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„Einbürgerung bildet die Lebensrealität ab“

Die Forschung zeige, dass Einbürgerungen die Integration fördern, sagt Migrationsexperte Niklas Harder. 

Interview: Helen Sibum , 29.05.2023
Familie aus Irak bei Einbürgerungsfeier
Familie aus Irak bei Einbürgerungsfeier © picture alliance/dpa

Herr Harder, 2022 gab es in Deutschland rund 168.500 Einbürgerungen – 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Woran liegt das?
Zum einen hängt das noch mit dem Brexit zusammen – viele in Deutschland lebende Britinnen und Briten wollten sich einbürgern lassen, und es dauerte, die Anträge abzuarbeiten. Zum anderen können jetzt schon einige Syrerinnen und Syrer, die 2014 und 2015 nach Deutschland gekommen sind, die Einbürgerung beantragen. Grundsätzlich ist die politische Situation im Herkunftsland ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, sich einbürgern zu lassen. 

Niklas Harder forscht zu Integration und politischer Beteiligung.
Niklas Harder forscht zu Integration und politischer Beteiligung. © Mehdi Bahmed/Concept Photography Berlin

Fördert Einbürgerung die Integration?
Ja, auch wenn die Forschungslage dazu nicht eindeutig ist. Studien zeigen aber, dass Frauen von schnelleren Einbürgerungen profitieren und danach etwa höhere Einkommen erzielen. Unabhängig davon muss man betonen, dass die Einbürgerung die Lebensrealität abbildet. Wenn Bürgerinnen und Bürger für einen Staat Verantwortung übernehmen – und das tun sie unter anderem, indem sie Steuern zahlen – sollte der Staat irgendwann auch Verantwortung für sie übernehmen und ihnen einen sicheren legalen Status bieten.  

Nun gibt es Pläne für eine Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts. Wie ordnen Sie diese ein?
Nach den Plänen wäre es möglich, schon nach fünf statt erst nach acht Jahren Aufenthalt die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Das ist ein wichtiges Signal. Außerdem würde die Reform eine gewisse Ungerechtigkeit beenden: Bislang ist es eigentlich so, dass mit der Einbürgerung die alte Staatsangehörigkeit aufgegeben werden muss. In der Realität gab es aber viele Ausnahmen, unter anderem, weil beispielsweise einige autoritäre Staaten es gar nicht ermöglichen, die Staatsangehörigkeit abzugeben. Die Reform sieht nun vor, dass die doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich akzeptiert wird – im Sinne der Gleichbehandlung wäre das zu begrüßen. 

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Dr. Niklar Harder ist Co-Leiter der Abteilung Integration beim Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). 

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