Fachkräfte für internationale Unternehmen
In Japan werden Fachkräfte händeringend gesucht. Warum zwei Unternehmen jetzt erstmals auf das Modell der dualen Ausbildung nach deutschem Vorbild setzen.
Koko Mori ist 19 Jahre alt und liebt schnelle Autos. Seine Wochenenden verbringt der junge Mann aus der Nähe von Osaka am liebsten unter seinem Auto, begutachtet Querlenker, Unterboden und Bremsbeläge und nimmt auch andere Verschleißteile in den Blick. Seit einem halben Jahr hat er sein großes Hobby zum Beruf gemacht – er arbeitet bei der Daimler-Truck-Tochtergesellschaft Mitsubishi Fuso.
Dort hat er von seinem Ausbilder von einem Konzept erfahren, das es bislang in Japan noch nicht gab: die duale Ausbildung nach deutschem Vorbild, eine Kombination aus Ausbildung im Betrieb und Besuch einer Berufsschule. Am 1. April 2024 hat Koko Mori zusammen mit 20 anderen die dreijährige Ausbildung zum KfZ-Mechatroniker begonnen. „Ich wollte mehr wissen, mehr lernen, so macht mir meine Arbeit noch mehr Spaß“, erzählt Koko Mori, der bisher vor allem in der Fahrzeuginspektion mitarbeitete und Reifen wechselte. Jetzt wird er alles darüber lernen, wie ein Fahrzeug funktioniert, wie er Fehler erkennen – und im besten Fall auch beheben kann. „Vielleicht kann ich das dann auch bei meinem eigenen Auto anwenden“, sagt er und lacht. Zuvor hatte er noch nie vom Konzept der dualen Ausbildung gehört. „Aber jetzt bin ich gespannt, was mich erwartet und freue mich darauf.“
Dass die Unternehmen BMW Japan und Mitsubishi Fuso nun auch in Japan das duale Ausbildungsmodell einführen, hat einen ersten Hintergrund: Genau wie Deutschland steht Japan vor den Herausforderungen des Fachkräftemangels. Die Gesellschaft ist überaltert, Spezialistinnen und Spezialisten werden händeringend gesucht, gerade auch in der Autoindustrie und besonders in internationalen Unternehmen.
Mehr als 80 Prozent der in Japan tätigen deutschen Unternehmen gaben in einer Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer an, dass sie Schwierigkeiten hätten, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Das Modell der dualen Ausbildung könnte hier helfen. Bisher lernen junge Menschen in Japan entweder an Akademien das theoretische Fachwissen ihres Berufs, oder sie erlernen das praktische Handwerk innerhalb von fünf Jahren im Betrieb. Die duale Ausbildung verkürzt dieses Modell um zwei Jahre und kombiniert das generelle Fachwissen mit dem Spezialwissen des jeweiligen Unternehmens. Wie auch in Deutschland üblich, erhält Koko Mori vom ersten Ausbildungstag an ein Gehalt. Vier Tage in der Woche arbeitet und lernt er im Betrieb, einen Tag fährt er rund zwei Stunden mit dem Zug an die Berufsschule in Kobe und lernt dort das Basiswissen der Automechatronik. Nach seiner Ausbildungszeit kann er als Vollzeitkraft ins Unternehmen einsteigen.
Die Berufsbildung „made in Germany“ ist ein Exportschlager. In 48 Ländern ist das Konzept bereits etabliert, mehr als 27.000 junge Menschen haben außerhalb von Deutschland bereits eine Ausbildung nach dem deutschen Modell abgeschlossen. In Vietnam können sich junge Menschen beispielsweise zu Industriemechanikerinnen und -mechanikern, oder als Bauzeichnerinnen und Bauzeichner oder im Restaurantfach ausbilden lassen. Auf den Philippinen gibt es Angebote in Mechatronik im Reparaturbereich oder im Reinigungssektor. In Indien werden beispielsweise die Ausbildungsberufe Schweißer, Werkzeugmechaniker oder Mechatroniker angeboten. Auch Indonesien, Malaysia, Sri Lanka und Thailand bilden bereits nach dem deutschen Konzept aus. Weitere Kooperationen stehen bevor. Deutschland arbeitet mit mehr als 100 Ländern zusammen, die sich für das Konzept interessieren.
Vorbild für die Weiterentwicklung des Konzepts in Japan ist Südkorea. Dort seien aus anfangs drei Unternehmen im Jahr 2017 inzwischen sieben geworden, die die duale Ausbildung implementiert haben, sagt Lucas Witoslawski, der das Projekt in der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan leitet. In Südkorea, wo inzwischen auch wichtige deutsche Unternehmen wie Daimler, Audi und MAN nach diesem Modell ihre Lehrlinge ausbilden, wirkt die duale Ausbildung nicht nur dem Fachkräftemangel, sondern auch einer hohen Jugendarbeitslosigkeit entgegen. Auch von Japan erhoffen sich die Beteiligten eine rasche Entwicklung. 2025 sollen es bereits 50 Auszubildende pro Jahr sein, danach jeweils 100. Dafür müssen aber noch weitere Unternehmen und Berufsschulen für das Programm gewonnen werden.
Für Sora Kodama, ebenfalls seit April 2024 Azubi bei Mitsubishi Fuso, ist die duale Ausbildung vor allem eine Chance, im Unternehmen aufzusteigen. „Bisher musste ich die gesamte Theorie neben meinem regulären Job lernen – jetzt kann ich noch einmal theoretische Grundlagen erhalten, mit denen ich später verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen kann“, sagt er. Da Kodama bereits seit fünf Jahren im Unternehmen arbeitet, heißt sein Ziel Qualifikation als „Meister“. Statt wie jetzt in der Inspektion der Fahrzeuge zu arbeiten, will er sich nach Abschluss seiner Ausbildung eher auf die Wartung konzentrieren. Doch wichtig ist dem 25-Jährigen auch noch etwas anderes: „Ich mache meine Familie glücklich“, sagt er. „Meine Eltern haben sich schon gefreut, als ich hier ins Unternehmen kam. Doch jetzt sind sie richtig stolz.“