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Die Stadt der Zukunft

Ein Kurzinterview mit Prof. Dr. Armin Grunwald, Physiker, Philosoph und Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe.

28.09.2016

Herr Professor Grunwald, durch die Wanderungen in die Städte ist die „Zukunftsstadt“ derzeit das Thema. Wie könnte sie aussehen?

Vollmundige Prognosen und Hochglanzbroschüren, wie die Stadt der Zukunft aussehen wird, welche Infrastrukturen sie prägen und auf welche Weise wir dann mobil sein werden, gibt es zuhauf. Es besteht aber die Gefahr, dass wir das Wissen über die Zukunft überschätzen. So war in den 1970er Jahren die „Entleerung der Städte“, die Flucht aus der Stadt in das Häuschen im Grünen ein großes Thema in Deutschland. Das befürchtete Ausbluten der Städte war kein Hirngespinst von Bedenkenträgern, sondern Ausdruck damals realer Trends. Dennoch ist es anders gekommen.

Wie entsteht denn Zukunft?

Zunächst einmal spreche ich lieber von Zukünften. Denn alles andere klingt so, als stehe die Zukunft schon fest. Und dann muss man sagen: Die Zukünfte werden gemacht. Alle Zukünfte haben Autoren, Forscher, Unternehmer, gar Science-Fiction-Autoren, die auf gegenwärtiges Wissen oder die Vergangenheit zurückgreifen. Ein großer Teil besteht aber auf Annahmen, also Nichtwissen. Das bedeutet, dass die Zukunft in hohem Maße offen ist.  

Welche Konturen der Stadt der Zukunft zeichnen sich denn ab?

Die Zukunftsstadt hat es schon immer geben, da jede Stadt über sich hinausweist. Jede Stadt besteht aus ­Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Für die Vergangenheit stehen beispielsweise Fachwerkhäuser, für die ­Gegenwart Gewerbegebiete und für die Zukunft die ­fortschreitende Digitalisierung, die ich auch nicht anzweifele. Sie bringt viel Positives mit sich hinsichtlich neuer Services und Netzwerke. Kurios ist aber, dass die Menschen offenbar aus sozialen Gründen in die Städte ziehen, den Kontakt suchen und Privatheit als Wert ­gewinnt. Die digitalen Dienste könnten sie auch auf dem Land haben.  

Welche Rolle spielt der Mensch in der Zukunftsstadt?

Das ist eine schöne Frage. Denn ich beobachte zwei widersprüchliche Entwicklungen. Einerseits heißt es, der Mensch stehe im Mittelpunkt. Auf der anderen Seite sehe ich grafische Entwürfe der Zukunftsstadt, die technisch perfekt aussehen, aber kaum Platz für den Menschen lassen mit all seiner Kreativität, Spontaneität oder auch Unordnung. Man könnte die Sorge haben, dass Menschen zu Endgeräten einer Infrastruktur werden – wie etwa in dem Film „Metropolis“ von Fritz Lang, wo die Arbeiter nur dazu da sind, die Stadt am Leben zu halten. 

Wie muss es also konkret weitergehen?

Es muss um Gestaltung gehen, nicht um Prophezeiung. Diese bedarf klarer Ziele: Wie soll die Stadt der ­Zukunft aussehen, wie sollen Mobilitätsbedürfnisse ­erfüllt werden oder welche sozialen Infrastrukturen ­sollen ­aufgebaut werden? Die Aushandlung von Zielen der ­Stadt­entwicklung ist eine Gemeinschaftsaufgabe in der de­mokratischen Gesellschaft, um die Perspektiven, ­Wünsche und Sorgen der Menschen einzubeziehen. ▪