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„Deutschland steht als starker Partner wieder bereit“

Bundekanzler Friedrich Merz will den Erwartungen an das wirtschaftlich stärkste und bevölkerungsreichste Land der EU gerecht werden. 

26.06.2025
Bundeskanzler Friedrich Merz
Bundeskanzler Friedrich Merz © picture alliance/dpa/dpa POOL

Herr Bundeskanzler, welche Schwerpunkte möchten Sie in den kommenden Jahren setzen?
Ich will den Menschen in Deutschland ein neues Gefühl von Sicherheit und Zuversicht geben. Ein Europa der Freiheit und des Friedens, ein Deutschland, in dem es allen Generationen Freude macht zu leben und zu arbeiten: Das ist das Leitbild meiner politischen Arbeit. Deutschlands Stärke beruht auf unserer Wirtschaftskraft. Deshalb hat höchste Priorität, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken und endlich wieder für Wachstum sorgen. Dafür entlasten wir unsere Unternehmen, investieren in die Infrastruktur und sorgen dafür, dass Leistung und Anstrengung sich wieder lohnen. Die zweite große Herausforderung liegt darin, Deutschlands Verteidigungsfähigkeit sicherzustellen – mit einer starken Bundeswehr und eng abgestimmt mit unseren Partnern in Europa und weltweit. Wir leben in Zeiten einer grundlegenden Neuordnung der Welt. Diese Welt in unserem Sinne mitzugestalten – das ist eine der großen Aufgaben der Bundesregierung. Und schließlich sorgen wir für einen grundlegenden Kurswechsel in der Migrationspolitik: Deutschlands Stärke liegt in unserer offenen Gesellschaft. Aber sie setzt Grenzen voraus, die wir schützen. Und Regeln, die wir durchsetzen. 

Sie haben in Absprache mit dem Koalitionspartner einen Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt geschaffen. Welche Rolle übernimmt er?
Unsere Sicherheit ist heute multidimensional herausgefordert: im Inneren wie im Äußeren, durch wirtschaftliche Abhängigkeiten, hybride Angriffe und die Bedrohung unserer kritischen Infrastruktur. Der Nationale Sicherheitsrat wird ein wichtiges Element einer neuen Sicherheitspolitik sein, weil dort übergreifende Fragen von Sicherheit beraten und gemeinsam entschieden werden. Dazu bündeln wir die Expertise aus den Bundesministerien und aus den Sicherheitsbehörden, etwa um ein gemeinsames Lagebild zu schaffen. Wir berücksichtigen auch das Fachwissen von Expertinnen und Experten in Thinktanks und an den Universitäten. Unser Ziel ist, dass wir besser auf Krisen vorbereitet sind und in Krisensituationen schneller und informierter handeln als bisher. Damit leistet der Nationale Sicherheitsrat auch einen Beitrag zu einer strategischen Entscheidungskultur, die wir in Deutschland dringend brauchen – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. 

Wir wollen und wir können eine führende Mittelmacht sein.
Bundeskanzler Friedrich Merz

In Ihrer ersten Regierungserklärung haben Sie einen Schwerpunkt auf die Außenpolitik gelegt. Warum war Ihnen das wichtig?
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert seit bald dreieinhalb Jahren an. Weltweit versuchen autoritäre Staaten, den Einfluss liberaler Demokratien zurückzudrängen. Gleichzeitig stehen im transatlantischen Verhältnis manche Gewohnheiten auf dem Prüfstand. Was ich damit sagen will: Es geht in den kommenden Jahren um die Zukunft der freiheitlichen Welt. Und wie diese Zukunft aussehen wird, hängt auch von unseren Entscheidungen in Deutschland ab. Wir sind das wirtschaftlich stärkste und bevölkerungsreichste Land der Europäischen Union. Damit gehen Erwartungen der anderen Mitgliedstaaten einher. Dieser Verantwortung wollen wir gerecht werden. Deshalb war es mir wichtig, gleich mit Regierungsantritt ein Signal zu setzen: Deutschland steht als starker Partner wieder bereit. Wir werden im Schulterschluss mit unseren europäischen Verbündeten alles tun, um den Frieden in Europa zu sichern. Wir sind bereit, Führungsverantwortung zu übernehmen. Zu lange waren wir eine schlafende Mittelmacht. Wir wollen und wir können eine führende Mittelmacht sein.  

Stärke schreckt Aggressoren ab, Schwäche lädt Aggressoren ein.
Bundeskanzler Friedrich Merz

Ihre ersten Reisen führten Sie nach Paris und Warschau. Welche Bedeutung sollte die europäische Zusammenarbeit in den kommenden Jahren haben?
Das geeinte Europa ist das größte Pfund, das wir haben: für Freiheit, Frieden und Wohlstand. Das gilt heute mehr denn je. Im europäischen Binnenmarkt steckt ein gigantisches Wachstumspotential, das wir noch viel besser nutzen wollen. Genauso zentral ist ein besserer Schutz unserer gemeinsamen Außengrenze und eine noch viel engere Zusammenarbeit in Sachen Sicherheit und Verteidigung. Zu all diesen Fragen habe ich in Paris, in Warschau und bei vielen anderen Freunden und Verbündeten sehr viel Übereinstimmung festgestellt. Uns allen ist klar: Stärke schreckt Aggressoren ab, Schwäche lädt Aggressoren ein. Nur ein starkes, geeintes Europa, das als Werte- und Interessengemeinschaft zusammensteht, kann Partnern wie den USA oder Wettbewerbern wie China auf Augenhöhe begegnen. Und genau das ist unser Ziel.