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Eine andere Welt entdecken

Nicht erst seit den Aufhebungen vieler Sanktionen gegen Iran interessieren sich Deutsche für das Land. Auch Iraner zieht es nach Deutschland. Drei junge Menschen erzählen, welche Erfahrungen sie im jeweils anderen Land gemacht haben.

13.01.2017
© Privat - Exchange

Das gegenseitige Interesse ist groß: Seit der Lockerung der Sanktionen rücken Deutschland und Iran näher zusammen – auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Gerade junge Menschen suchen den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch: Laut OECD studierten fast 60.000 junge Frauen und Männer aus Iran im Jahr 2013 im Ausland: 8.368 in den USA, 3.637 in Italien, 3.537 in Kanada und 3.135 in Deutschland. Die Bundesrepublik liegt damit auf Rang 4 der beliebtesten Gastländer.

Im Wintersemester 2015/16 studierten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (destatis) sogar schon 7.513 iranische Studierende an deutschen Hochschulen, unter ihnen etwa 1.000 sogenannte Bildungsinländer, die in Deutschland Abitur gemacht haben. Die iranischen Studierenden begeisterten sich vor allem für Fächer wie Ingenieurwissenschaften, Mathematik und Naturwissenschaften, sowie Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Und auch immer mehr junge Deutsche entdecken Iran während eines längeren Urlaubs, eines Praktikums oder eines Auslandssemesters. Drei junge Frauen und Männer erzählen von ihren Erlebnissen im jeweils anderen Land, von alltäglichen Abenteuern in der Millionenmetropole Teheran, überraschenden Einblicken in die iranische und deutsche Gesellschaft und der Faszination für Berlin.

 

„Eine der wertvollsten Erfahrung meines Lebens“

Die Iranerin Saba Barani, 30 Jahre, lebt seit fünf Jahren in Deutschland

Es ist die deutsche Kultur, die Saba Barani fasziniert. „Schon vor meiner Ankunft in Deutschland habe ich mich für die deutsche Literatur, Philosophie und klassische Musik interessiert“, sagt sie. Die Architektin und Stadtplanerin, die 2011 von Iran nach Frankfurt am Main zog, um in der Architecture Class der Städelschule den Masterstudiengang Architektur zu absolvieren, schätzt die deutsche Alltagskultur mittlerweile sehr: „Die kulturelle Vielfalt, wie ich sie in den deutschen Städten sehe, macht eine Gesellschaft offener, facettenreich und stark.“

In den vergangenen fünf Jahren wurde die Iranerin jedoch immer wieder vor Herausforderungen gestellt – zum Beispiel von der deutschen Bürokratie. „Die Einwanderung hatte ich mir viel einfacher vorgestellt“, sagt Barani. So viele Formulare, so viele Behördengänge. Ihre Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, bereut sie dennoch nicht: „Ich wollte meinen intellektuellen und professionellen Horizont erweitern, neue Leute und eine andere Kultur kennenlernen – das habe ich erreicht”, sagt sie. „Hier mache ich eine der wertvollsten Erfahrung meines Lebens.“

Aktuell arbeitet Saba Barani als Architektin in Berlin und promoviert dort an der Technischen Universität zum Thema „Inklusiver Urbanismus“. „Im Vergleich zu anderen deutschen Städten ist es manchmal schwieriger, in Berlin einen passenden Job zu finden“, erzählt sie. Für den Standort Berlin habe sie sich dennoch ganz bewusst entschieden: „Berlin hilft mir, das vielschichte und vielfältige Leben einer Architektin und Stadtforscherin zu leben“, sagt sie. „Die deutsche Hauptstadt ist für mich wie ein Labor. Mit ihrer Urbanität, den zahlreichen Angeboten und Debatten hilft sie mir bei der Beantwortung der Frage, wie Städte im Sinne der Inklusion gestaltet werden können – egal ob in Deutschland, Iran oder Mexiko.“

 

