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NATO und EU diskutieren syrische Sicherheitszone

Heute debattierte das EU-Parlament den türkischen Einmarsch. Morgen will die NATO über den deutschen Vorschlag reden.

24.10.2019
Die NATO will über den deutschen Vorschlag einer Sicherheitszone sprechen.
© dpa

Syrien-Debatte im Europäischen Parlament: Den Vorschlag der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) unterstützen nur wenige ihrer Parteifreunde aus der christdemokratischen Fraktion direkt. Kramp-Karrenbauer hatte eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien vorgeschlagen, um den Einmarsch der türkischen Truppen zu beenden und den Kampf gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" wieder aufzunehmen.

Die Christdemokraten David McAllister, der Vorsitzender des außenpolitisches Ausschusses des Europaparlaments ist, und Michael Gahler sagten, der Vorstoß der deutschen Ministerin habe die Debatte verändert. "Europa muss sich in diesem Krisengebiet vor seiner Haustür engagieren. Das ist auch im Interesse der Bevölkerungsgruppen in der Region. Diese wollen nicht allein Assad, Putin und Erdogan ausgeliefert sein", so die beiden Politiker.

Die Einrichtung einer Sicherheitszone sollte auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen erfolgen. Wesentliche Finanzhilfen der EU an die Türkei sollten nur freigegeben werden, wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sich wieder an das Völkerrecht halte, verlangten die christdemokratischen Politiker.

Damit sind wohl auch die Zahlungen an die Türkei für die Versorgung von 3,4 Millionen syrischen Flüchtlingen im Land gemeint. Die EU muss in den nächsten Monaten entscheiden, ob sie weitere drei Milliarden Euro im Rahmen des sogenannten "Flüchtlingsdeals" mit der Türkei aus dem Jahr 2016 zahlen wird.

Waffenembargo gefordert

Sprecher anderer Fraktionen gingen nicht näher auf eine mögliche Sicherheitszone in Nordsyrien ein. Alle forderten ein Ende der Militäraktion, die als Verstoß gegen das Völkerrecht scharf verurteilt wird. Kritisiert werden auch die USA, die die Kurden in Nord-Syrien nach Auffassung der meisten Parlamentarier in Straßburg im Stich gelassen haben.

Der griechische Abgeordnete Dimitrios Papadimoulis forderte, die EU müsse nicht nur Worte, sondern Taten sprechen lassen. Nötig seien gezielte wirtschaftliche Sanktionen und ein generelles Waffenembargo. Die EU-Außenminister konnten sich vor zehn Tagen nicht auf eine generelles Embargo einigen. Nur einige Mitgliedsstaaten - darunter Deutschland - erklärten, sie würden künftig keine Waffenexporte mehr genehmigen.

Der finnische Sozialdemokrat Eero Heinäluoma sagte in der Debatte an diesem Mittwoch: "Wir schulden den Kurden viel." Schließlich hätten die kurdischen Kämpfer wesentlich zur Eindämmung der islamistischen Terroristen beigetragen. Jetzt seien viele der "IS"-Terroristen wieder frei und könnten sich auf den Weg nach Europa machen.

NATO will deutschen Vorschlag beraten

In Brüssel wird sich am Donnerstag der Rat der NATO-Verteidigungsminister mit der Lage in Syrien beschäftigen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bestätigte vor dem Treffen, dass er mit der deutschen Ministerin Kramp-Karrenbauer über ihren Vorschlag gesprochen habe. Aus NATO-Kreisen war zu hören, dass der Vorstoß, den sie unter anderen in einem Interview mit der Deutschen Welle unternommen hatte, überraschend kam.

"Ich begrüße jeden Vorschlag, der auf den Weg zu Frieden führt", sagte Stoltenberg in einer Pressekonferenz am Mittwoch. Natürlich müsse es bei einer solchen Aktion auch "Truppen am Boden" geben, sagte Stoltenberg. Zeitgleich verkündete Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer vor deutschen Parlamentariern in Berlin, wesentliche Alliierte in der NATO hätten die Bereitschaft signalisiert, über eine Sicherheitszone zu sprechen. Welcher Staat Truppen zu einer solchen Aktion bereitstellen würde, ist unklar. Kramp-Karrenbauer verwies darauf, dass über einen Einsatz der Bundeswehr der Bundestag entscheiden müsse. Zunächst müsse jetzt ein Mandat der Vereinten Nationen angestrebt werden.

Parlament wird türkischen Einmarsch förmlich verurteilen

In Straßburg wird das Europäische Parlament am Donnerstag voraussichtlich mit großer Mehrheit eine Resolution gegen das türkische Vorgehen in Nordsyrien verabschieden. Nach Ansicht des Abgeordneten Michael Gahler entfernt sich die Türkei mit ihrer Politik immer weiter von Europa."Wir als EU haben uns nicht genug im Syrien-Konflikt engagiert", sagte Gahler der DW.

Bereits im März hatte das Europäische Parlament ein formelles Ende der seit 2005 nur schleppend verlaufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert. Möglich sei, so Gahler, als letztes Mittel auch eine Aufkündigung der Zollunion. Die EU und die Türkei erheben - außer bei landwirtschaftlichen Produkten - auf die meisten Im- und Exporte keine Zölle.

Für die sozialdemokratische Fraktion stellte die niederländische Abgeordnete Kati Piri fest, die Einrichtung einer türkisch besetzten zehn Kilometer breiten Zone an der syrischen Grenze verstoße gegen internationales Recht. "Die Türkei will die örtliche Bevölkerung vertreiben und bis zu zwei Millionen Flüchtlinge aus der Türkei zwangsumsiedeln." Die Einrichtung einer solche Zone war am Dienstag bei einem Treffen der türkischen Präsidenten Erdogan mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Seebad Sotschi verabredet worden.

Russland und die Türkei, die im Syrien-Krieg eigentlich gegeneinander arbeiteten, wollen in dieser Zone jetzt gemeinsam patrouillieren und kurdische Milizen vergraulen. Die Zone, die Erdogan und Putin, jetzt einrichteten, könnte am Ende "internationalisiert" werden, so CDU-Politiker Gahler. Er glaube nicht, dass die Menschen dort unter russischer oder türkischer Kontrolle leben wollen.