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Der Bollywood-Star aus Detmold

Suzanne Bernert ist in Deutschland so gut wie unbekannt, in Indien erkennt sie fast jeder auf der Straße. Wie das kam, erfährst du hier.

Jasmin Siebert, 22.10.2020
Suzanne Bernert
Suzanne Bernert © privat

In perfektem Hindi und kunstvoll in einen Sari gewickelt, spricht Suzanne Bernert als Sonia Gandhi zu einer Schar Menschen. In dem indischen Politdrama „The Accidental Prime Minister“ von 2019 spielt sie die populäre Präsidentin der Indischen Kongresspartei. Es ist die bisher größte Rolle der 38-jährigen deutschen Schauspielerin. Wer es nicht weiß, kommt nicht drauf, dass Sonia Gandhi gebürtige Italienerin ist. Auch Suzanne Bernert ist vor der Kamera nicht anzumerken, dass sie Deutsche ist.

Suzanne Bernert in „The Accidental Prime Minister“
Suzanne Bernert in „The Accidental Prime Minister“ © privat

Seit 15 Jahren lebt und arbeitet Suzanne Bernert in Indien. Sie hat in 24 TV-Serien, einer Webserie und 19 Filmen mitgespielt. Sie war schon Kanadierin, Engländerin, Israelin, Französin und einmal eine Deutsche, der sie selbst den Namen Stefanie Meier gab. Popularität erlangte sie auch in der Rolle der Königin Helena im Historiendrama um Kaiser Ashoka und als Tänzerin in Musikvideos.

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Suzanne Bernert war die erste Ausländerin in einer indischen TV-Serie. Sie spielte die ausländische Schwiegertochter, ihre Paraderolle. Ehe und Familie sind die Hauptthemen indischer Produktionen. In dieser ersten TV-Serie war Suzannes Figur die Einzige, die korrektes Hindi sprach und hinduistische Traditionen hochhielt, während sich die indische Großfamilie im Hindi-Englisch-Mischmasch unterhielt und einen amerikanischen Lebensstil pflegte.

Suzanne Bernert war es wichtig, schnell richtig Hindi zu lernen, die Rolle half ihr dabei. Vor ihr standen Ausländer in Indien hauptsächlich als Statisten oder Tänzer vor der Kamera. Sich an einem indischen Filmset zu behaupten, sei anfangs nicht einfach gewesen, erzählt sie. Anerkennung musste sie sich erst erarbeiten und die Kameraleute seien verzweifelt gewesen wegen ihrer hellen Haut. Bei neuen Produktionen bringe sie deswegen ihre eigene Schminke mit – aus ihrer deutschen Heimat.

Es hat gleich klick gemacht.
Bollywood-Star Suzanne Bernert

Suzanne Bernert ist im ostwestfälischen Detmold geboren und im Allgäu aufgewachsen, dort leben ihre Eltern noch immer. Schon als Vierjährige verkündete sie, dass sie Schauspielerin werde. Sie lernte Ballett und mit 19 begann sie eine Schauspielausbildung in Berlin. Sie träumte von anspruchsvollen Rollen am Theater. Doch es hagelte Absagen. 1,70 Meter Größe, rotblond und hellhäutig  waren keine Alleinstellungsmerkmale.

In Indien hingegen wurde sie schnell zum Star. Aber dazu gehörte auch ein kleiner Zufall. Als sie einen Filmproduzenten kennenlernte, der eine Ausländerin für eine Nebenrolle in einem indischen Kinofilm suchte, sagte sie spontan zu. Auch für ein Theaterstück wurde eine Ausländerin gesucht. Und so lernte Suzanne den Schauspieler und Produzenten Akhil Mishra kennen. Gemeinsam beugten sie sich über das Stück. „Es hat gleich klick gemacht“, erinnert sich Suzanne.

Suzanne fand ihre große Liebe, Freunde und ein Jobangebot nach dem anderen. Eine echt indische Traumhochzeit folgte allerdings nicht. 2009 heirateten Suzanne und Akhil gerichtlich, nur begleitet von einem Anwalt. „Wir haben beide schon so oft vor der Kamera geheiratet, das wäre merkwürdig gewesen“, sagt Suzanne Bernert und lacht. „Wir hätten immer drauf gewartet, dass jemand ‚Cut‘ ruft.“

Auf der Straße flippen die Leute aus, wenn sie mich sehen.
Bollywood-Star Suzanne Bernert

Von der Hochzeit abgesehen war Suzannes Privatleben bald typisch indisch: Die ersten Jahre lebte sie mit ihrem Mann, ihrer Schwiegermutter und einem Neffen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. „Das ist mir als Europäerin am Anfang schwergefallen“, sagt sie. Heute wohnt sie mit ihrem Mann allein in einer größeren Wohnung und ertappt sich nicht erst seit Corona-Zeiten bei dem Gedanken, dass es doch schön wäre, wenn noch jemand da wäre.

Einmal meldete sich bei Suzanne Bernert eine Doktorandin, die über das Thema kulturelle Aneignung promovierte. Sie fragte nach Anfeindungen, die Suzanne als Sari-tragende, Hindi sprechende Schauspielerin erleben müsse. Doch Suzanne hört vor allem Komplimente und Lob. Inder sind überaus erfreut und überrascht, wenn Ausländer ihre Sprache beherrschen. „Und auf der Straße flippen die Leute regelrecht aus, wenn sie mich sehen“, sagt Suzanne Bernert.

Durch Corona ist es um ihre Karriere etwas ruhiger geworden. Kleine Videos für Social Media sind das Einzige, was Suzanne Bernert noch dreht. Wie Millionen Inderinnen und Inder verlässt sie die Wohnung kaum noch. Am 14. März sei sie zuletzt mit dem Auto draußen gewesen, sagt sie. Es folgte ein monatelanger strenger Lockdown. Inzwischen machen sie und ihr Mann immerhin täglich einen Abendspaziergang mit Maske. Pläne, nach Deutschland zurückzukehren, hat Suzanne nicht. Doch drehen würde sie schon gern einmal in ihrer Muttersprache. Ihre Traumrolle: Kommissarin im „Tatort“, einer beliebten deutschen Fernsehserie.