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Europa im Jahr 4017

Wie sieht Europa in 2.000 Jahren aus? Internationale Künstler geben Antworten.

Petra Schönhöfer, 10.03.2017
© Victoria & Albert Museum - Exhibition

Europa ist in der Krise. Rechtspopulismus hier, Brexit-Votum dort – wie wird es weitergehen? Für das Festival „Collecting Europe“ versetzten sich zwölf internationale Künstler ins Jahr 4017. Initiatoren des Festivals, das nach seinem Auftakt in London digital weiterläuft, sind das Goethe-Institut London und das Victoria & Albert Museum. Wir stellen fünf Visionen vor.

 

Europa und künstliche Intelligenz
Der Niederländer Constant Dullaart sucht in seiner Installation „The European Classes“ die kollektive europäische Identität mithilfe sogenannter neuronaler Netzwerke (ConvNets). Diese Bilderkennungsnetze unterscheiden bestimmte Objekte innerhalb von Fotografien. Dullaart hat sie umprogrammiert, so dass sie sich ausschließlich auf europäische Bilder konzentrieren. Er stellt damit die Frage, wie künstliche Intelligenz das Bild von Europa beeinflussen und möglicherweise verfälschen kann.

 

Die Natur bleibt
Im „Svalbard Global Seed Vault“ auf Spitzbergen sammelt der Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt unterschiedliche Pflanzensamen. Was der Saatgut-Tresor in 2.000 Jahren bewirkt, zeigen die Künstler IC-98 und Kustaa Saksi mit dem Teppich „A World in Waiting“. Das finnische Duo IC-98 ist bekannt für Animationsfilme, in denen durch Technologie geprägte Landschaften dargestellt werden. Kustaa Saksi ist Textilkünstler und Designer. Bei „A World in Waiting“ ist die Menschheit bereits Geschichte, doch ihre Nachwirkungen sind sehr präsent. Pflanzen aus aller Welt sprießen in üppigen Wäldern, echte Samen sind in den Stoff des Teppichs eingewoben.

 

Vom Verschwinden einer sicher geglaubten Welt
Der Film „Let Me See It“ der Italienerin Rosa Barba erzählt die Geschichte eines Mannes, der sein Augenlicht verliert. Ein Freund hilft ihm, sich zuvor alle Gegenstände in seinem Haus einzuprägen. Die Bilder des Films werden dabei zur Metapher für das Verschwinden einer sicher geglaubten Welt – so, wie es Europa einige Jahrzehnte lang war. Das Werk der in Berlin lebenden Multimedia-Künstlerin Rosa Barba besteht aus Filmen, Installationen und Skulpturen. Sie zerlegt die klassische Erzählweise von Filmen und schafft so atmosphärisch dichte Werke. Die Sprache und der Aspekt der Zeit sind dabei wesentlich.

 

Aus Zucker
Zucker, das süße Laster, ist historisch betrachtet ein Zeichen für Macht und Reichtum. Die Künstler des britischen Kollektivs AVM Curiosities ließen sich für die Skulptur „Alabaster Ruins“ von diesem Luxus und vom Erbe europäischer Architektur inspirieren. Sie kombinierten Rezepte für Zuckerplatten aus dem 17. Jahrhundert mit zeitgenössischem 3D-Druck. Auf diese Weise schufen sie Fragmente englischen Tudors, französischer Gotik, deutschen Barocks und klassischer griechischer Strukturen. Die Zuckerformen wurden nach Vorlagen aus der Sammlung des Victoria & Albert Museum erstellt – die Flüchtigkeit und der Wunsch des Bewahrens spiegeln sich darin gleichermaßen.

 

Nach der Zivilisation
Die Installation „Mysteries of Lost Civilisations“ klingt nach Indiana Jones: Im Jahr 4017 entdecken Archäologen eine massive Metallscheibe unbekannter Herkunft und Funktion. Darauf finden sie Reliefdrucke, eigenartig verzerrt bilden sie Motive des täglichen Lebens ab. Der taiwanesische Künstler Tu Wei-Cheng hat dafür Modellage, Guss und Korrosion kombiniert. Mit Hilfe dieser vermeintlichen Relikte regt er zum Nachdenken an. Was könnte im Laufe der kommenden 2000 Jahre passieren, das zur Entdeckung solcher kultureller Überbleibsel führt. Kriege? Naturkatastrophen? Oder schlichtweg der Lauf der Zeit?

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