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Weltweit vernetzt

Die deutsche Forschung setzt auf Internationalität und ist offen für kluge Köpfe aus dem Ausland. Die Politik fördert Vernetzung und Exzellenz mit verschiedenen Strategien.

Janet Schayan, 19.03.2015
© dpa/Frank Bierstedt - Research

Drei Goldmedaillen für die Wissenschaft in Deutschland: Im Ende 2014 veröffentlichten „Nature Index Global“, der die Publikationsleistung von Forschungseinrichtungen und Hochschulen auswertet, erreicht Deutschland im Länder-Ranking die beste Wertung in Europa. Im weltweiten Vergleich kommt es auf Platz drei – die ersten beiden Ränge gehen an die USA und China. Im konkreten Vergleich der Forschungsorganisationen steht Deutschlands Nobelpreisschmiede, die Max-Planck-Gesellschaft, in Europa an der Spitze und international auf Platz drei nach den Universitäten Harvard und Stanford. Weltweiter Primus ist zudem ein deutscher Konzern im Ranking der forschungsstärksten Unternehmen: Volkswagen führt diese Liste auch im Jahr 2014 an, unter den Top 20 folgen vier weitere bekannte deutsche Konzernnamen.

Nun ist die Forschung kein sportliches Kräftemessen, aber im Wettbewerb um die besten Innovationen und Ideen stehen die Nationen doch. Schließlich gilt Wissen als der wichtigste „Rohstoff“ in der globalisierten Welt. Für dessen Gewinnung ist Deutschland gut aufgestellt: mit seiner vielfältigen Forschungslandschaft und ihren drei großen Akteuren – den mehr als 400 Hochschulen, den außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit Hunderten von Instituten und der Industrieforschung. Dass Deutschland sich mit ­einem Anteil von zwölf Prozent am Welthandelsvolumen Exportweltmeister von Hightech-Gütern nennen darf und innerhalb der Europäischen Union (EU) seinen Stammplatz in der Gruppe der „Innovationsführer“ sicher weiß, hat auch seine Gründe in der starken deutschen Forschungsleistung. Ein Selbstläufer ist sie jedoch nicht. Sowohl die Wirtschaft – die zwei Drittel der Forschungsausgaben stemmt – als auch die Politik erhöhten in den vergangenen Jahren kontinuierlich die Budgets für Wissensarbeit. Seit 2005 hat die Bundesregierung diesen Etat um etwa die Hälfte gesteigert. 2015 stehen rund 15,3 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur Verfügung, bis 2017 ist ein weiteres Wachstum um 25 Prozent geplant. Eine Folge: Zwischen 2005 und 2012 sind in der Forschung allein 114 000 neue Arbeitsplätze entstanden.

Mit der Hightech-Strategie hat Deutschland seit 2006 zudem ein besonderes Innovationsinstrument entwickelt, dessen Ansätze auch das neue Forschungsrahmenprogramm der EU „Horizont 2020“ in weiten Teilen aufgegriffen hat. 2014 wurde die Hightech-Strategie neu definiert: Sie soll Forscher vor allem dabei unterstützen gute Ideen schnell in innovative Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen. Die Hightech-Strategie fokussiert vor allem auf Forschungsthemen mit hohem Zukunftspotenzial: Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Nachhaltiges Wirtschaften und Energie, Innovative Arbeitswelt, Gesundes Leben, Intelligente Mobilität und Zivile Sicherheit. Mit den Instrumenten und Programmen der Hightech-Strategie werden zum Beispiel die praxisorientierten Fachhochschulen gestärkt sowie Spitzencluster und andere Netzwerke in ihrer internationalen Ausrichtung unterstützt.

Internationalisierung ist ein gutes Stichwort: Schon heute ist die deutsche Forschung weltweit gut vernetzt. Fast die Hälfte ihrer wissenschaftlichen Publikationen verfassen deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in internationalen Kooperationen. Die Zahl der für einen Aufenthalt in Deutschland geförderten ausländischen Forscher ist rasant gestiegen – auf heute rund 56 500 (siehe Seite 42). Dabei spielen auch in den vergangenen Jahren geschaffene vereinfachte Visaverfahren für Wissenschaftler aus Nicht-EU-Staaten eine Rolle. Deutschland zählt – nach den USA und Großbritannien – zudem die meisten internationalen Studierenden.

