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Das Havelland 
– Sehnsucht 
nach Natur

Malerische Städte, Kulturlandschaften wie Potsdam mit seinen Schlössern, Wälder und Wasser prägen das Havelland. Eine Entdeckungsreise vor den Toren Berlins.

Uwe Rada, 12.04.2016
© picture alliance/Moritz Vennemann - Havelland

Seinen Klang verdankt das Havelland den Worten des Dichters Theodor Fontane. In seinen berühmten „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ widmet ihm der 1819 in Neuruppin geborene Schriftsteller sogar ­einen eigenen Band. Denn das Havelland ist dem Autor der „Effi Briest“ die Wiege der Mark Brandenburg, ja sogar des „Preußenlandes“. Es war Albrecht der Bär, der 1157 die Brennaburg, später Brandenburg, von den Slawen zurückerobert und die gleichnamige Mark gegründet hatte.

Eigentlich ist die Havel, ein 334 Kilometer kurzer rechter Nebenfluss der Elbe, eher unbedeutend. Von der Mecklenburger Seenplatte kommend, zieht es sie nach Süden gen Berlin, bevor sie jenen unbeschreiblichen Bogen schlägt, in dessen Mitte das Havelland gebettet ist. Die Wiege Brandenburgs ist also eine Wiege, die ihm dieser Fluss hingestellt hat.

Die Kulturlandschaft Havelland ist ein Brandenburger Arkadien – und geht über den Landkreis gleichen Namens hinaus. So gehören die Potsdamer Schlösser und Gärten – Welterbe der UNESCO – auch dazu. Preußens König Friedrich Wilhelm II. hat die Havellandschaft nahe Berlin zu einer Sehnsuchtslandschaft geformt, die Pfaueninsel nannte er sein „persönliches Tahiti“. Dann ist da Paretz, 
jenes Dorf, in das sich der Nachfolger des Königs, Friedrich Wilhelm III., mit seiner Frau ­Luise zurückzog, um fern der Zwänge des Regierens ein scheinbar bürgerliches Leben zu führen. Luise, Preußens Königin der Herzen, hat Paretz zu einem der heute meistbesuchten Touristenmagneten Brandenburgs gemacht. „Der Reisende, den von Berlin aus sein Weg nach Westen führt, (. . .) hat wenigstens zu Beginn seiner Fahrt (. . .) einige Partien zu durchfliegen, die er nicht Anstand nehmen wird als Oasen gelten zu lassen.“ Was fast wie aus einem Reiseprospekt klingt, ist der Beginn von Fontanes Schilderung von Werder, jener Inselstadt auf der Havel, die ihre Reize bewahrt hat. Vor allem im ­Frühjahr, wenn die Obstbäume blühen, kommen Tausende, um das Baumblütenfest zu feiern.

Überhaupt – das Havelland und das Obst. In Ribbeck, auch so ein Ort, den Fontane auf die literarisch-touristische Landkarte gesetzt hat, hält man es mit den Birnen. In seinem Gedicht „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ beschreibt Fontane einen Gutsherren, der den Kindern im Dorf immer von seinen Birnen zu essen gibt. Als er stirbt, legt man ihm eine Birne ins Grab. Herr von Ribbeck wird es geahnt haben: Sein Nachfahr 
war knauserig, doch weil die Birne bald ausschlug, bekamen die Kinder weiter ihre Früchte.

Schließlich Havelberg, wo sich die Havel zum ­letzten Mal aufbäumt, den Altstadtberg umspült, bevor sie dahinter schließlich in den Wassern der Elbe entschwindet. Es sind Städte wie Havelberg und Werder, Kulturlandschaften wie in Potsdam, auch Wälder und Wasser, die die Landschaft des Havellands prägen, ausgedehnte Flussniederungen wechseln sich ab mit malerischen Dörfern.

Brandenburg, so heißt es manchmal etwas abschätzig, wenn von der Provinz die Rede ist, könne sich freuen, in seiner Mitte eine Großstadt wie Berlin zu haben. Man kann es auch anders sehen: Hier konnte sich eine Symbiose zwischen Metropole und Region entwickeln. Die Mark versorgte Berlin mit Baustoffen, Berlin die Mark mit Touristen. Doch dieses Zusammenspiel ist noch keine 
200 Jahre alt. Zuvor galten Landschaften wie das Havelland nicht als schön, sondern als rückständig. Seit der Romantik aber standen nicht mehr ­allein Italien, die Alpen und die „Grand Tour“ auf dem Reiseplan der Touristen, sondern auch der Ausflug ins Grüne. Dass auch das Havelland darunter ist, ist das Verdienst Fontanes. Er hat den Menschen die Augen für die Schönheit dieser Landschaft geöffnet. Bis heute. ▪