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„Der Wille zur Zusammenarbeit ist groß“

Simona Koß von der Deutsch-Polnischen Gesellschaft über den Wert der Zusammenarbeit, ihre Verbindung zu Polen und warum Jugendarbeit so wichtig ist.

26.06.2023
Simona Koß, Vorsitzende des Bundesverbands der Deutsch-Polnischen Gesellschaft
Simona Koß, Vorsitzende des Bundesverbands der Deutsch-Polnischen Gesellschaft © pictureAlliance/dpa

Frau Koß, Sie sind Vorsitzende des Bundesverbands der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, kurz dpgp. Welche Aufgaben verfolgt die Organisation?

In den vergangenen 30 Jahren seit der deutschen Einheit haben die deutsch-polnischen Gesellschaften eine wichtige Arbeit zur Verständigung zwischen Polen und Deutschen geleistet. Zunächst ging es einerseits darum, Polinnen und Polen, die nach Deutschland gekommen sind, eine Heimat zu bieten, ihnen ein authentisches Bild Deutschlands zu vermitteln. Es ging zum anderen aber auch darum, Deutschen ein Bild des neuen Polen zu vermitteln. Viele Initiativen zur Zusammenarbeit wurden gestartet, aber auch zur Unterstützung der polnischen Zivilgesellschaft. Der Bundesverband vertritt die vielen Deutsch-Polnischen Gesellschaften in Deutschland, er gibt ihnen aber auch Impulse, etwa auf der Jahrestagung, durch das zweisprachige Magazin Dialog oder den dpgb-Internetauftritt. Alles dient dem Ziel, insbesondere die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen zu stärken.

Hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine auch für den dpgb etwas verändert?

Ganz sicher hat der Krieg neue zentrale Fragen aufgeworfen. Gerade wenn es um die Ukraine geht, ist der Blick auf Polen wichtig für Deutschland. Wer in der polnischen Zivilgesellschaft arbeitet daran, die Folgen des Krieges in der Ukraine abzumildern? Wen können wir dort wie unterstützen? Der Bundesverband und die Gesellschaften überlegen intensiv, wie eine deutsch-polnisch-ukrainische Zusammenarbeit aussehen kann.

Welche Themen sind für Sie persönlich besonders wichtig?

Da bin ich eher pragmatisch: Wie können wir die Zusammenarbeit mit den Polnisch-Deutschen Gesellschaften in Polen intensivieren? Welche Projekte außerhalb des dpgb können wir fördern? Und vor allen Dingen: wie kann ich junge Leute für die deutsch polnische Zusammenarbeit gewinnen, in Deutschland, aber auch in Polen? Das packen wir jetzt an. Wir treffen uns im Juli mit dem Vorstand der Polnisch-Deutschen Gesellschaften in Berlin. Dann machen wir zu dem Thema eine Klausur des dpgb-Vorstandes im Schloss Trebnitz. Und wichtig für die Außenwirkung: Auf unserer Bundestagung im Herbst in Berlin feiern wir „50 Jahre Deutsch Polnische Gesellschaft“ und verleihen den DIALOG-Preis. Alles auch mit dem Ziel, mehr junge Menschen für unsere Arbeit zu interessieren.

Woher kommt Ihr Interesse für die Beziehungen zu Polen?

Mein persönliches Interesse kommt aus meiner Geschichte. Meine Eltern stammen aus Schlesien und aus Oberschlesien. Wir leben hier direkt an der Grenze, sie ist keine 30 Kilometer entfernt. Die Schule für lernbehinderte Kinder, die ich acht Jahre geleitet habe, liegt noch näher an Polen. Damals, vor 15 Jahren, merkte ich, dass viele meiner Schülerinnen und Schüler Polen nur vom „Polenmarkt“ kannten. Ich habe dann Kontakte zu polnischen Schulen geknüpft und wir haben gemeinsam Projekte umgesetzt, vor allem zur Geschichte. Jenseits der Oder zur deutschen, diesseits zur polnischen Geschichte, aber auch zum Zweiten Weltkrieg und zum Nationalsozialismus. Heute treffe ich manchmal ehemalige Schülerinnen und Schüler, und wenn dann jemand erzählt, mein Partner oder meine Partnerin kommt aus Polen, sie oder ihn habe ich damals bei einem Schulprojekt kennengelernt – da geht einem das Herz auf.

