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100 Jahre „Chinarestaurants“ in Deutschland

Für Freunde chinesischer Küche hat Berlin viel zu bieten. Schon vor 100 Jahren eröffnete das erste Chinarestaurant. Eine Entdeckungstour durch die Hauptstadt.

Hendrik BenschHendrik Bensch , 30.03.2023
Berlin bietet eine große Auswahl chinesischer Restaurants.
Berlin bietet eine große Auswahl chinesischer Restaurants. © CandyRetriever/AdobeStock

Xiao Ying Du schiebt den Servierwagen mit den dampfenden Suppenschüsseln vorbei an dunklen Holztischen und Stühlen mit rotem Samtbezug, über ihr eine hölzerne Kassettendecke mit Drachenmotiven. Klaviermusik plätschert wie ein ruhiger Bach durch den Raum. Es ist ein Samstagnachmittag im Restaurant „Do De Li“ in der Kantstraße in Berlins Ortsteil Charlottenburg. Einige Stammgäste sitzen an den Tischen oder holen sich Essen zum Mitnehmen. Restaurantinhaberin Xiao Ying Du fragt sie nach dem letzten Urlaub oder den Plänen fürs Wochenende, mal auf Deutsch, mal auf Chinesisch. Im „Do De Li“ serviert sie vor allem Gerichte, die typisch für die südchinesische Provinz Yunnan sind. Besonders beliebt ist zum Beispiel die „Crossing the bridge noodle soup“, eine Reisnudelsuppe, deren Szechuan-Pfefferöl die Zunge leicht prickelnd und betäubt zurücklässt.

Das Restaurant, das Xiao Ying Du seit Ende der 1990er Jahre führt, hat eine lange Geschichte. Es eröffnete bereits vor 100 Jahren, hat sie von Bekannten und Gästen erfahren. Stammgast war damals der spätere chinesische Außenminister und Ministerpräsident Zhou Enlai. Er wohnte für kurze Zeit in Berlin in der Nähe der Kantstraße und hielt im Restaurant Studierendenversammlungen ab. „Deshalb kommen bis heute Touristen aus China zu uns“, erzählt Xiao Ying Du.

Soweit bekannt, war das heutige „Do De Li“ aber nicht das erste Chinarestaurant in Berlin. Ebenfalls im Jahr 1923 – vermutlich aber schon etwas früher – eröffnete nur wenige hundert Meter entfernt in der Kantstraße 130b/131 das „Tientsin“. Es war damals wohl das erste Chinarestaurant in ganz Deutschland. Heute erinnert nichts mehr an das Restaurant. Unten im Haus befinden sich ein Brillengeschäft und eine Apotheke, an der Fassade prangt eine Kunstinstallation.

Chinatown mitten in Berlin

Die ersten Chinesinnen und Chinesen kamen etwa Anfang des 20. Jahrhunderts nach Berlin, um an der Technischen Hochschule Charlottenburg oder an der Hochschule für Politik zu studieren. In der Kantstraße befand sich in den 1920er Jahren das Büro des Vereins Chinesischer Studenten. Nur wenige Straßen weiter lag die chinesische Botschaft. Heute wird die Gegend rund um die Kantstraße wegen der vielen chinesischen Restaurants und Geschäfte auch Chinatown genannt.

Wer die mehr als zwei Kilometer lange Kantstraße entlangschlendert, entdeckt deshalb zum Beispiel Salons für traditionelle chinesische Massage oder den Laden für chinesische Volkskunst „Die Große Mauer“ – mit einem Angebot von Reisschüsseln über reich verzierte Holzschatullen bis hin zu Teeservices. Zu den chinesischen Restaurants in der Kantstraße gehört auch das „Aroma“, dem der deutsche Sternekoch Kolja Kleeberg bescheinigte, die besten Dim Sum Berlins zu haben. Sein Favorit: die mit gegrilltem Schweinefleisch gefüllten Hefeteigtaschen „Char Siew Pau“.

In der Kantstraße und Umgebung ist auch der Berliner Mathematikstudent Jamil gerne unterwegs. Zusammen mit seiner chinesischen Freundin Quyany steht er vor dem kleinen Imbiss „nudel freunde“, dessen Speisekarte nur mit Chinesischkenntnissen zu verstehen ist. Jamil ist in Berlin aufgewachsen und hat hier im Kiez schon immer gerne Asiatisch gegessen. „Es gibt eine große Auswahl“, sagt er. Früher seien vor allem chinesische Touristinnen, Touristen und Zugewanderte in den Restaurants gewesen. „Inzwischen essen dort auch sehr viele Berliner“, sagt er. Auch wenn die Preise etwas gestiegen seien, bekomme man immer noch ein Menü für etwas mehr als zehn Euro, erzählt Jamil.

Sissi Chen bloggt aus Berlin

„Do De Li“-Inhaberin Xiao Ying Du sieht die Kantstraße nicht unbedingt als Chinatown, sondern eher als Asiatown. Denn wer hier unterwegs ist, sieht auch den Asia-Supermarkt, das japanische Bonsaigeschäft und jede Menge Restaurants, die Essen aus anderen asiatischen Ländern anbieten: beispielsweise asiatische Burger bei Shiso oder vietnamesische Pho-Suppen bei Madame Ngo.

Foodbloggerin Sissi Chen lebt in Berlin und ist eine von vielen, die gerne in die Kantstraße zum Essen gehen. „Das chinesische Essen in Berlin hat sich Gott sei Dank sehr stark weiterentwickelt“, sagt die gebürtige Chinesin. Mittlerweile gebe es weit mehr als nur die Gerichte, die früher typisch für chinesische Restaurants waren, wie Ente süß-sauer oder gebratene Nudeln. Auch Sissi Chen isst in Berlin gerne Chinesisch, wie beispielsweise im „Do De Li“ oder im Asia Deli in der Seestraße in Berlin-Wedding. Doch chinesisches Essen präge die Stadt kulinarisch nicht sehr, sagt sie, weil die chinesische Community in Berlin verhältnismäßig klein ist.

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Wenn jemand sie über ihren Instagram-Account @eatinginberlin oder persönlich nach besonderem Essen in Berlin fragt, empfiehlt sie daher neben Berliner Spezialitäten wie der Currywurst eher vietnamesisches Essen. „Man hat Berlin nicht richtig verstanden, wenn man nicht einmal Vietnamesisch gegessen hat“, sagt sie. Unter den Einwanderinnen und Einwandern in der DDR stellten die Vietnamesen die größte Gruppe – und prägen deshalb bis heute kulinarisch Berlin mit. Für Sissi Chen ist das ein Beispiel dafür, dass Essen ein Anfang sein kann, ein Land besser kennenzulernen. „Über das Essen kann man viel über die Geschichte und Kultur eines Landes erfahren“, sagt sie.

Foodbloggerin Sissi Chen
Foodbloggerin Sissi Chen © Sissi Chen

In der deutschen Hauptstadt sollte man unbedingt neben der vietnamesischen auch die türkische Küche probieren, rät die Foodbloggerin. Döner Kebab, Lahmacun oder Meze-Vorspeisen sind ein Muss, so Chen. Auch die große Vielfalt an Speisen aus dem arabischen Raum, wie etwa Hummus, Falafel oder Fattusch empfiehlt sie jedem, der nach Berlin kommt. Ein Streifzug durch das kulinarische Berlin lohne sich auf jeden Fall, sagt Sissi Chen. Mit London könne Berlin bei der Vielfalt wohl nicht mithalten. Dennoch: „Es ist toll, dass man in Berlin so gutes Essen aus so vielen verschiedenen Ländern bekommen kann.“

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