Von as-Suweida nach Ostelsheim

Geboren wurde Ryyan Alshebl in as-Suwaida im Süden Syriens, zum Bürgermeister wählten ihn die Einwohner von Ostelsheim in Baden-Württemberg, im Südwesten Deutschlands. 55,41 Prozent der Stimmen bekam der 29-jährige Verwaltungsangestellte im ersten Wahlgang der Direktwahl, er war  als parteiunabhängiger Kandidat angetreten. Privat, sagt er, sei er Mitglied der Grünen. Im Wahlkampf war er durch den Ort, der 2500 Einwohner zählt, gelaufen und hatte sich und sein Wahlprogramm vorgestellt. Über 200 Häuser habe er in den Wochen vor der Wahl besucht, sagte er. „Die Erfahrungen waren überwiegend positiv.“

„Wir haben Geschichte geschrieben“, sagte Alshebl am Tag nach der Wahl. Ostelsheim sei zum Symbol für Weltoffenheit und Toleranz geworden. „Das ist im konservativ geprägten, ländlichen Raum nicht selbstverständlich“, erklärte er der Nachrichtenagentur dpa. Sein Amt wird er im Juni antreten.

2015 lebte Alshebl noch in as-Suwaida. 21 Jahre alt, stand er vor der Wahl, in den Truppen des Diktators Baschar al-Assad Militärdienst zu leisten, in den Widerstand zu gehen oder zu fliehen. Er floh und erreichte über den Libanon, die Türkei und Griechenland schließlich den kleinen Ort Althengstett, wenige Kilometer entfernt von Ostelsheim. Dort lernte er Deutsch, machte ein Praktikum im Rathaus der Gemeinde und schließlich eine duale Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Seit sieben Jahren arbeitet er dort im Rathaus, mittlerweile ist er für Kindertagesstätten und Digitalisierung zuständig. Als für acht Jahre gewählter Bürgermeister will Alshebl nun nach Ostelsheim ziehen.

Alshebl will sich in seinem neuen Amt für flexible Betreuungsangebote für Kinder und alte Menschen einsetzen, für Klimaschutz und die Förderung von Vereinen. Im Wahlkampf suchte der gebürtige Syrer das Gespräch mit den Menschen im Dorf. Viele hier mögen Alshebl und freuen sich über seine Wahl. Die Reaktionen am Montag waren zum großen Teil positiv. „Die Bürger haben nach Qualifikation gewählt“, sagte Jürgen Fuchs, Alshebls Vorgänger, der nach zwei Wahlperioden nicht mehr angetreten war. (mit dpa)