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„Wir müssen unsere 
Anstrengungen steigern“

Hinrich Thölken, Botschafter der Ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen in Rom, über den Kampf gegen den Hunger in der Welt.

13.04.2016

Der Hunger in der Welt ist immer noch ein 
Thema – die Vereinten Nationen arbeiten dagegen an. Wie weit sind sie vorangekommen?

2015 beschloss die internationale Gemeinschaft die Agenda 2030, die auch auf die Beseitigung des Hungers zielt. Heute hungern noch immer 795 Millionen Menschen. Wir müssen unsere Anstrengungen noch 
erheblich steigern, um den Hunger bis 2030 gänzlich zu beseitigen. Die gute Nachricht ist: Technisch ist dies möglich, es gibt genügend Nahrungsmittel auf der Welt.

Welche Maßnahmen versprechen Erfolg?

Viele Faktoren sind zu betrachten: Wirtschaftswachstum, Überwindung von Ungleichverteilung oder das Funktionieren der Märkte. Logistik spielt eine große Rolle, um Lebensmittelverluste zu mindern. Wir wollen die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft in ärmeren Ländern verbessern durch Zugang zu Saatgut und Landtechnik, auch durch Bildung und eine Stärkung der Rolle der Frauen. Es muss gelingen, Konflikte zu beenden und Frieden zu schaffen. Es geht also um ein ganzes Maßnahmenbündel aus langfristiger Entwicklungs­zusammenarbeit, Humanitärer Hilfe, Projekt­arbeit und Unterstützung bei Kreditvergabe an Kleinbauern.

In Rom sind mit der Landwirtschaftsorganisation FAO, dem Welternährungsprogramm WFP und dem Internationalen Fonds für landwirtschaft­liche Entwicklung IFAD drei große Agenturen der Vereinten Nationen ansässig. Sie vertreten die deutschen Interessen in diesen Organisationen – wie heißen Ihre Schwerpunkte?

Wir sehen die FAO primär als Wissensorganisation zu Agrar- und Ernährungsfragen und im Bereich von Forst, Boden, Fischerei. Die FAO soll neue Strategien entwickeln, um die Menschheit zu ernähren. Dafür setzen wir uns ein. Das WFP ist größter Akteur bei Humanitären Katastrophen, für Krisen- und Übergangshilfen. Die Zahl der Krisen nimmt zu, manche ziehen sich über Jahre hin. Wir unterstützen das WFP dabei, diesen Herausforderungen gerecht zu werden. IFAD soll Armut in ländlichen Gebieten bekämpfen und die kleinbäuerliche Landwirtschaft fördern. Wir begleiten IFAD eng bei ­Arbeiten zur Anpassung an den Klimawandel, der Sicherung landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten und dem Zugang zu Märkten sowie bei der Unterstützung von Frauen und der Verbesserung der ländlichen Infrastruktur.


Welchen Beitrag leistet Deutschland konkret?

Bei FAO sind wir drittgrößter Beitragszahler. Zusätz­lichen gibt Deutschland freiwillige Beiträge in einen bilateralen Treuhandfonds – derzeit 95 Millionen US-Dollar. Eine nachhaltige Steigerung der Produktivität der Land- und Ernährungswirtschaft streben wir etwa durch eine Landpartnerschaft mit Sierra Leone an, um Leitlinien für verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten umzusetzen. Im Rahmen des Welt­ernährungsausschusses, CFS, kommen alle relevanten Akteure zusammen, um globale Strategien für Nahrungsmittelsicherheit, Ernährung oder nachhaltige Landwirtschaft zu koordinieren. Wir wollen völkerrecht­liche Normen und Leitlinien entwickeln, um Ernährungssicherung als prioritäres Ziel in den nationalen Politiken weltweit zu fördern. Beim WFP ist Deutschland seit der Londoner Syrien-Konferenz Anfang 2016 zweitgrößter Geber mit über 700 Millionen Euro in diesem Jahr. Wir leisten einen wichtigen Beitrag für die Versorgung der Flüchtlinge aus Syrien und zur Bekämpfung der Folgen des El-Niño-Effekts. Seit 2015 fördern wir ein Innova­tionszentrum des Welternährungsprogramms WFP in München. Seit 2013 besteht eine Strategische Partnerschaft mit IFAD, für welche über 15 Millionen Euro bereitstehen. Zudem hat die KfW Bankengruppe 2014 ein Darlehen in Höhe von 400 Millionen Euro an IFAD gegeben.

Welches Projekt beeindruckt Sie besonders?

Das Welternährungsprogramm versorgt seit Jahren 
Millionen Flüchtlinge aus und in Syrien. Dies geschieht oft unter schwierigsten Bedingungen und unter hohem persönlichem Risiko für die Helfer in schwer zugäng­lichen Regionen. Vor dieser großen Leistung habe ich 
besonderen Respekt. ▪

Interview: Janet Schayan