Viele Spitzenwissenschaftler aus dem Ausland zieht zudem die gute deutsche Forschungsinfrastruktur nach Deutschland – dazu gehört zum Beispiel die Möglichkeit, an einmaligen Großgeräten zu arbeiten wie mit Teilchenbeschleunigern, in Observatorien für die Astroteilchenphysik, mit einzigartigen Lichtquellen oder Neutronen- und Ionenquellen für die Materialforschung. Allein die Helmholtz-Gemeinschaft betreibt rund 50 Großgeräte wie das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY, eines der weltweit führenden Beschleunigerzentren zur Erforschung der Struktur der Materie. Am DESY forschen jedes Jahr mehr als 3000 Gastwissenschaftler aus mehr als 40 Ländern.

Auch die drei politischen „Pakte“ – Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung und Innovation und Hochschulpakt –, die der Bund und die 16 deutschen Länder für die Wissenschaft geschlossen haben, enthalten viele internationale Anknüpfungspunkte: Die seit 2005 laufende Exzellenzinitiative hat das Ziel, die Spitzenforschung an deutschen Hochschulen zu fördern und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Das in dieser Form einmalige Programm hat schon in kurzer Zeit die deutsche Hochschul- und Wissenschaftslandschaft verändert – an vielen Hochschulen entstanden international orientierte Exzellenzcluster und Graduiertenschulen, die mit dem Angebot strukturierter Promotionsstudiengänge besonders attraktiv für ausländische Doktoranden sind. Alle deutschen Universitäten, die über die Exzellenzinitiative gefördert werden, sind an überdurchschnittlich vielen EU-Projekten beteiligt und damit stark in europäische Forschungsnetzwerke eingebettet. Im Pakt für Forschung und Innovation ist eines der fünf forschungspolitischen Ziele, neue Strategien der internationalen Zusammenarbeit zu entwickeln und umzusetzen. Seit Beginn des Paktes ist der Anteil ausländischer Forscher in den außer­uni­ver­si­tä­ren Forschungseinrichtungen erheblich gestiegen.

Die 2009 vom Auswärtigen Amt ins Leben gerufene Initiative Außenwissenschaftspolitik fördert zudem die weitere Vernetzung rund um den Globus – etwa durch die fünf Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser in Moskau, Neu-Delhi, New York, Tokio und São Paulo sowie das Deutsche Wissenschaftszentrum Kairo und die Arbeit der Wissenschaftsreferenten an den Deutschen Auslandsvertretungen weltweit. Weitere wichtige Felder der Initiative sind der Ausbau des Stipendienangebots für hoch qualifizierte ausländische Studierende und Akademiker sowie die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Hochschulen in Konfliktregionen und Transformationsländern. Mit dem Ziel, ausländische Spitzenforschung mit der deutschen Wissenschaft noch stärker zu vernetzen, wurden in den vergangenen sechs Jahren zudem vier wissenschaft­liche Exzellenzzentren mit unterschied­licher fachlicher Ausrichtung in Chile,
Kolumbien, Russland und Thailand gegründet.
Internationalisierung wird in den kommenden Jahren eine noch wichtigere Rolle spielen, denn die Politik ist überzeugt, dass künftig nur eine enge internationale Zusammenarbeit exzellente Wissenschaft gewährleistet. Zudem kann die weltweite Kooperation in Wissenschaft und Forschung auch eine nicht zu unterschätzende Rolle in der nachhaltigen und friedlichen Entwicklung spielen. 2008 wurde unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) daher eine Internationalisierungsstrategie für Wissenschaft und Forschung erarbeitet, die Deutschlands Rolle in der globalen Wissensgesellschaft weiter stärken soll. Diese Strategie wird 2015 neu ausgerichtet und jüngsten Veränderungen angepasst. Zu ihnen gehört etwa die Entwicklung des Europäischen Forschungsraums (EFR) innerhalb der Europäischen Union, dessen Vertiefung Deutschland maßgeblich unterstützt und in dem „Freizügigkeit für Forscher“ herrschen und „wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien frei ausgetauscht werden“ sollen.

Als Grundlage für die Neuausrichtung der Internationalisierungsstrategie für Wissenschaft und Forschung hat Bundesforschungsministerin Professor Johanna Wanka im Herbst 2014 einen „Aktionsplan Internationale Zusammenarbeit“ ihres Ministeriums vorgestellt. Er beschreibt auch, wie die Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenländern in Zukunft gestaltet werden kann, und erläutert, wie Deutschland zur Lösung globaler Herausforderungen noch stärker beitragen kann. „Deutschland soll in der Zukunft noch besser aufgestellt sein für den internationalen Wettbewerb“, sagte Ministerin Wanka bei der Vorstellung des Aktionsplans, „wir wollen Innovationsweltmeister sein. Dazu müssen wir nicht nur die Zusammenarbeit mit anderen Staaten vertiefen, sondern sie auch auf eine andere Qualitätsebene heben.“ Der Wettbewerb um die Goldmedaillen für die besten Ideen geht weiter. ▪