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Gewinner auf beiden Seiten

Wertvolle Wirtschaftsbeziehungen: Wie deutsche Autobauer den US-Export ankurbeln und US-Investitionen Deutschland einen Innovationsschub bescheren.

Christine Mattauch, 27.04.2018
VW-Werk in Chattanooga: als Arbeitgeber geschätzt
VW-Werk in Chattanooga: als Arbeitgeber geschätzt © dpa

Für den Bundesstaat Tennessee war es eine sehr gute Nachricht. Mitte März 2018 verkündete Volkswagen, dass am Standort Chattanooga künftig auch ein Fünfsitzer-SUV vom Band laufen wird – zusätzlich zum Modell Passat und dem Geländewagen Atlas. Es ist eine Investition von 340 Millionen Dollar. Die Standortwahl von VW sei einer seiner besten Momente als Politiker gewesen, erklärte daraufhin Bob Corker, der republikanische Senator von Tennessee und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat. „Von dieser Partnerschaft haben tausende Familien profitiert, sie hat die Wirtschaft in den umliegenden Kommunen belebt und den Bundestaat zu einem führenden Standort für die Automobilindustrie gemacht.“

BMW-Mitarbeiter in Spartanburg: langjährige Partnerschaft
BMW-Mitarbeiter in Spartanburg: langjährige Partnerschaft © dpa

Das Beispiel Autoindustrie zeigt besonders deutlich, wie eng die deutsche und die amerikanische Volkswirtschaft verflochten sind. Mercedes-Benz produziert in Tuscaloosa (Alabama) fast 300.000 Fahrzeuge im Jahr und exportiert sie in 135 Länder. Rund 3.700 Menschen arbeiten dort. Hinzu kommen mehr als tausend Angestellte, die am Hauptsitz nahe Atlanta beschäftigt sind, in einem fast 20 000 Quadratmeter großen Öko-Neubau. BMW schließlich ist der größte Autoexporteur Amerikas. 2017 lieferte die US-Tochter des Münchner Konzerns von ihrem Werk in Spartanburg (South Carolina) aus 272.346 Fahrzeuge in alle Welt.

Gefahr des Handelskriegs

Die Verbundenheit zwischen deutscher und amerikanischer Volkswirtschaft gilt für den Güteraustausch wie für gegenseitige Investitionen. Deshalb droht Gefahr, wenn neue Zölle diskutiert werden und selbst ein Handelskrieg nicht ausgeschlossen scheint. „Die gegenseitige Verwundbarkeit ist hoch“, sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am Münchner ifo-Institut.

Deutsche Unternehmen schaffen in den USA nicht nur Jobs – insgesamt 292 Milliarden Dollar haben sie nach Angaben der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer bisher investiert und mehr als 700.000 Arbeitsplätze geschaffen. Rund ein Viertel der Unternehmen bilden nach deutschem System in den USA dringend benötigte Fachkräfte aus, etwa der Werkzeugmacher Stihl, der am Standort Virginia Beach sogar einen eigenen Ausbildungsbeauftragten besitzt. In Virginia beschäftigt Stihl rund 2.000 Mitarbeiter und exportiert von dort in über 90 Länder.

US-Investitionen in Deutschland

Umgekehrt fördern auch amerikanische Firmen den Wohlstand in Deutschland. Häufig tragen gerade ihre Investitionen zum technischen Fortschritt bei: So eröffnete IBM 2017 in München ein neues Hauptquartier für Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge, benannt nach Supercomputer Watson; rund 200 Millionen Dollar gibt der Konzern dafür aus. Oder Cisco: Der im Silicon Valley beheimatete Netzwerkausrüster betreibt in Berlin ein Innovationszentrum und hat angekündigt, in Deutschland eine halbe Milliarde Dollar in Digitalisierungsprojekte zu investieren.

Bundespräsident Steinmeier in der Münchner IBM-Zentrale: Investition in die Zukunft
Bundespräsident Steinmeier in der Münchner IBM-Zentrale: Investition in die Zukunft © dpa

Zudem sind die USA für Deutschland ein herausragender Handelspartner: In kein anderes Land werden mehr Waren exportiert. „Das Pro-Kopf-Einkommen der Amerikaner ist hoch und damit auch ihre Kaufkraft für die hochwertigen Artikel, die in Deutschland hergestellt werden“, sagt Ökonom Felbermayr. Gleichzeitig bezieht Deutschland viele wichtige Produkte aus den USA, zum Beispiel Software und Medizintechnik, sodass Amerika beim Import an vierter Stelle liegt, hinter China und den EU-Ländern Frankreich und Niederlande.

USA profitieren von Exporten und Importen

Derzeit bleibt im transatlantischen Warenaustausch rechnerisch aus Sicht der USA ein Defizit. Doch beim Handel ist der Gewinn des einen nicht der Verlust des anderen. Robert Lawrence, Professor für International Trade and Investment an der Harvard Kennedy School, erklärt: „Die Vereinigten Staaten profitieren sowohl von Exporten wie von Importen“ – schließlich erhöhen auch letztere den Lebensstandard der Verbraucher. Es sei daher falsch, eine Verbesserung von Handelsbilanzen zum Ziel zu erklären, findet Lawrence: „Handelspolitik sollte sich darauf konzentrieren, eigene Handels- und Investitionsbarrieren abzubauen und im Ausland offene Märkte für amerikanische Produkte zu schaffen.“ Genau das hätte das Handelsabkommen TTIP zwischen den USA und der Europäischen Union bewirken sollen, dessen Verhandlungen Donald Trump nach seinem Amtsantritt als US-Präsident gestoppt hatte.

Vor Ort wissen viele Menschen um die Vorteile der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen – auch in den USA. Jim Newsome etwa, Chef der Hafenbehörde von South Carolina, sagt: „Das Wachstum von BMW hat uns hochinteressante Chancen eröffnet.“ Fahrzeuge im Wert von 8,76 Milliarden Dollar verschifft BMW jährlich über seinen Hafen. Es könnten mehr werden: Bis 2021 will BMW in Spartanburg weitere 600 Millionen Dollar investieren und 1.000 zusätzliche Mitarbeiter einstellen.

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