Vermittler in der Wissensgesellschaft
Der Medien- und Kommunikationsforscher Subekti Priyadharma engagiert sich für den wissenschaftlichen Austausch zwischen Indonesien und Deutschland.
Sie leben internationale Vernetzung: Wir stellen Menschen vor, die für Deutschlands Partnerschaften weltweit stehen. Denn globale Aufgaben lassen sich nur gemeinsam bewältigen.
Sechs Autostunden entfernt von Bandung, der Hauptstadt der indonesischen Provinz West-Java, liegt das Dorf Ciptagelar. Es befindet sich tief im Regenwald – und hat doch hervorragenden Internetempfang. „Während in der Landwirtschaft dort der Einsatz von Traktoren verboten ist und der Reisanbau traditionell nach astronomischen Konstellationen erfolgt, werden in allen anderen Bereichen Medien, Smartphones und das Internet genutzt“, erzählt Subekti Priyadharma. Der Medien- und Kommunikationswissenschaftler hat für seine Promotion an der Universität Erfurt mehrere indigene Gemeinschaften in seiner Heimat Indonesien besucht. „Durch meine Forschung lernte ich, dass digitaler Fortschritt und eine traditionelle Lebensweise nebeneinander existieren können.“
Deutsch-indonesisches Netzwerk von Studierenden
Perspektiven, die der 41-Jährige bis vor Kurzem als Gastdozent ein Sommer- und ein Wintersemester lang mit Studierenden am Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Erfurt teilte, gefördert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Die internationale Vernetzung ist ihm wichtig. An der Universität Erfurt initiierte er deshalb bereits während seiner Promotion 2015 gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein dreijähriges Kooperationsprojekt mit seiner Universität in Bandung.
Rund 50 Studierende, Lehrende und Forschende aus Deutschland und Indonesien unternahmen dabei Exkursionen zum Parlament in Jakarta und zum Bundestag in Berlin, besuchten die indonesische Medienaufsicht oder eine deutsche Tageszeitungsredaktion, trafen Politikerinnen und Politiker, Streetartists und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, hielten Seminare und Workshops. „Gemeinsam gingen wir der Frage nach, welche Rolle Medien im Transformationsprozess in Indonesien und Deutschland spielen“, so Priyadharma. Das Projekt mündete in einer Konferenz und einer wissenschaftlichen Publikation, die Hochschulpartnerschaft besteht bis heute.
Kontakt auch zu Universitäten in Brasilien und Österreich
Entscheidend ist für Priyadharma das daraus hervorgegangene Netzwerk. Neben dem Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern gibt es immer wieder Gastvorlesungen von früheren Teilnehmenden des Kooperationsprojekts. Auf Konferenzen und in Fachgruppen werden formelle sowie informelle Kontakte gepflegt. „So stellen wir sicher, dass die Partnerschaft lebendig bleibt, neue Ideen hervorbringt und andere Universitäten einbezieht.“ Erst kürzlich entstanden Kooperationsmöglichkeiten mit der Technischen Hochschule Köln, der Universität Salzburg und der Universidad Federal Fluminense in Rio de Janeiro.
Mit seiner Forschung und seinem Engagement für die deutsch-indonesische Partnerschaft will Priyadharma Stereotype aufbrechen und die eurozentristische Sicht infrage stellen. Auch was die gängigen Definitionen von entwickelten und sogenannten Entwicklungsländern betrifft. „Wirft man einen Blick auf die Transformationsprozesse in Deutschland und Indonesien, wird klar, dass sich beide Länder noch immer entwickeln – etwa was die Digitalisierung betrifft.“ Was er in seinen Feldstudien immer wieder feststellt: Menschen in der Peripherie verfügen über Fähigkeiten und Wissen, von denen die Mehrheitsgesellschaft lernen kann. „Mein Labor ist die Gesellschaft. Dort sammele ich Daten, analysiere Entwicklungen, beobachte Verhalten. Den Menschen, die mir Einblicke in ihr Leben gewähren, will ich durch meine Forschung etwas zurückgeben.“
Priyadharma selbst wurde in einer Kleinstadt in Majalengka, West-Java, geboren und wuchs in Bandung auf. Sein Fokus auf marginalisierte Gruppen und sein ganzheitlicher Blick seien eine Haltung, mit der er durchs Leben gehe. „Wenn ich im Alltag zum Beispiel mit einem Bettler spreche, bin ich mir immer bewusst, dass diese Person etwas weiß, was ich nicht weiß, und dass dieses Wissen mich bereichern kann.“
Was Zentrum und was Peripherie ist, wo der marginalisierte Rand und wo die Mitte der Gesellschaft liegen, ist laut Priyadharma nicht eindeutig zu verorten. „Für mich sind diese Positionen dynamisch und hängen stark mit dem Besitz von Wissen und Macht zusammen sowie mit der Fähigkeit, neue Informationen zu verstehen. Wir alle sind gleichzeitig Teil des Zentrums und der Peripherie.“
Bevor er 2005 nach seinem Bachelorabschluss zuerst als Au-pair, später als Masterstudent, Doktorand und DAAD-Gastdozent nach Deutschland kam, hatte Priyadharma noch nie von Erfurt gehört. „Inzwischen hängt in unserem Haus in Indonesien eine große Karte der Stadt. Eine unserer Töchter ist hier geboren, wir haben Freunde gefunden. Erfurt ist für uns zur zweiten Heimat geworden.“