Fußball, Vielfalt und Vorbilder: Zwei Frauen und ihr Sport
Bei Türkiyemspor Berlin erleben Sanna El-Agha und Zeynep Kucak, wie Fußball Menschen unterschiedlicher Herkunft verbindet.

Fast hätten es Sanna El-Agha und Zeynep Kucak geschafft und zusammen die „Torjägerkanone für alle“ 2024/25 gewonnen. Wer im deutschen Amateurfußball in einer Saison die meisten Tore schießt, erhält diese Auszeichnung. So hatten die beiden Freundinnen es geplant – doch Kucak brach sich den Knöchel und musste die Saison vorzeitig beenden. Am Ende schoss sich El-Agha mit 65 Toren in 15 Spielen an die Spitze der Wertung in der sechsten Liga. Kucak freut sich für ihre Freundin: „Sie ist wirklich die beste Stürmerin, die ich je gesehen habe.“
Unsere Gemeinsamkeit ist die Leidenschaft für Fußball.
Seit fast 30 Jahren verbindet El-Agha und Kucak eine enge Freundschaft. Als Kucak mit zwölf Jahren aus der Türkei nach Berlin kam, war es El-Agha, die ihr Deutsch beibrachte. Kennengelernt haben sie sich beim Fußball. Eines ihrer schönsten gemeinsamen Erlebnisse? „Als wir die Berliner Pokalmeisterschaft in der D-Jugend gewonnen haben“, erinnert sich die heute 40-jährige Kucak. Doch leicht war das nicht – für sie als Frauen im Fußball, zudem mit Migrationshintergrund. Sie fühlten sich damals oft fremd auf dem Fußballplatz. „Wir waren dort die einzigen Mädchen mit Migrationshintergrund, Zeynep und ich“, sagt El-Agha. Die 38-Jährige ist gebürtige Berlinerin, ihre Eltern kommen aus Tunesien und den Palästinensischen Gebieten.

Heute spielen die Freundinnen in einem Team bei Türkiyemspor Berlin. Der Verein wurde 1978 von türkischen Migranten gegründet – fast 50 Jahre später treiben hier Menschen unterschiedlicher Herkunft gemeinsam Sport. „Wir sind ein richtiger Multikulti-Verein: Die Mitglieder kommen aus Griechenland, Ungarn, Italien oder Iran“, sagt El-Agha. „Unsere Gemeinsamkeit ist die Leidenschaft für Fußball.“
Vorbild für muslimische Mädchen sein
Frauen können seit 2004 bei Türkiyemspor spielen, auch eine Ausbildung zur Trainerin ist hier möglich. El-Agha schätzt die fördernde Atmosphäre und das familiäre Verhältnis untereinander. Viele der Mädchen und Frauen spielen bereits seit Jahren zusammen und sind hier gemeinsam groß geworden. Sanna El-Agha ist seit elf Jahren bei Türkiyemspor: „Da hat sich wirklich viel entwickelt. Ich möchte Teil dieser Entwicklung sein und gerade für junge muslimische Mädchen eine Vorbildfunktion einnehmen.“

Sollte es Änderungen im Frauenfußball geben?
Beide wünschen sich für den Verein mehr Frauen in leitenden Positionen, mehr Trainerinnen, einfach „mehr Frauen, die für Frauen sprechen“, betont El-Agha. Deswegen haben sie auch nur wenig Verständnis, wenn Männer Verbesserungsvorschläge für den Frauenfußball machen, beispielsweise die Spielzeit zu dritteln. „Es funktioniert doch. Seit den 1970er-Jahren gibt es eine deutsche Frauennationalmannschaft. Warum sollte sich 2025 an den Regeln etwas ändern?“
Zeynep Kucak und Sanna El-Agha spielen selbst auf einem Kleinfeld, sind Teil eines Teams mit sieben Spielerinnen. Diese Spielvariante nimmt für sie den Druck raus: Training findet nur einmal in der Woche statt, am Wochenende gibt es ein Spiel. So bleibt ihnen auch mehr Zeit für ihre Familien. Doch jüngere Spielerinnen, betonen beide, müssten auf dem Großfeld spielen. Dafür sei auch das Training von Beginn an ausgelegt.

Gemeinsam spielen und Erfolge feiern
Kucak hat zwischenzeitlich zehn Jahre lang nicht mehr im Verein gespielt und ist in dieser Zeit Mutter geworden. Dass sie nun wieder gemeinsam auf dem Platz stehen, ist für die Freundinnen ein Highlight. „Bevor wir nur noch mit Krücken rumlaufen werden, mussten wir es noch einmal versuchen“, lacht Kucak.
Bei ihrem Erfolg in dieser Saison werden die Krücken wohl noch lange warten müssen: Mit ihrem Siebener-Team gewannen Kucak und El-Agha 2024/2025 sowohl die Berliner Meisterschaft in der Bezirksliga als auch die Nordostdeutsche Meisterschaft, qualifizierten sich damit für die Deutsche Ü32-Meisterschaft im August 2025. „Das wollen wir auch noch mitnehmen“, betont El-Agha – ein letzter Höhepunkt der Saison und ein weiterer Meilenstein in der Freundschaft von Sanna El-Agha und Zeynep Kucak.