Zum Hauptinhalt springen

„Ein Stipendium mit großen Freiheiten“

Wasserkraftwerke, Eisenbahnlinien, Mobilfunk: Der brasilianische Wirtschaftswissenschaftler Adriano de Marchi Fernandes erforscht in Berlin, wie sich Großprojekte finanzieren lassen.

03.04.2017
© privat - Adriano de Marchi Fernandes

Sie kommen aus Brasilien, China, Indien, Russland oder den USA und gelten als internationale Führungskräfte von morgen: die jungen Frauen und Männer, die die Alexander von Humboldt-Stiftung mit dem Bundeskanzler-Stipendium fördert. Der Ökonom Adriano de Marchi Fernandes ist einer von ihnen. Der Brasilianer hat unter anderem als Finanzanalyst bei Siemens gearbeitet. Nun forscht der Stipendiat für rund ein Jahr in Deutschland.

Worum geht es bei Ihrem Forschungsprojekt?
Ich beschäftige mich mit der langfristigen Finanzierung großer Infrastrukturprojekte in Brasilien und ganz Lateinamerika. Vor allem untersuche ich, welche Rolle Entwicklungsbanken dabei spielen. Ich möchte ihre Strategien verstehen und erfahren, mit welchen Hürden und Einschränkungen sie dabei konfrontiert sind. Dafür habe ich mit Vertretern von internationalen und bilateralen Entwicklungsbanken unter anderem hier in Deutschland, in Frankreich und in den Niederlanden sowie der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg gesprochen. Es geht um die Frage, wie solche Banken weltweit operieren und wie zum Beispiel die KfW hilft, Energieprogramme in Brasilien umzusetzen.

Warum ist es für Brasilien bislang schwierig, solche großen Infrastrukturprojekte langfristig zu finanzieren?
Dafür gibt es viele verschiedene Gründe, etwa die traditionell hohen Zinsen in Brasilien. Zudem besteht eine hohe Abhängigkeit von staatlichen Banken. Deshalb denke ich, dass es wichtig ist, um internationale Förderer zu werben. Sie können Finanzierung zu niedrigeren Zinsen und über einen längeren Zeitraum bieten – was wirklich wichtig ist für diese Projekte, die oft über 10 oder 15 Jahre laufen. Eine solche Art von Unterstützung gibt es in Brasilien noch viel zu selten.

Wie hilft Ihnen das Bundeskanzler-Stipendium bei Ihrer Forschung?
Ich habe mich für das Stipendium beworben, weil es uns eine große Freiheit dabei einräumt, wie wir unser Projekt und die Kooperation mit unserer Gastgeberinstitution gestalten. Ich arbeite am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin. Hier habe ich die Möglichkeit, mit Experten in lateinamerikanischer Wirtschaft zu sprechen. Sie haben zudem gute Verbindungen sowohl in die Wissenschaft als auch in die Wirtschaft. Für mich bietet das die Chance, Kontakte zu Finanzinstitutionen hier in Deutschland und in Europa zu knüpfen.

Mancher in Deutschland mag schmunzeln, wenn er hört, dass Sie zur Finanzierung großer Infrastrukturprojekte forschen – schließlich gibt es mit dem Berliner Flughafen und der Elbphilharmonie in Hamburg derzeit zwei Großprojekte, die den Finanzrahmen nicht eingehalten haben.
Ja, darüber höre ich viele Witze, aber ich denke: Kein System ist perfekt. Die Leute hier sind zu Recht stolz auf die deutschen Fähigkeiten beim Planen und Umsetzen solcher Projekte. Nun gibt es für diese beiden Beispiele ebenfalls berechtigte Kritik. Verzögerungen und Probleme gibt es nun mal überall, und ganz sicher gibt es sie in Brasilien, etwa bei den Bauprojekten zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014. Solche Misserfolge sind eine gute Gelegenheit dazuzulernen.

© www.deutschland.de