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Von Baalbek zum Wiederaufbau Beiruts

Die Explosion in Beirut 2020 hat ganze Stadtteile zerstört. Deutsche Archäologen unterstützen den Wiederaufbau historischer Gebäude.

Katja Hanke, 26.01.2021
Viele historische Gebäude wurden durch die Explosion zerstört.
Viele historische Gebäude wurden durch die Explosion zerstört. © dpa

Es glich der Explosion einer gigantischen Bombe, als vor sechs Monaten im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut unsicher gelagerte Chemikalien in die Luft gingen. Die Druckwelle war so gewaltig, dass noch mehr als einen Kilometer entfernt Fensterglas zersplitterte und Mauern einstürzten. Die Katastrophe traf mehrere Stadtviertel, darunter einige, in denen auch denkmalgeschützte Gebäude stehen. „Das sind mehrstöckige Wohnhäuser“, sagt Margarete van Ess, Leiterin der Orient-Abteilung am Deutschen Archäologischen Institut (DAI). „Typisch für diese Häuser ist ein mit besonderen Materialen verzierter Mittelraum mit drei charakteristischen Bogenfenstern zur Straße hin. Für viele Libanesen machen sie den Charakter ihrer Hauptstadt aus.“

Margarete van Ess leitet seit 20 Jahren DAI-Projekt in Baalbek

Die libanesische Regierung möchte diese Häuser, die von Mitte des 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gebaut wurden, wieder instand setzen und restaurieren. Unterstützt wird sie dabei auch vom DAI. „Glücklicherweise sind nur wenige Häuser komplett eingestürzt“, sagt Margarete van Ess, die Anfang September 2020 in Beirut war. „Ungefähr eintausend der historischen Häuser sind beschädigt, um die einhundert schwer.“

Eine Statue im Hafen erinnert an die verheerende Explosion.
Eine Statue im Hafen erinnert an die verheerende Explosion. © dpa

Dass das DAI bei der Instandsetzung hilft, hat vor allem mit der Arbeit von Margarete van Ess zu tun. Seit über 20 Jahren leitet sie für das DAI ein archäologisches Projekt in den antiken Tempelanlagen von Baalbek im Osten des Libanon. Sie reiste oft ins Land und hat gute Kontakte zur Antikenbehörde. Nachdem das DAI im Rahmen des Projekts „KulturGutRetter“ zusammen mit dem Technischen Hilfswerk schon zwei Tage nach dem Unglück eine Erst-Evaluation durchgeführt hatte, bat die Antikenverwaltung das Baalbek-Team des DAI um weitere Unterstützung. Eine Woche nach dem Unglück flogen zwei Mitarbeiter des DAI, einer von ihnen ein auf historische Bauwerke spezialisierter Statiker, nach Beirut, um libanesische Architekten bei der Begutachtung der historischen Häuser zu unterstützen.

Fachleute begutachten ehrenamtlich die Schäden

In Beirut angekommen begann die Gruppe von freien Architekten damit, den Zustand der Häuser festzuhalten. Ehrenamtlich. „Sie wollten die Häuser unbedingt retten“, sagt Margarete van Ess, die viele der Architekten persönlich kennt. Denn wer im Libanon Architektur studiere und sich auf historische und archäologische Bausubstanz spezialisiere, mache häufig ein Praktikum in Baalbek. „Beirut Built Heritage Rescue“ (BBHR) nennen sich die engagierten Architekten und werden mittlerweile zum Teil über ein Projekt des DAI finanziert. „Sie gehen von Haus zu Haus und schreiben dezidierte Berichte“, erklärt van Ess. „Sie begutachten die Architektur und schreiben auf, was gemacht werden muss, welches Material man braucht und was es kostet. Das sind tiefgreifende Evaluationen, die wir später als Projektgrundlage nutzen können, wenn es an die eigentliche Restaurierung geht.“ Dass die Architekten diese Evaluation in direkter Abstimmung mit der Antikenverwaltung machen, war dem DAI wichtig, so van Ess. „Denn das ist die Behörde, die die Genehmigungen erteilt, wenn es um die Restaurierungen geht.“ Und so konnten schon parallel Genehmigungsverfahren in die Wege geleitet und mit ersten Projekten begonnen werden. Besonders gefährdete Häuser wurden abgestützt und in nur leicht zerstörten wurden Fenster mit Plastik verhängt sowie einige Dächer repariert, so dass die Bewohner wieder einziehen konnten. Bei diesen Maßnahmen habe das DAI aber nicht direkt geholfen, so van Ess.

Ursprüngliche Materialien wiederverwenden

Ziel der Anstrengungen ist es, nicht nur die Häuser wieder aufzubauen und bewohnbar zu machen, sondern auch die aufwendigen Dekorationen im Inneren wieder herzurichten – und zwar mit möglichst vielen der ursprünglichen Materialien. „Die Architekten haben geschaut, was man wiederverwenden kann“, sagt van Ess. „Die Hausbesitzer wurden gebeten, die Materialien aufzubewahren.“ So könne man kostbare Materialien wie Marmor teilweise restaurieren und weiterverwenden, genauso wie alte Fensterrahmen und Türklinken. „Das spart nicht nur Material, sondern erhält natürlich das Denkmal“, erklärt die Archäologin.

Deutsches Außenministerium gehört zu den Geldgebern des Projekts

Drei oder sogar vier Jahre könne es dauern, bis das letzte Haus restauriert sei, meint die Wissenschaftlerin. „Es ist ein langfristiges Projekt, das nur funktioniert, wenn es von allen Seiten unterstützt wird: von der libanesischen Regierung und auch von unterschiedlichen Organisationen.“ An der Finanzierung beteiligt sind unter anderem die UNESCO, die Aliph-Foundation, der italienische und französische Staat sowie das Auswärtige Amt. Eine Aufgabe des DAI bestehe darin, die Materialbeschaffung zu unterstützen und eventuell ein, zwei Hausprojekte selbst umzusetzen, so van Ess. „Da das DAI aber kein Restaurierungsinstitut, sondern eine wissenschaftsorientierte Institution ist, finden wir es wichtig, dass unser Projektschwerpunkt bei der wissenschaftlichen Dokumentation dieser Art der Häuser liegt“, sagt sie. „Wir würden in Abstimmung mit der Antikenverwaltung gern Projekte realisieren, die auch diesen Aspekt erfüllen.“

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