Eine Kinderklinik zwischen Zerstörung und Neubeginn
Krieg, Armut und eine zerstörte Infrastruktur: Für viele Familien in Syrien ist medizinische Versorgung unerreichbar. Das Deutsche Rote Kreuz unterstützt mit humanitärer Hilfe.
Babyschreie hallen durch die Flure, vor den Behandlungszimmern warten Eltern mit ihren Kindern auf einen Arzttermin. Die 1976 gegründete Kinderklinik des Syrisch-Arabischen Roten Halbmonds (SARC) in Aleppo war das erste Krankenhaus in Syrien, das sich ausschließlich um junge Patientinnen und Patienten kümmerte. „Die Ärzte sahen den wachsenden Bedarf der Stadt für eine Einrichtung, die Kinder medizinisch so behandelt, wie sie es brauchen: mit speziell ausgebildetem Personal und einem eigenen Pflegekonzept“, sagt Klinikdirektor Ahmad Alshiek. Viele der heute dort arbeitenden Pflegerinnen und Pfleger haben über 30 Jahre Berufserfahrung. Andere Krankenhäuser überweisen ihre besonders schweren Fälle deshalb gezielt dorthin.
Auf sieben Stockwerken verfügt die Klinik über mehrere Stationen, Diagnostik, Inkubator-Bereiche, Operationssäle und eine Intensivstation. Jährlich werden dort zehntausende Kinder behandelt. Viele von ihnen kommen nicht aus Aleppo selbst, sondern aus den umliegenden Dörfern. Im Jahr 2025 wurden fast 31.000 Patientinnen und Patienten stationär behandelt, es gab mehr als 2.100 Operationen und mehr als 1.600 Babys wurden in einem Inkubator versorgt (Stand: November 2025).
Gesundheitsinfrastruktur in Syrien stark beschädigt
Doch der Alltag in der Klinik ist geprägt von Krisen. Die jahrelangen Kämpfe in und um Aleppo haben auch die Gesundheitsinfrastruktur schwer beschädigt. Nur 57 Prozent der Krankenhäuser und 23 Prozent der Primärgesundheitszentren sind funktionsfähig. Für viele Syrerinnen und Syrer existiert medizinische Versorgung nur noch auf dem Papier: Die Behandlung in privaten Kliniken ist unbezahlbar und staatliche Einrichtungen sind überlastet. „Es gibt viele Dörfer, die keinen Zugang zu einem festen Gesundheitszentrum haben“, sagt Rama Kassar, Gesundheitskoordinatorin beim SARC.
Die 1942 gegründete Organisation SARC ist Teil der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Als größte humanitäre Organisation Syriens betreibt SARC Kliniken, verfügt über mobile medizinische Teams, Physiotherapie- und Ernährungseinheiten. Er deckt rund 60 Prozent der humanitären Hilfsleistungen in Syrien ab. 285 Mitarbeitende und 2.000 Freiwillige arbeiten allein im Raum Aleppo für die Rothalbmondgesellschaft. Zwar bietet SARC kostenlose Gesundheitsversorgung an, doch viele Familien können sich nicht einmal die Anreise zum Krankenhaus leisten. „Manchmal kommen schwangere Frauen zur Entbindung nicht ins Krankenhaus, weil sie kein Geld für den Transport haben“, sagt Kassar. Mit dem Programm „Cash for Health“ möchte SARC diese Lücke schließen. „Wir bieten Patientinnen und Patienten an, die Transportkosten ins Krankenhaus zu übernehmen“, so Kassar.
Kriegsschäden an Gesundheitseinrichtungen
Doch auch die Zweigstelle des SARC in Aleppo, zu dem das Kinderkrankenhaus gehört, ist von den Kriegsschäden betroffen. Das frühere Hauptgebäude im Stadtteil Al-Shahba wurde größtenteils zerstört. Ein Schulungszentrum zur Ausbildung von Pflegekräften liegt ebenfalls in Trümmern. Hail Assi, dem Leiter der SARC Aleppo-Zweigstelle, geht dieser Anblick sehr nahe. „Wir werden frühestens 2026 hierher zurückkehren“, sagt Assi. Von den Nachbargebäuden ist kaum noch etwas übrig. „Wir hatten hier viel vor“, sagt Assi. „Hoffentlich können wir alles wiederaufbauen.“
Unterstützung der Versorgung mit Hilfe des DRK
Unterstützung erhält SARC bei der Linderung der dringendsten humanitären Bedarfe im Bereich Gesundheit durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Bereits seit 2012 arbeitet das DRK mit seiner nationalen Schwestergesellschaft zusammen. 2022 kam eine direkte Kooperation mit der SARC-Zweigstelle in Aleppo hinzu. Das DRK finanziert seitdem einen festen Anteil der monatlichen Behandlungen im Kinderkrankenhaus und liefert technische Expertise. „Auf der Intensivstation deckt das DRK etwa 95 Prozent der Behandlungen ab, bei den Operationen 76 Prozent und bei den Inkubator-Behandlungen 51 Prozent“, sagt Krankenhausdirektor Alshiek.
„Wir sind nicht nur Geldgeber. Wir sind ein Partner des SARC und arbeiten eng zusammen“, betont Giulia Spini, Programmkoordinatorin des DRK für Syrien. „Wir investieren weiter in den Kapazitätsaufbau, bei den Personalkosten und in der Ausbildung, zum Beispiel mit Schulungen zur Neugeborenen-Reanimation.“ Zusätzlich unterstützt das DRK die SARC-Zweigstelle in Aleppo bei der mobilen Versorgung von Patientinnen und Patienten.
Doch der Bedarf steigt weiter. „Durch die Rückkehr von Geflüchteten und die neu erlangte Bewegungsfreiheit seit dem Sturz Assads wird das syrische Gesundheitssystem zusätzlich gefordert“, sagt Alshiek. Nach wie vor ist Mangelernährung ein großes Problem. Im Winter kommen Atemwegsinfektionen hinzu, im Sommer aufgrund der hohen Temperaturen Durchfallerkrankungen. Um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden, möchte SARC seine Pflegeschule wiederaufbauen und ein zweites Kinderkrankenhaus in der Region eröffnen – hoffentlich mit Unterstützung des DRK.