Akademischer Betrieb im Krieg: die deutsch-ukrainische Zusammenarbeit
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine soll auch die Bildungslandschaft treffen. Die akademische Zusammenarbeit mit Deutschland wächst dennoch.
Der Krieg betrifft alle Bereiche des Lebens – vom alltäglichen Einkauf bis zum akademischen Betrieb. Seit Februar 2022 greift das russische Militär auch ukrainische Bildungs- und Forschungsinfrastruktur an. Mehr als 1.300 Schulen und Bildungseinrichtungen wurden seit Kriegsbeginn nach Angaben des UN-Kinderhilfswerk zerstört. Dennoch bauen Deutschland und die Ukraine mit verschiedenen Projekten ihren akademischen Austausch aus. Einige Beispiele:
Zentrum für interdisziplinäre Ukrainestudien in Regensburg
„Denkraum Ukraine“ – diesen Beinamen trägt das „Zentrum für interdisziplinäre Ukrainestudien“, das im Oktober 2024 feierlich eröffnet wurde. Die Forschungseinrichtung ist an der Universität Regensburg angesiedelt. Ziel des Zentrums ist es, den interdisziplinären Austausch über die Ukraine zu fördern. Expertinnen und Experten in Geschichte, Sprache, Literatur, Politik und Wirtschaft der Ukraine finden hier zueinander – ein „international sichtbarer Wissens- und Kommunikationshub“, heißt es auf der Website. In den Projekten geht es etwa um den Schutz des kulturellen Erbes in Kriegszeiten oder um die regionale Vielfalt in der Grenzregion Donbas. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) fördert das neue Zentrum bis 2028 mit Mitteln des Auswärtigen Amts von über 2,3 Millionen Euro.
Kompetenzverbund Interdisziplinäre Ukrainestudien in Frankfurt (Oder) und Berlin (KIU)
Der „Kompetenzverbund Interdisziplinäre Ukrainestudien” der Europa-Universität Viadrina ist ein Projekt zur Stärkung der ukrainebezogenen Lehre und Forschung. Seit Juli 2024 trägt das Netzwerk mit Diskussionsveranstaltungen, Gastprofessuren und Studienprogrammen zum Dialog über die Ukraine und mit ukrainischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei. In einer Vorlesungsreihe geht es beispielsweise um die Zerstörung historischer Dokumente in Museen und Familienarchiven durch Russland oder die Auswirkungen des Krieges auf die Wissensarbeit in Schulen und Universitäten. Auch werden ukrainische Sprachkurse und Einführungen in die Literaturgeschichte angeboten. Der von der Europa-Universität Viadrina initiierte Kompetenzverbund umfasst das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), die Humboldt-Universität zu Berlin, die Freie Universität Berlin, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und das Wissenschaftskolleg Berlin. Der DAAD unterstützt das Netzwerk über vier Jahre mit 2,5 Millionen Euro aus Mitteln des Auswärtigen Amts.
DAAD-Informationszentrum in Kyjiw
„Dies unterstreicht unseren unbedingten Willen, die Ukraine auf ihrem Weg nach Europa weiterhin aktiv zu unterstützen“, sagte DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee im Oktober 2024 zur Wiedereröffnung des DAAD-Büros in der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw. Das Informationszentrum war seit Februar 2022 für mehr als zweieinhalb Jahre geschlossen. Es arbeitete digital aus Deutschland weiter und konnte mit finanzieller Förderung der deutschen Bundesregierung über 20.000 Ukrainerinnen und Ukrainern helfen, ein Studium aufzunehmen, fortzusetzten oder zu forschen. Die Arbeit in Präsenz zu reaktivieren sei ein wichtiger Schritt, sagte DAAD-Referentin Gisela Zimmermann im Deutschlandfunk: „Das vermitteln uns ukrainische Hochschulen, das ukrainische Bildungsministerium und die deutsche Botschaft. Es geht darum, dass nicht nur mit der ukrainischen Diaspora gearbeitet wird, sondern auch stark mit den Hochschulen vor Ort.“ Neben Beratungen zu Studien- und Stipendienmöglichkeiten und der Förderung deutsch-ukrainischer Hochschulpartnerschaften betreut das Büro auch Veranstaltungen. In der Vortragsreihe „Stadtplanung“ werden etwa Strategien zur Erholung angegriffener Städte diskutiert.
Das ukrainische Hochschul- und Wissenschaftssystem ist resilient. Die Bilanz der akademischen Zusammenarbeit ist trotz des zerstörerischen russischen Angriffskriegs positiv und die Zahl der deutsch-ukrainischen Hochschulkooperationen ist seit Kriegsausbruch auf mehr als 300 angestiegen. Auch dank der vielfältigen Unterstützung durch den DAAD mithilfe des Auswärtigen Amtes. Außerdem studieren derzeit knapp 10.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland, und rund 1.300 ukrainische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an deutschen Hochschulen.
Deutsch-Ukrainisches Hochschulnetzwerk
Trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sind die Hochschulkooperationen zwischen Deutschland und der Ukraine auf einem Rekordhoch. Das im November 2024 ausgeschriebene Deutsch-Ukrainischen-Hochschulnetzwerk soll die bereits bestehenden Partnerschaften festigen, zukünftige Projekte fördern und die Ukraine langfristig in den Europäischen Hochschulraum integrieren. Teil des DAAD-Programms ist die Entwicklung kooperativer Studiengänge mit einem Doppelabschluss. Die Studierenden besuchen Lehrveranstaltungen an einer deutschen sowie ukrainischen Universität – in Kriegszeiten oft noch virtuell. Außerdem bieten deutsche Hochschulen Fortbildungen für ukrainisches Hochschulpersonal an. Ziel ist es, Expertinnen und Experten auszubilden, die die Internationalisierung ihrer Hochschulen vorantreiben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt die Ukraine seit dem Kriegsbeginn 2022 mit zahlreichen Programmen zum wissenschaftlichen Austausch und zur akademischen Zusammenarbeit. Bis 2029 werden über 100 Millionen Euro investiert. Auch den Aufbau des Deutsch-Ukrainische Hochschulnetzwerk unterstützt das Ministerium mit 24 Millionen Euro.