Urteil nach dem Weltrechtsprinzip
Die historische Entscheidung eines deutschen Gerichts in einem Prozess um Staatsfolter in Syrien fußt auf dem Weltrechtsprinzip.
Ein weltweit beachtetes Urteil verkündete Anfang 2022 das Oberlandesgericht Koblenz im Westen Deutschlands. Das Gericht verurteilte den Syrer Anwar R. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft. Mit diesem historischen Urteil endete der nach Angaben der deutschen Bundesanwaltschaft weltweit erste Strafprozess um Staatsfolter in Syrien. Basis der Entscheidung ist das sogenannte Weltrechtsprinzip. Wir erklären euch, was sich dahinter verbirgt und auf welchen rechtlichen Grundlagen ein deutsches Gericht den Angeklagten schuldig sprechen konnte.
Worum ging es in dem konkreten Fall?
Nach Überzeugung des Staatsschutzsenats des Oberlandesgerichts hatte Anwar R. 2011 und 2012 in der Anfangsphase des syrischen Bürgerkrieges Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Der 58-Jährige sei in einem Gefängnis des Allgemeinen Geheimdienstes in der syrischen Hauptstadt Damaskus als Vernehmungschef für die Folter von mindestens 4.000 Menschen verantwortlich gewesen.
Was bedeutet das Weltrechtsprinzip?
Das im Völkerstrafrecht verankerte Prinzip erlaubt es, weltweit schwere Verbrechen unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Täters und des Opfers sowie dem Tatort zu verfolgen. So kann auch vor deutschen Gerichten über mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten geurteilt werden. „Es beruht auf dem Gedanken, dass die Verfolgung von völkerrechtlichen Kernverbrechen im Interesse der Menschheit als solcher liegt“, erklärt das Oberlandesgericht Koblenz das Weltrechtsprinzip. Dahinter steht der Gedanke, dass Kriegsverbrecher auch im Ausland keinen sicheren Rückzugsort finden sollen.
Welche Straftaten können verfolgt werden?
Das seit 2002 in Deutschland bestehende Völkerstrafgesetzbuch kennt unter anderem die Straftatbestände Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Verantwortlich für die Ermittlungen ist die Bundesanwaltschaft als höchste Strafverfolgungsbehörde Deutschlands. Auf internationaler Ebene ist seit 2003 der Internationale Strafgerichtshof im niederländischen Den Haag für die Verfolgung besonders schwerer Straftaten zuständig.
Wie bewertet die Bundesregierung das Urteil um Staatsfolter in Syrien?
Bundesjustizminister Marco Buschmann sprach von „Pionierarbeit“ der deutschen Justiz. Die Bedeutung des Urteils weise weit über Deutschland hinaus. „Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht straflos bleiben: Egal wo sie begangen werden, egal wer sie verübt. Das ist die große und kraftvolle Überzeugung, auf der das Völkerstrafrecht beruht“, erklärte Buschmann. In den „Foltergefängnissen des Assad-Regimes“ sei „entsetzliches Unrecht“ geschehen. „Hierauf in der Sprache des Rechts eine Antwort zu geben, ist die Verantwortung der gesamten Staatengemeinschaft“. Er würde es begrüßen, wenn andere Rechtsstaaten diesem Beispiel folgten. „Wer Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, darf nirgendwo sichere Rückzugsräume finden“, erklärte der Minister