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Wie ein Deutscher in China zum Social-Media-Star wurde

Ein Video über Umzugskartons machte Tilman Lesche über Nacht berühmt. Ein Gespräch über Kulturvermittlung und das richtige Maß an kritischen Themen. 

Barbara Barkhausen Interview: Barbara Barkhausen , 18.11.2025
Influencer Tilman Lesche
© AdobeStock/fazit

Herr Lesche, wie wird man mit über 50 Jahren Social-Media-Influencer in China?

Ich war schon immer eine Rampensau und habe mein Leben lang Musik gemacht. Während der Corona-Pandemie brach das von mir aufgebaute Unternehmen ein, das chinesische Studierende nach Deutschland vermittelte. Meine chinesische Frau ist Regisseurin – und wir dachten uns: Warum nicht den Sprung wagen und auf Social Media richtig durchstarten? Sie sagte: „Wenn wir das machen, dann richtig.“ Also haben wir im März 2020 angefangen – professionell, nicht als Hobby.

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Zur Person

Tilman Lesche
© privat

Tilman Lesche, 57, ist einer der erfolgreichsten deutschen Influencer in China. Er hat rund zehn Millionen Follower auf chinesischen Social-Media-Plattformen wie WeChat. Der gebürtige Berliner studierte Sinologie und Wirtschaft und arbeitete fast sein gesamtes Berufsleben in China. Seine Videos über Alltagsbeobachtungen und deutsche Geschichte stoßen oft gesellschaftliche Debatten an. Sein erklärtes Ziel: Völkerverständigung durch persönliche Kontakte. Um von seiner Arbeit leben zu können, betreibt Lesche Live-Shopping und verkauft unter anderem deutsche Produkte wie Würstchen oder Kochtöpfe. 

Später haben Sie dann angefangen, über Social Media deutsche und chinesische Produkte wie Pfannen, Heimtextilien und Kristallgläser zu verkaufen. Doch 2021 hatten Sie quasi über Nacht einen viralen Hit. Was ist passiert?

Ich war mitten im Umzug und hatte meine alten Schenker-Kartons zur Hand. Ganz typisch deutsch habe ich erklärt, warum die Kartons mit den Laschen unten einfach stabiler sind – und dass meine nach 20 Jahren immer noch halten. Das sorgte für viele Lacher in China: „Typisch Deutsche, selbst bei Kartons so gründlich!“ Ich habe das mit Humor genommen und erzähle jetzt gerne, dass ich Livestreams mit WMF mache – einer Marke mit 172 Jahren Geschichte, die auch in China sehr geschätzt wird. Da wurde schnell klar: Deutsche Gründlichkeit hat einfach Tradition.

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Sie sind seit mehr als 40 Jahren mit China verbunden. Was fasziniert sie so an dem Land?

Ich war 1984 das erste Mal in China, damals war ich 16 Jahre alt. Als Gymnasiast habe ich aus Neugier angefangen, Chinesisch zu lernen – ohne besonderen Plan, einfach weil die Sprache aus meiner Sicht exotisch war. Das hätte auch Arabisch werden können. Was mich sofort mitgerissen hat, war diese unglaubliche Lebendigkeit: China ist ein Ort, an dem ständig etwas passiert, und die Menschen stürzen sich mit einer unbändigen Energie ins Leben.

Ich glaube, mein Alter ist sogar ein Vorteil.
Influencer Tilman Lesche

Von Siemens bis zur Bundesdruckerei: Sie haben schon verschiedene deutsche Unternehmen in China vertreten. Welche Job-Qualifikationen muss man mitbringen?  

Ich war immer ein Brückenbauer. In jedem Job bestand etwa die Hälfte meiner Arbeit darin, das Verständnis zwischen den Kulturen herzustellen – nicht nur sprachlich. Oft erlebe ich Verhandlungen zwischen deutschen und chinesischen Delegationen, bei denen schnell klar wird, dass die Parteien aneinander vorbeireden. Dann muss man einen Schritt zurücktreten, beide Seiten zur Seite nehmen und sagen: „Moment, ihr habt das völlig falsch verstanden.“

Und jetzt machen Sie Social Media. Was fasziniert Millionen Chinesen an einem 57-jährigen Deutschen, der gerne singt oder auch mal seinen Bastelkeller zeigt?

Ich glaube, mein Alter ist sogar ein Vorteil. Ich habe vier Jahrzehnte China-Erfahrung, bin authentisch und kann aus eigener Erfahrung Geschichten erzählen. Ich habe einen riesigen Fundus an Erlebnissen. Ich bin direkt, sage auch mal unangenehme Wahrheiten – aber ich wirke dabei vor der Kamera immer natürlich.

„Deutsche Umzugskartons halten 20 Jahre“, pries Tilman Lesche im Netz – und seine Follower ließen die Kommentarspalte explodieren.
„Deutsche Umzugskartons halten 20 Jahre“, pries Tilman Lesche im Netz – und seine Follower ließen die Kommentarspalte explodieren. © privat

Behandeln Sie auch kritische Themen?

Ja, sehr häufig. Zum Krieg in der Ukraine habe ich eine Serie gemacht – über Zeitenwende, den deutschen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und über das Stolperstein-Projekt von Gunter Demnig, bei dem Gedenktafeln im Boden an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Natürlich gehe ich beim Produzieren der Videos vorsichtig vor – ich weiß genau, wo die Grenzen liegen. Meine Frau ist dabei ein wichtiges Korrektiv: Sie hat das „Wanggan“, also ein feines Gespür für das Netz, und kann gut einschätzen, was in der Community funktioniert. 

Was wünschen Sie sich für den deutsch-chinesischen Austausch?

Seit der Corona-Pandemie sind viele Kommunikationsbrücken abgebaut worden. Ich arbeite derzeit nur für ein chinesisches Publikum. Mein großer Wunsch ist es, in ein bis zwei Jahren auch in die andere Richtung zu arbeiten – also aus China für ein deutsches Publikum zu berichten. Kommunikation soll keine Einbahnstraße sein, sondern eine richtige Brücke, auf der sich Menschen in beiden Richtungen begegnen können.

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