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Deutsche Hilfe für den Libanon

Der Libanon steckt in der Krise. Wie Humanitäre Hilfe aus Deutschland die Menschen unterstützt, erklärt Julia Renck von der Caritas.

Kim Berg, 24.09.2020
Helfer der Caritas geben Essen in Beirut aus.
Helfer der Caritas geben Essen in Beirut aus.

Seit August 2019 arbeitet Julia Renck für Caritas international im Libanon. Dort unterstützt sie gemeinsam mit einem Kollegen die Partnerorganisation Caritas Libanon  in der Projektkoordination und -implementierung sowie Organisationsentwicklung. Nachdem im Hafen von Beirut am 4. August 2020 ein Chemikalien-Lager explodierte, unterstützte sie die Soforthilfe der Caritas Libanon. Wir haben mir Julia Renck über die aktuelle Lage im Libanon und die deutsche humanitäre Arbeit gesprochen.

Frau Renck, wie sieht Beirut über einen Monat nach der verheerenden Explosion im Hafen aus?

In den Vierteln, die besonders stark von der Explosion getroffen wurden, räumen immer noch sehr viele Menschen Trümmer weg. Nicht nur auf der Straße, sondern vor allem in den Wohnungen. Außerdem sieht man immer wieder Umzugswagen. Die Menschen verlassen ihre Wohnungen entweder, weil sie eine bessere Wohnung in einem anderen Viertel gefunden haben, oder weil ihr Haus nicht mehr bewohnbar ist. Am 10. September gab es wieder einen Großbrand auf dem Hafengelände in Beirut. Das hat bei vielen Menschen einen Schock ausgelöst. Sie fühlen sich nicht mehr sicher in ihren Vierteln.

Julia Renck (r.) arbeitet seit 2019 für Caritas Deutschland im Libanon. Ihr Spezialgebiet ist die psychologische Betreuung.
Ihr Spezialgebiet ist die psychologische Betreuung.

Sie sind bereits seit dem 5. August wegen der Explosionskatastrophe im Einsatz. Mit welchen Problemen waren Sie zu Beginn des Einsatzes konfrontiert und wie haben sie sich verändert?

Ich habe zum Glück schon ein Jahr vor der Explosion bei der Caritas in Beirut gearbeitet. Die Soforthilfe nach der Katastrophe war organisatorisch sehr aufwendig. Wir brauchten sehr viel Personal, hauptsächlich freiwillige Helfer, die in den ersten zwei Wochen Zelte aufgebaut und betrieben haben, in denen Menschen medizinische Hilfe, Informationen oder Essen erhielten. Danach haben wir die Hilfe ausgeweitet. Wir unterstützen bei den Aufräumarbeiten, besorgen Materialien für die Menschen, die ihre Wohnungen reparieren müssen oder organisieren Firmen, die bei Renovierungsarbeiten helfen.

Sie helfen also vor allem handwerklich?

Nicht nur. Neben der materiellen Unterstützung bieten wir auch psychologische Betreuung an. Die Katastrophe im Beiruter Hafen ist nur eines von vielen Problemen, mit denen der Libanon aktuell zu kämpfen hat. Es gibt eine Wirtschafts- und Finanzkrise, eine hohe Staatsverschuldung und natürlich aktuell die Corona-Krise. Das sind sehr viele Probleme, die aufeinandertreffen. Mit der psychologischen Betreuung möchten wir den Menschen helfen, Bewältigungsstrategien zu finden, um mit der Situation zurecht zu kommen.

Wie sieht die Arbeit der Caritas im Libanon jenseits der Explosionskatastrophe aus?

Die Caritas Deutschland ist über ihre Partnerorganisation Caritas Libanon seit Mitte der 1970er-Jahre im Libanon aktiv und pflegt eine sehr gute Partnerschaft mit dem Land. Seit Jahrzehnten unterhält Caritas Gesundheitszentren, in denen die libanesische Bevölkerung Medikamente und Informationen erhält. Dort bieten wir auch Ernährungsberatungen an, zum Beispiel bei krankheitsbedingten Ernährungsumstellungen. Zusätzlich hat Caritas auch Sozial- und Gemeinschaftszentren aufgebaut, in denen wir zum Beispiel Essen ausgeben.

