderen Ländern ähnliche Bestrebungen – waren Sie schon als Berater gefragt? 

Ja, wir haben tatsächlich Vertreter der Kulturverwaltung in Seine-Saint-Denis, Paris, beraten, die ein Graffitimuseum gründen wollen. Und vor kurzem waren wir auf einer Konferenz in Großbritannien und haben mit Menschen aus der ganzen Welt gesprochen, die sich mit der Archivierung von Hip-Hop beschäftigen. Es gibt schon ein Archiv an der Cornell University in New York und eines in Toronto und in Kolumbien kann man sich in einem Nationalmuseum eine Hip-Hop-Ausstellung ansehen.

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