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Städtepartner: Es geht um Vertrauen, Austausch und Menschlichkeit

200 Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und den USA stärken den transatlantischen Austausch und bringen die Menschen auf vielen Ebenen zusammen. 

Bettina MittelstraßBettina Mittelstraß , 11.11.2025
Rostocker Fahne in Raleigh: Die Partnerschaft zwischen den Städten in Norddeutschland und North Carolina ist vielschichtig.
Rostocker Fahne in Raleigh: Die Partnerschaft zwischen den Städten in Norddeutschland und North Carolina ist vielschichtig. © Ivana Stijelja

Esslingen in Baden-Württemberg und Sheboygan im US-Bundesstaat Wisconsin pflegen ihre Partnerschaft seit über 50 Jahren. Esslingen liegt am Fluss Neckar und Sheboygan am Lake Michigan. Wasser verbindet sie ebenso wie der Kampf gegen den globalen Klimawandel. In beiden Städten steigt die Hitzebelastung, und im Landkreis Esslingen wie im Sheboygan County leidet die Landwirtschaft entweder unter Trockenheit oder Starkregen mit Überschwemmungen. Wie kann die urbane Gegend lebenswert bleiben? Wie wappnen sich die Partnerstädte auf beiden Seiten des Atlantiks?  

Gemeinsame Probleme, gemeinsame Lösungsansätze 

Ob Klima- oder Strukturwandel, Verkehrsplanung oder Wohnungsbau, Zuwanderung, Integration, Teilhabe oder auch gesellschaftlicher Frieden in der Stadt – die Herausforderungen sind die gleichen, ob sie nun von der kommunalen Verwaltung einer deutschen oder einer US-amerikanischen Stadt bewältigt werden müssen. Seit 2021 unterstützt das Projekt Urban Diplomacy Exchange (UDE) deutsch-amerikanische und deutsch-britische Städtepartnerschaften, durchgeführt wird es von Engagement Global. Im transatlantischen Austausch brachte UDE im Juni 2024 in New York und im Oktober 2025 in Bremen zahlreiche deutsche und amerikanische Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister mit zwei Treffen zusammen. 

„Es geht um einen direkten Kontakt von deutschen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern mit den ,mayors‘ und lokalen Politikerinnen und Politikern ihrer Partnerstädte in den USA“, erläutert Livia Pichorner, Projektleitern bei Urban Diplomacy Exchange. „Das bedeutet auch die Kooperation städtischer Fachämter auf der Arbeitsebene.“ Inhaltlich adressieren die unterschiedlichen Austauschformate wie Konferenzen und Fachaustauschreisen Themen im Rahmen der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen. 

Mehr Verständnis, Bildung und Begegnung 

„In einer Zeit, in der viele Bürger weltweit das Gefühl haben, ihre nationalen Politiker würden ihre Ansichten nicht widerspiegeln, bereichert lokale Diplomatie das gegenseitige Verständnis um einige Facetten und Nuancen“, sagt Megan Patton. Sie ist Stadträtin in Raleigh im Bundesstaat North Carolina und unter anderem zuständig für die Pflege der Städtepartnerschaft mit Rostock in Mecklenburg-Vorpommern.  

Im Juni 2025 empfing Raleigh im Rahmen des Urban Diplomacy Exchange eine Delegation aus der norddeutschen Partnerstadt. Megan Patton schätzt die Begegnungen sehr: „Als politische Entscheidungsträgerin profitiere ich davon, wenn ich von vergleichbaren Herausforderungen und einzigartigen Lösungen höre“, sagt sie. Parallelen gebe es etwa bei der Frage nach bezahlbarem Wohnraum, der komplexen Zusammenarbeit von Behörden oder bei Investitionen in eine Infrastruktur der Zukunft. „Unsere gemeinsamen Werte hinsichtlich Bildung und Nachhaltigkeit bieten Möglichkeiten für Partnerschaften zwischen unseren Universitäten“, ergänzt sie, „und unser gemeinsames Engagement für den Tourismus bietet die Chance zur Zusammenarbeit bei Initiativen im Bereich Reisen.“ 

„Vertrauen stärker denn je“ 

Für Ivana Stijelja, die im Büro der Oberbürgermeisterin der Stadt Rostock den Fachbereich Internationales leitet, sind Treffen auf höchster Ebene der Stadtpolitik eine wertvolle Unterstützung für die seit über 20 Jahren bestehende Partnerschaft mit Raleigh. „Wir arbeiten schon lange erfolgreich mit dem Verein Raleigh Sister Cities zusammen, aber die Arbeitsebene braucht Unterstützung von der lokalen Politik, um gute Ideen auch jeweils umzusetzen.“ Cody Charland, ihr Ansprechpartner bei Raleigh Sister Cities, betont: „Die Beziehungen und das Vertrauen sind stärker gewachsen denn je.“ 

Es geht um Menschlichkeit, Kooperation und den Austausch von Wissen
Ryan Sorensen, Bürgermeister von Sheboygan, Wisconsin

Auch die Partnerstädte Esslingen und Sheboygan vertiefen mit „urban diplomacy“ ihre jahrzehntelange Freundschaft. „Meine erneuten Besuche in Esslingen haben sich besonders gelohnt“, sagt Mayor Ryan Sorensen, der junge und weltoffene Bürgermeister von Sheboygan. Beeindruckt ist er beispielsweise davon, dass Esslingen bei der Anpassung an Klimastandards mit einer eigens erstellten Klimaanalysekarte der Stadt arbeitet. „Wir lernen verschiedene Aspekte kennen, in denen Esslingen weiter fortgeschritten ist als wir, die wir dann mit nach Hause nehmen und nutzen können, um wichtige Initiativen in Sheboygan voranzubringen.“ So hat Sorensen ein städtisches Aufforstungsprogramm zur Hitzereduktion wieder in Gang gebracht. „Wir prüfen auch, wie wir ebenfalls unsere Infrastruktur modernisieren können, um sicherere Fußgängerwege und besser zugängliche Fahrradwege zu schaffen.“  

Verständigung und Freundschaften 

Für Katrin Radtke, die bei der Stadt Esslingen für Internationales zuständig ist, zeigt der Austausch, dass transatlantische Beziehungen viel mehr sind als Politik zwischen Berlin und Washington. „Wir haben unsere Feuerwehr mit der in Sheboygan vernetzt, weil bei uns immer mehr Notrufe auf Englisch eintreffen“, berichtet sie. „Coffee-Talks“ nennt sich der virtuelle Austausch zwischen deutscher Feuerwehr und amerikanischen „firefighters“ – eigentlich ein Format, um Englisch zu üben, bei dem dann aber auch Verständigung und Freundschaften entstehen. Das führt auch durch staatspolitisch turbulente Zeiten, findet Sorensen: „Es geht um Menschlichkeit, Kooperation und den Austausch von Wissen für gemeinsame Widerstandsfähigkeit.“