Wir bieten auch psychologische Betreuung an. Wir möchten den Menschen helfen, mit der Situation zurecht zu kommen.
Julia Renck

Außerdem gibt es im Libanon eine große Zahl von Arbeitsmigranten und Arbeitsmigrantinnen aus Afrika und Asien. Durch die Wirtschaftskrise und den Währungsverfall ist die Arbeit aber nicht mehr besonders lukrativ und viele Arbeitgeber können ihre Angestellten nicht mehr bezahlen. Diese Menschen werden oft Opfer von psychischer und physischer Gewalt und dann bietet Caritas Unterstützung in Schutzhäusern.

Arbeiten Sie auch mit Geflüchteten im Libanon?

Auf jeden Fall. Der Libanon hat weltweit die größte Anzahl an Geflüchteten pro Kopf und pro Fläche. Ab 1947 kamen viele Palästinenser in den Libanon und ab 2011 Syrer. Etwa jeder dritte bis vierte Einwohner im Libanon ist mittlerweile ein Geflüchteter und ihre Lage wird immer schlechter. Der Überfluss an billigen Arbeitskräften führte zum Einbruch der Löhne. Auch immer mehr Libanesen aus der Mittelschicht kommen nicht mehr über die Runden. Unter anderem deshalb steht die libanesische Bevölkerung den Geflüchteten zunehmen negativ gegenüber. Die Politikbefördert das auch. Es gibt verschärfte Auflagen für Flüchtlinge und immer wieder kommt es zu Razzien. Deshalb haben wir Schutzunterkünfte für Geflüchtete und Arbeitsmigranten eingerichtet.

Arbeiten Sie auch mit anderen Organisationen zusammen?

Es gibt innerhalb der Caritas-Verbände im Libanon einen regen Austausch. Neben der deutschen sind zum Beispiel noch Caritas-Organisationen aus der Schweiz, Irland und Österreich hier aktiv. Außerdem arbeitet Caritas Libanon mit den UN, dem World Food Program und zahlreichen anderen internationalen Akteuren und NGOs zusammen. Auch mit den unterschiedlichen libanesischen Ministerien stehen wir im regen Kontakt.

Wie sind die Mitarbeiter der Caritas ausgebildet?

Hier im Libanon arbeiten Sozialarbeiter in den Zentren und Unterkünften, Krankenschwestern, Ärzte und Psychologen in den Gesundheitsstationen. Das sind die Mitarbeiter, die mit den Menschen im Land  direkt in Kontakt treten. Dann gibt es noch diejenigen, die in der Zentrale arbeiten. Das sind die Projektkoordinatoren, die auf unterschiedliche Bereiche spezialisiert sind. Ich berate Caritas Libanon beispielsweise hauptsächlich in der psychologische Betreuung, während mein Kollege die Organisation der Unterkünfte übernimmt.

Erschwert die Corona-Krise den Einsatz im Libanon?

Generell hat die Krise viele Auswirkungen auf unsere Aktivitäten. Wir können zum Beispiel keine Gruppentreffen mehr organisieren und brauchen unglaublich viel Schutzausrüstung für unsere Mitarbeiter. Schon vor der Explosion im Hafen sind die Corona-Zahlen im Libanon gestiegen, das wurde durch die Katastrophe noch mal verstärkt. Viele Menschen sind aus dem ganzen Libanon und der Welt nach Beirut gereist, um bei den Aufräum- und Sucharbeiten zu helfen. Die Solidarität war wirklich toll, allerdings ist die Zahl der Infizierten dadurch noch schneller gestiegen. Viele Krankenhäuser wurden bei der Explosion zerstört oder beschädigt, was das Gesundheitssystem zusätzlich schwächt. Trotzdem sind wir in der Lage unsere Arbeit auch unter den erschwerten Bedingungen weiterzuführen. Wir mussten nur etwas umdenken.

Wie haben Sie die internationale Reaktion auf die Explosion im Hafen wahrgenommen?

Ich fand die Spendenbereitschaft überwältigend. Deutschland hat Soforthilfen in Millionenhöhe beigesteuert und es gab insgesamt eine enorme internationale Geberbereitschaft. Auch von privater Seite kamen aus Deutschland unglaublich viele Spenden bei uns an. Die internationale Solidarität ist zumindest etwas Positives, das man aus dieser Katastrophe ziehen kann. Außerdem ist es auch schön zu sehen, wie die Menschen im Libanon sich gegenseitig helfen. Grenzen, die zum Beispiel durch Religionszugehörigkeiten allgegenwärtig sind, werden langsam aufgeweicht und Gruppen helfen einander, die normalerweise kaum Kontakt hätten. Das ist sehr wichtig, um Konfliktpotentiale abzubauen.

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