„Politische Diskussionen statt Smalltalk“

Laurin Stahl, 25 Jahre, unterrichtete Deutsch in Teheran

Die Freude und Erleichterung der Iraner über die Aufhebung vieler Sanktionen gegen ihr Land ist Laurin Stahl noch in guter Erinnerung: Kurz nach dem Beschluss der EU und der USA, die Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Iran schrittweise abzubauen, reiste der Student der Technischen Biologie der Universität Stuttgart Anfang 2016 für ein sechswöchiges Praktikum nach Teheran. „Ich war auf lokaler Ebene an der Universität Stuttgart ehrenamtlich für die Organisation AIESEC tätig, die Studenten und Absolventen für Praktika oder freiwillige Projekte ins Ausland vermittelt“, erzählt Stahl. „Dabei kam ich mit Ansprechpartnern in Teheran und Gaststudierenden aus Iran in Kontakt und habe entdeckt, wie spannend und vielfältig das Land ist.“ In einer Sprachschule in Teheran unterrichtete der 25-Jährige dann Deutsch. „Es war eine aufregende Zeit voller Umbrüche: Erste internationale Geldautomaten wurden aufgestellt, die Visabestimmungen erleichtert. Die Veränderungen waren überall zu spüren.“ In seinen Konversationskursen mit iranischen Studierenden, die kurz vor einem Auslandsaufenthalt in Deutschland standen, setzte der Stuttgarter auf politische und wissenschaftliche Diskussionen statt auf Smalltalk – und gewann überraschende Einsichten. „Die meisten jungen Menschen orientieren sich mehr am Westen, als es von außen erscheint, viele von ihnen sind auf der Suche nach tragfähigen Zukunftsperspektiven“, sagt Stahl. Doch er erlebte auch die Frustration, die viele Iraner umtreibt: „Etwas im eigenen Land zu verändern, erscheint vielen Iranern aussichtslos – sie wandern dann eher ins Ausland aus.“ Die Erfahrungen in Iran haben Laurin Stahl geprägt: Heute setzt er sich hauptamtlich im Bundesvorstand von AIESEC für den kulturellen Austausch junger Menschen ein.

 

„Nett, aufgeschlossen und hilfsbereit“

Alina Werner, 22 Jahre, studiert seit Oktober 2016 in Iran

Schnee und frostige Temperaturen im November – darauf waren die Teheraner so früh im Jahr nicht vorbereitet. Auch Alina Werner, die zwei Auslandssemester in Iran verbringt und seit Oktober 2016 im Land ist, erwischte es eiskalt: „Eigentlich denkt man, hier sei es wärmer als in Deutschland – doch dann hatten wir auf einmal eine weihnachtliche Kulisse vor der Tür“, sagt die 22-Jährige. „Die Preise für Wintermäntel haben sich auf dem Basar über Nacht verdoppelt.“ Werner, die an der Philipps-Universität Marburg Nah- und Mittelost-Studien mit Schwerpunkt Iranistik studiert, findet sich jeden Tag besser im Trubel der Millionenmetropole zurecht – trotz des Smogs, der ihr manchmal die Luft zum Atmen nimmt: „Am meisten vermisse ich mein Fahrrad“, sagt sie. „In Marburg war ich fast nur zu Fuß und mit dem Rad unterwegs, hier müssen Stunden eingeplant werden, um mit Bus und Auto die langen Wege zurückzulegen.“ Dabei sind nicht nur die Wegzeiten eine Herausforderung: Die teilweise engen, einspurigen Straßen seien zwar charakteristisch für Teheran und ein echter Hingucker, aber auch schlecht für die Orientierung – ebenso die mehrdeutigen Adressen und Straßennamen. „Die Menschen hier begegnen mir aber sehr nett, aufgeschlossen und hilfsbereit“, sagt Werner. Deshalb geht sie immer wieder gerne auf Entdeckungstour: in Teheran, wo sie derzeit an einem offiziellen Sprachinstitut, dem Dehkhoda, Sprachkurse besucht, in Isfahan und in Schiras, ihrem zweiten Studienort von März 2017 an. Über ihre Erlebnisse berichtet sie als Korrespondentin der DAAD-Kampagne „studieren weltweit – ERLEBE ES!“ auf www.studieren-weltweit.de. Das Interesse an Iran und der persischen Sprache wurde der gebürtigen Berlinerin gewissermaßen in die Wiege gelegt. „Meine Großmutter stammt aus Iran“, erzählt Alina Werner. „Ich bin aber ohne die persische Sprache und Kultur aufgewachsen und war nur wenige Male hier.“ Nun taucht die Studentin tiefer in die iranische Lebensweise ein – und möchte auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland die neu geknüpften Kontakte nicht abbrechen lassen.

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