Grünkohl „goes to Hollywood“
Grünkohl, in Deutschland eher der Inbegriff von Tradition und Hausmannskost, ist in Hollywood und New York der Star auf dem Gemüsemarkt.
Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass die New York Times ihre Leserschaft mit Kale-Rezepten versorgt: sautiert, als Chips oder flüssig als giftgrüner Smoothie. Kale, so heißen die festen grünen Blätter auf Englisch, gilt inzwischen an der Ost- und Westküste der USA als Kultgemüse. Hollywoodstars wie Jennifer Aniston und Gwyneth Paltrow sind Anhängerinnen des kalorienarmen Grünkohls und haben ihn in die Schlagzeilen gebracht. Im Netz gibt es längst eine „kale community“. Das „New York Magazin“ nannte Grünkohl gar den „Superhelden“ unter den Gemüsen.
In Deutschland staunt man über diese coole Karriere. Das bescheidene Gemüse ist zwar als vitaminreich bekannt, das Image jedoch eher traditionell, auch wenn es inzwischen eine Grünkohl-Akademie gibt. „Kohl und Pinkel“ (breiiger Grünkohl mit einer groben Wurst) ist vor allem in Norddeutschland klassische Hausmannkost im Winter. Dort ist das Grünkohlessen ein Brauch, der in vielen Gemeinden mit einer Kohl-Tour zelebriert wird. Die Städte Bremen und Oldenburg konkurrieren sogar darum, wessen original „Spezialität“ der Grünkohl ist. In Bremen wird er seit 1545 immer im Februar bei der traditionellen Schaffermahlzeit serviert. Dieses gesellschaftliche Ereignis ist das älteste fortbestehende, sich alljährlich wiederholende Brudermahl der Welt.
Oldenburg hält seit 1956 mit dem „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“ dagegen. Zum traditionellen Essen in der deutschen Hauptstadt gehört die Wahl des Kohlkönigs oder der Kohlkönigin. Zu dem erlauchten Kreis gehören der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer, der amtierende Außenamts-Chef Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel. 2014 soll das Grünkohl-Zepter an den Botschafter der Republik Türkei in Berlin, Hüseyin Avni Karslioğlu, übergehen, den ersten Kohlkönig ohne deutschen Pass. „Afiyet olsun“ - guten Appetit!
„57. Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“ am 17. Februar 2014 in der Niedersächsischen Landesvertretung in Berlin