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Karrieren für Gleichberechtigung

Viel erreicht, viel vor: Wie drei Professorinnen mit türkischen Wurzeln ihren Weg in Deutschland gehen.

Canan Topçu, 30.09.2022
2021 erhielt Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu das Bundesverdienstkreuz
2021 erhielt Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu das Bundesverdienstkreuz © picture alliance/dpa

Yasemin Karakaşoğlu: Einsatz für Bildungsgerechtigkeit

Für Yasemin Karakaşoğlu war es lange Zeit die größte Herausforderung, „mit Stereotypen konfrontiert zu werden“. Wenn sie als Schülerin gesagt habe, dass ihr Vater Türke sei, dann hätten sich die Leute darüber gewundert, dass sie Gymnasiastin war. Und noch heute sorge ihr Lebenslauf für Überraschungen. „Ich kriege jetzt noch häufig zu hören: Erstaunlich, dass Sie Professorin geworden sind als Türkin; toll, dass Sie das geschafft haben“, erzählte sie Ende 2021 in einem Fernsehinterview.

Professorin ist die in Bremen als Tochter einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters geborene 57-Jährige seit 2004. An der Universität Bremen ist sie im Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften für interkulturelle Bildung im Lehrgebiet Allgemeine Pädagogik zuständig. Über Umwege fand sie ihre Berufung, sich für Bildungsgerechtigkeit einzusetzen – zum Beispiel für diversitätssensible Schulentwicklung.

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Nachdem sie Turkologie, Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Politikwissenschaften in Hamburg und Ankara studierte hatte, arbeitete sie von 1991 bis 1995 am Zentrum für Türkeistudien in Essen. Dort forschte sie zu unterschiedlichen Aspekten der Lebenssituation türkeistämmiger Migranten. Ihre Forschung zum Einfluss muslimischer Religiosität auf Erziehungsvorstellungen setzte sie ab 1996 an der Universität Bremen fort und promovierte 1999 im Fach Erziehungswissenschaft.

Inzwischen leitet sie als Professorin den Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung an der Universität Bremen, ist Mitglied in zahlreichen universitären Gremien und wirkt auch in vielen außeruniversitären Institutionen mit, so etwa seit 2012 im bundesweiten Zusammenschluss Rat für Migration, dessen Vorsitzende sie von 2019 bis 2021 war.

Zümrüt Gülbay-Peischard: Gleichstellung im Blick

Zümrüt Gülbay-Peischard beschreibt sich selbst als „mediterrane Preußin“. Denn sie sei sowohl pünktlich, fleißig, zuverlässig als auch gesellig und gemütlich. Mit Fleiß und Ehrgeiz ist die in Ankara geborene Tochter türkischer Gastarbeiter recht schnell vorangekommen. Sie studierte in Berlin Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre und promovierte im Alter von 25 Jahren. Als 28-Jährige wurde sie jüngste Jura-Professorin in Deutschland und die erste, die eine Professur für Recht an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften erhielt.

Seit 1998 lehrt Zümrüt Gülbay-Peischard an der Hochschule Anhalt und ist spezialisiert auf internationales Wirtschaftsrecht. „In Sachsen-Anhalt, wo der Migrantenanteil sehr niedrig ist, finde ich es wichtig, dass Menschen wie ich in der Lehre sind“, betont sie. Ihren Studierenden könne sie ein klischeebrechendes Frauenbild vermitteln. „Sie lernen nicht nur, mit weiblicher Autorität umzugehen, sondern zudem, dass türkischstämmige Frauen auch Professorinnen sein können“, erklärt die Mutter von zwei Töchtern. Seit 18 Jahren ist sie Gleichstellungsbeauftragte an ihrem Fachbereich und engagiert sich darüber hinaus in weiteren Gremien.

Vor Herausforderungen habe sie sich nie gescheut, so auch nicht, als an ihrer Hochschule zur Diskussion stand, wer Vorlesungen auf Englisch abhält: „Ich habe mich gemeldet, obwohl ich mich in Englisch zunächst nicht ganz sicher fühlte“, sagt sie. Es sei ihr ein Ansporn gewesen, ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen und sich weiterzuentwickeln. Nur eines habe sie sich nicht als Ziel gesetzt: intensive Forschung. „Mein Platz ist in der Lehre.“

Hürrem Tezcan-Güntekin: Fokus auf Gesundheit und Gesellschaft

Hinter Hürrem Tezcan-Güntekin liegt ein steiler Karriereweg: 2017 erhielt sie als 39-Jährige an der Alice Salomon Hochschule (ASH) in Berlin ihre Berufung auf die Professur für interprofessionelle Handlungsansätze mit Schwerpunkt auf qualitativen Forschungsmethoden in „Public Health“. Sie lehrt an der Berlin School of Public Health, einer Einrichtung von ASH, Charité und Technischer Universität. Ihre aktuellen Forschungsprojekte legen den Fokus auf die „Erstversorgung bei sexualisierter Gewalt und Gewalt in Paarbeziehungen“ und auf „Rassismen im Gesundheitswesen“. Unlängst ist sie zum Mitglied der Sachverständigenkommission für den 9. Altersbericht der Bundesregierung ernannt worden.

Prof. Dr. Dr. Hürrem Tezcan-Güntekin
Prof. Dr. Dr. Hürrem Tezcan-Güntekin © ASH Berlin/Michael Schaaf

Tezcan-Güntekin wurde als Tochter türkischer Arbeitsmigranten in Berlin geboren, wo sie auch Soziologie und Erziehungswissenschaften studierte. Ihr Wissens- und Forschungsdrang war nach ihrer Dissertation zum Thema „Deutungsmuster professionellen Handelns von Ärzten im Licht des informierten Patienten“ nicht gestillt. Sie forschte weiter und fertigte 2018 eine weitere Dissertation an. Diesmal widmete sich der Frage, wie die Selbstmanagementkompetenzen pflegender Angehöriger türkeistämmiger Menschen mit Demenz gestärkt werden können. Die Professorin mit zweifachem Doktor-Titel ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern im Alter von zwölf und acht Jahren. „Meine Familie unterstützt mich unglaublich auf diesem Weg und ermöglicht mir erst eine gute Work-Life-Balance“, betont sie.

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