Zum Hauptinhalt springen

„Europa braucht diesen Motor“

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas steht mit ihrer französischen Amtskollegin Yaël Braun-Pivet an der Spitze der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung.

Luca Rehse-KnaufLuca Rehse-Knauf, 19.01.2024
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas © pictureAlliance/dpa

Der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung gehören jeweils 50 Abgeordnete des Deutschen Bundestags und der französischen Nationalversammlung an. Die konstituierende Sitzung dieses besonderen Gremiums fand am 25. März 2019 statt. An der Spitze der Versammlung stehen momentan Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und ihre französische Amtskollegin Yaël Braun-Pivet. Bas spricht über die gemeinsame Arbeit der Parlamente, die weibliche Doppelspitze und die deutsch-französische Zusammenarbeit.

Frau Bas, dieses Jahr feiert die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung ihr fünfjähriges Bestehen. Was bedeutet die Versammlung für Sie?

Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung ist sehr wichtig für unsere beiden Parlamente, auch wenn noch nicht alle Bürgerinnen und Bürger in unseren Ländern sie kennen. Ich bin meinem Amtsvorgänger, dem kürzlich verstorbenen Wolfgang Schäuble, sehr dankbar, dass er die Initiative zur Gründung der Versammlung ergriffen hat. Es ist eine einzigartige Institution in Europa, die unsere Partnerschaft und gegenseitige Verbundenheit deutlich macht. Und nicht nur das: Wir reden auch über konkrete Themen und kommen zu gemeinsamen Beschlüssen.

Welche konkreten Ergebnisse gab es?

In den ersten fünf Jahren ihres Bestehens hat sich die Versammlung schon mit vielen Themen befasst – zuletzt mit dem gegenseitigen Spracherwerb. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die Französisch lernen – und umgekehrt, der Schülerinnen und Schüler in Frankreich, die Deutsch lernen – sinkt leider kontinuierlich. Dies hat uns 2023 in zwei Sitzungen der Kammer beschäftigt. Auf der Agenda standen auch schon wirtschafts-, finanz-, und außenpolitische Fragen sowie die Zusammenarbeit in der Grenzregion. Während der Coronapandemie gab es auch eine Sondersitzung. In dieser Sitzung haben die Abgeordneten die damaligen Innenminister, Horst Seehofer und Christophe Castaner, zu den im Zuge der Pandemie ergriffenen staatlichen Maßnahmen befragt, insbesondere zu den Grenzkontrollen. Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung kann Initiativen ergreifen und den Regierungen Empfehlungen geben.

Bärbel Bas (rechts) und ihre Amtskollegin Yaël Braun-Pivet
Bärbel Bas (rechts) und ihre Amtskollegin Yaël Braun-Pivet © pictureAlliance/dpa

Sie leiten die Versammlung mit ihrer französischen Amtskollegin Yaël Braun-Pivet. Was bedeutet es, dass erstmals zwei Frauen an der Spitze des Gremiums stehen?

Ich weiß Yaël Braun-Pivet sehr zu schätzen. Wir haben viele Gemeinsamkeiten und sind beide überzeugte Demokratinnen, die in der Politik etwas bewegen wollen – auch für Frauen. So streben wir eine engere Vernetzung mit anderen Parlamentspräsidentinnen in Europa an. Über Jahrzehnte gab es an den Staatsspitzen unserer beiden Länder vor allem Männer. Da ist unsere Botschaft eindeutig: Die deutsch-französische Freundschaft wird heute auch von Frauen vorangetrieben.

Das Fundament unserer Freundschaft sind gegenseitiges Vertrauen und das gemeinsame Engagement für ein friedliches, starkes und geeintes Europa.
Bärbel Bas

Was zeichnet für Sie die deutsch-französische Freundschaft aus?

Frankreich ist unser engster Partner. Das Fundament unserer Freundschaft sind gegenseitiges Vertrauen und das gemeinsame Engagement für ein friedliches, starkes und geeintes Europa. Natürlich gibt es inhaltliche Unterschiede, etwa beim Thema Energieversorgung. Auch politische Strukturen sind in unseren Ländern unterschiedlich. Das stört die Zusammenarbeit unserer Parlamente aber nicht. Die Politik lebt von der Debatte, sie gehört zu einer lebendigen Demokratie. Trotz der Differenzen hören wir einander zu und unterstützen uns gegenseitig. Um in Themen tiefer einsteigen zu können, setzt die Versammlung Arbeitsgruppen ein, die Empfehlungen und Lösungsvorschläge erarbeiten.

Braucht Europa nach wie vor den deutsch-französischen Motor?

Ja, unbedingt. Europa braucht diesen Motor. Gerade jetzt, wenn wir es mit so vielen besorgniserregenden Krisen zu tun haben. In vielen Ländern sind Populisten auf dem Vormarsch, auch bei uns beobachten wir einen Vertrauensverlust in demokratische Institutionen. Frankreich und Deutschland beweisen seit Jahrzehnten, dass man trotz unterschiedlicher Positionen miteinander respektvoll umgehen und konstruktiv zusammenarbeiten kann. Das ist in solchen Zeiten ein echter Anker. Es braucht die deutsch-französische Zusammenarbeit in Europa auch als Garant für Verlässlichkeit und Kontinuität.