Freihandel – die Basis für wirtschaftlichen Erfolg
Mit dem Mercosur-Deal will die EU einen riesigen Markt schaffen. Weitere Abkommen stehen an – etwa mit Indien. Brüssel und Berlin setzen auf mehr offenen Handel.

Für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist es ein „Meilenstein“, der die Position der Europäischen Union (EU) als „größter Handelsblock der Welt“ festigen werde. Sie meint damit die Ratifizierung des Mercosur-Freihandelsabkommens. Nach jahrzehntelangen Verhandlungen sollen nun bis Ende 2025 die EU-Länder und das Europaparlament dem Vertrag mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay zustimmen. Diese Mercosur-Staaten (Mercosur steht für „Mercado Común del Sur“) würden dann von einem leichteren Zugang zu Produkten wie Autos und Autoteilen, Maschinen, Chemie- und Pharmaerzeugnissen profitieren – Waren, die auch und vor allem aus Deutschland kommen. Deutschland und die gesamte EU wollen im Gegenzug ihre Märkte für landwirtschaftliche Produkte wie Fleisch, Soja und andere Lebensmittel öffnen. Somit können die Mercosur-Staaten mit ihren Agrargütern und bestimmten Industriewaren den großen EU-Markt erschließen – eine Win-Win-Konstellation für alle beteiligten Partnerländer.
Kritiker befürchten unter anderem ungleiche Standards, etwa im Umwelt- und Arbeitsrecht. Doch die Befürworter haben starke Argumente. „Durch das Abkommen entsteht ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit über 700 Millionen Menschen – ein bedeutender Impuls für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wohlstand in beiden Regionen“, sagt Wolfgang Niedermark vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
Viele Arbeitsplätze in Deutschland hängen am Export
Handelsabkommen wie der Mercosur-Vertrag sind für Deutschland von immenser Bedeutung. Knapp ein Drittel aller Arbeitsplätze hängt direkt oder indirekt vom Export ab, im verarbeitenden Gewerbe sind es sogar 56 Prozent – die deutsche Exportquote liegt hier bei rund 50 Prozent. Die Verträge öffnen Märkte für die deutsche Wirtschaft, indem sie Zölle und andere Handelsbarrieren abbauen und für einen sicheren Rechtsrahmen sorgen. Gerade weil seit einigen Jahren der Protektionismus eher zunimmt, sind Abkommen ein wichtiges Instrument für den Freihandel. Denn jedes Land sollte die Güter herstellen, die es am besten und effizientesten produzieren kann, und sie mit anderen Ländern tauschen. Außerdem können Unternehmen so einfacher international zusammenarbeiten, Know-how austauschen und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Exportorientierte Wirtschaftsmacht Deutschland
Mit Handelsabkommen hat Deutschland bereits vor langer Zeit beste Erfahrungen gemacht: Die Abkommen im Deutschen Zollverein zwischen den deutschen Staaten legten 1834 die Grundlage für den wachsenden Wohlstand im Kaiserreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichte der Beitritt zum GATT, der späteren Welthandelsorganisation, dass Deutschland zu einem starken und international geachteten Handelspartner wurde. Gerade erst bestätigte eine Studie erneut, dass das Siegel „Made in Germany“ weltweit höchstes Ansehen genießt. Auch die Europäische Union basiert auf Handelsverträgen. Dank zahlreicher Verträge und Handelsabkommen rund um den Globus ist Deutschland zur derzeit drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen. 2024 exportierte Deutschland Waren im Wert von 1.556 Milliarden Euro und importierte Waren im Wert von 1.317 Milliarden Euro. Die Außenhandelsbilanz verzeichnete somit einen Überschuss von über 239 Milliarden Euro.
Die USA sind Deutschlands wichtigster Handelspartner
Mit einem Außenhandelsumsatz (Summe der Exporte und Importe) von fast 253 Milliarden Euro waren die USA im Jahr 2024 erstmals seit 2015 wieder Deutschlands wichtigster Handelspartner. Auf Rang zwei lag China mit 246 Milliarden Euro. Deshalb ist auch die Grundsatzvereinbarung der EU mit den USA vom Sommer 2025 wichtig, um Zölle zu begrenzen und den Handel zu fördern. „Die deutsche und die US-Wirtschaft sind eng verknüpft. Für unsere Unternehmen sind gute und verlässliche Handelsbeziehungen mit den USA von besonderer Bedeutung“, sagt Wirtschaftsministerin Katharina Reiche.
Allerdings sind für Europa auch andere Länder wichtige Partner: Europäische Firmen wickeln vier Fünftel ihres Handels mit Ländern außerhalb der USA ab. Dafür hat die EU bisher mehr als 40 Freihandelsabkommen mit über 70 Ländern und Regionen abgeschlossen.

Weitere Handelsabkommen sind geplant – zum Beispiel mit Indien
Das Mercosur-Abkommen ist nicht der einzige anstehende Vertrag. Verhandelt wird unter anderem mit Südafrika, Malaysia und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Und mit Indien: EU-Kommissionschefin von der Leyen kündigte an, dass noch 2025 ein Abkommen geplant sei. Mit 1,46 Milliarden Menschen ist Indien mittlerweile das bevölkerungsreichste Land der Welt und von enormer Bedeutung für die rund 6.000 europäischen Unternehmen, die bereits dort aktiv sind – und für viele weitere, die es werden wollen. Für Indien verspricht ein Abkommen mit der EU unter anderem niedrigere Zölle für arbeitsintensive Güter (z. B. Textilien oder IT-Hardware) sowie einen günstigeren Import von Maschinen und grüner Technologie. Anfang September 2025 besuchte Deutschlands Außenminister Johann Wadephul Indien mit einer Wirtschaftsdelegation und machte deutlich: „Um unsere Wirtschaftsbeziehungen auf die nächste Stufe zu heben, sollten wir das geplante Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU so schnell wie möglich abschließen. Deutschland setzt sich hierfür ein.“
Auch in Indonesien war Wadephul unterwegs und warb für engere Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland. Mit seinen über 280 Millionen Menschen hat sich das südostasiatische Land zu einem attraktiven Standort entwickelt. Gerade erst haben die EU und Indonesien ein Wirtschafts- und ein Investitionsschutzabkommen verhandelt. „Mit dem heutigen Abschluss dieses Abkommens senden die EU und Indonesien der Welt ein starkes Signal“, sagte EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič. „Wir stehen vereint für einen offenen, regelbasierten und für beide Seiten vorteilhaften internationalen Handel.“