Man darf nicht unterschätzen, was alles im Kleinen läuft.
Simona Koß, Vorsitzende Deutsch-Polnische Gesellschaft Bundesverband

Wie sieht im Grenzgebiet die Zusammenarbeit von Kindergärten und Schulen aus?

Gerade im Märkisch-Oderland gibt es und gab es viele Projekte, etwa zum Spracherwerb in Kitas oder Schulen. Das sind gelebte Partnerschaften, die leider oft durch die Pandemie unterbrochen wurden. Was wir an den Schulen verstehen müssen: Englisch allein macht als Fremdsprache nicht glücklich, schon gar nicht in der Grenzregion. Gerade hier gehört es dazu, wenigstens einigermaßen die Sprache der Nachbarn zu beherrschen. Trotz vieler Projekte können wir da noch viel tun.

Allerdings darf man nicht unterschätzen, was im Kleinen alles läuft. Manches ergibt sich von selbst. Wenn etwa polnische Kinder in der Kita sind, lernen die Kleinen automatisch voneinander. Um die Kinder sollten wir uns kümmern: Wie kann man die Partnerschaften von Kitas unterstützen? Es gibt im Märkisch-Oderland zum Beispiel Ende Juni eine Kita-Olympiade. Da machen auch polnische Kitas mit und es ist niedlich, wie alle miteinander kommunizieren, obwohl sie die Sprache des anderen nicht verstehen. Aber kleine Kinder können das wunderbar. Das ist auch das eigentliche Ziel: ihnen zu zeigen, dass man viele Dinge gemeinsam machen kann.

Die Beziehungen zwischen den Regierungen sind gerade nicht ganz einfach. Spiegelt sich dies auch im Kleinen?

Bei den zivilgesellschaftlichen Kontakten auf der unteren Ebene spielen die Differenzen keine große Rolle. Sie werden immer erst dann wichtig, wenn Themen eine größere Öffentlichkeit erreichen. Ich glaube, die zivilgesellschaftlichen Kontakte sind so gut, weil der Wille zur Zusammenarbeit groß ist. Tatsächlich hat die Pandemie zwar manches unterbrochen, aber es gibt ein sehr solides Fundament.

Wenn wir nur auf Deutschland schauen: Was könnte die deutsche Seite zur Verbesserung der Beziehungen tun?

Der Erinnerungsort zu Polen spielt sicher eine sehr große Rolle. In der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Berlin nehmen wir das Thema sehr ernst und machen viele Veranstaltungen zu der Frage: Was können wir tun, damit die polnische Bevölkerung zufrieden ist? Wir sind da auf dem Weg, aber es ist sehr wichtig, dass wir auch vorankommen.

Deutschland kann auch schauen, ob wir jenseits des Themas Reparationen weiterhin eine Art Wiedergutmachung leisten können. Etwa, indem wir uns am Wiederaufbau von im Zweiten  Weltkrieg zerstörten Kulturgütern beteiligen. Gleichzeitig sollten wir mit Respekt und Anerkennung auf die polnischen Erfolge schauen, gerade auf das, was in der Grenzregion erreicht worden ist. Das ist für mich ein sehr wichtiger Punkt.

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Simona Koß, SPD-Bundestagsabgeordnete, wurde im Oktober 2022 zur Vorsitzenden des Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband (dpgb) gewählt. Sie ist unter anderem im Vorstand der deutsch-polnischen Begegnungsstätte Schloss Trebnitz engagiert und ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde Prötzel bei Strausberg.