In zwei Welten denken
Berufe, die auch in Zukunft gefragt sind: Bioinformatik verzahnt Biologie und Informatik und beschleunigt die Forschung.
Professor Andreas Hildebrandt lehrt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit ihren etwa 4.500 internationalen Studierenden aus mehr als 130 Ländern. Er berichtet, warum Bioinformatik ein Studium mit Zukunft ist:
„Wäre die Covid-Pandemie einige Jahre früher ausgebrochen, hätten wir es mit einer ganz anderen Situation zu tun gehabt. Erreger und Varianten wären nicht so schnell identifiziert worden, und die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten hätte länger gedauert. Diese Erfolge basieren zu einem erheblichen Teil auf den Erfahrungen von Bioinformatikern – einer in Deutschland recht jungen Fachrichtung. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass Biologen und Biologinnen in ihrer Forschung immer mit Daten arbeiten, ob sie die Genetik von Ameisen studieren, neue Arzneimittel entwickeln oder Pflanzenschutzmittel für die Agrarwirtschaft. Bei der Auswertung ihrer Ergebnisse sind sie auf Methoden aus der Informationsverarbeitung angewiesen.
Die Bioinformatik verzahnt beide Fachbereiche. Sie ist interessant für Informatiker, denen die reine IT zu abstrakt ist und die den greifbaren Nutzen schätzen. Sich biologische Daten vorzustellen ist jedoch sehr schwierig, wenn man nie in einem Labor gestanden hat. Umgekehrt müssen Lebenswissenschaftler und Lebenswissenschaftlerinnen verstehen, wie Algorithmen funktionieren, wenn sie biologische Daten analysieren und evaluieren wollen.
An Hochschulen in Deutschland gibt es zwei Varianten an Studiengängen: der methodenorientierte Ansatz ist näher an der Mathematik und Informatik, der anwendungsorientierte betont stärker die biologische Komponente. Unser Masterstudiengang Angewandte Bioinformatik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz wendet sich beispielsweise gezielt an Bachelorabsolventen und -absolventinnen aus den Lebenswissenschaften Medizin oder Biologie.
Aktuell gibt es auf dem Arbeitsmarkt viele Absolvierende aus der Biologie, aber noch zu wenige aus der Bioinformatik. Studierende müssen nicht programmieren können. Wichtig ist ein ausgeprägtes Interesse an logischem Denken und an Mathematik. In unseren Laboren werden Methoden zwar nicht erfunden, Studierende müssen jedoch verstehen, wie sie funktionieren, und dazu braucht man die höhere Mathematik.
Für Studierende aus den Lebenswissenschaften wie aus der IT gilt: Sie müssen in der Lage sein, auf ein jeweils ganz anderes Denken umzusteigen. Gerade hier liegt jedoch der große Mehrwert: Die Bioinformatik ist eine schnelllebige Wissenschaft, was heute gelehrt wird, ist morgen veraltet. Wer ein Verständnis für die Ideen hinter der Methodik entwickelt, wird sich damit auch in Zukunft immer wieder auf neue Fragestellungen einstellen können.“
Prof. Dr. Andreas Hildebrandt, Institut für Informatik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Leiter des Gutenberg Lehrkollegs.