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Botschafter Dr. Hans Carl von Werthern in Japan

In der deutschland.de-Serie „Auf Posten“ gewähren Botschafter und hochrangige deutsche Mitarbeiter in internationalen Organisationen Einblicke in ihre Arbeit. Teil 20: Dr. Hans Carl von Werthern in Japan.

25.04.2016
© Stephan Pramme - Botschafter Dr. Hans Carl von Werthern

Herr Botschafter von Werthern, Japan folgt auf Deutschland und richtet den G7-Gipfel im Mai 2016 aus. Welche Schwerpunkte zeichnen sich ab, welche Ziele verfolgen Deutschland und Japan gemeinsam?

Im Rahmen der G7 arbeiten Japan und Deutschland Hand in Hand. Bei der Übernahme des Vorsitzes von Deutschland hat Japan die meisten Schwerpunkte übernommen. Im Mittelpunkt steht die Werte- und Verantwortungsgemeinschaft für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Deutschland und Japan wirken gemeinsam mit den anderen Partnern der G7 auf ein werte- und regelbasiertes globales Wirtschaftssystem hin, in dem Wachstum und Beschäftigung und auch die unternehmerische Selbständigkeit von Frauen gestärkt werden. Der Kampf gegen Terrorismus und die Eindämmung des Klimawandels stehen ebenso auf der Liste wie die schnellere und effektivere Bekämpfung von Epidemien. Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Themen, von denen ich vielleicht das der maritimen Sicherheit erwähnen sollte. Deutschland und Japan stellen sich also gemeinsam den großen Herausforderungen unserer Zeit. Die G7 mit dem Gipfel im Mai 2016, zehn Minister- und ungezählten Vorbereitungstreffen ist dafür ein exzellentes Forum des Meinungsaustauschs, der Zusammenarbeit und der Entscheidungsfindung.

 

Ein Schwerpunkt ist immer die Wirtschaft. Aber das Freihandelsabkommen der EU mit Japan lässt auf sich warten. Woran liegt es?

Wir sagen auf Deutsch: Gut Ding will Weile haben! Handelsfragen sind für die EU und für Japan gleichermaßen komplex. Daher müssen sie gründlich verhandelt werden. Der Europäischen Union ist daran gelegen, mit Japan ein wegweisendes und inhaltlich anspruchsvolles Abkommen zu schließen. Dabei zählt das Ergebnis. Wir freuen uns, dass Premierminister Abe erklärt hat, zu einem zügigen Abschluss kommen zu wollen. Die Europäische Union ist schon jetzt einer der wichtigsten Handelspartner Japans und macht 10 Prozent des Handelsvolumens des Landes aus. Mit seinen 500 Millionen Bürgern repräsentiert die EU 24 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Welt und ist gerade für japanische Unternehmen ein attraktiver Markt: Das Freihandelsabkommen wird daher zum Wirtschaftswachstum, zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in beiden Märkten beitragen.

 

In der Wirtschaftspolitik setzen Japan und Deutschland unterschiedliche Schwerpunkte. Japan setzt auf die Robotik, Deutschland forciert die Industrie 4.0. Zwei getrennte Wege oder zwei Seiten einer Medaille?

Vielleicht ist es sogar eine Seite der einen Medaille! Fakt ist, dass Deutschland und Japan große Industrienationen sind und ähnliche Industriekulturen vorweisen können. Beide Länder sind bestrebt, ihre Unternehmen auf die nächste industrielle Revolution vorzubereiten. Wir alle wissen: Diese wird eine digitale sein. Unsere Ausgangspositionen sind ähnlich, nur die Herangehensweise könnte man „kulturspezifisch“ nennen. Was die deutsche Plattform Industrie 4.0 so schlagkräftig macht, ist die starke Partnerschaft der Wirtschaft mit der Wissenschaft und der Regierung. Wir suchen die Impulse aus der Forschung, um daraus neue Geschäftskonzepte entwickeln zu können. Und alle Akteure erhalten durch einen stabilen Ordnungsrahmen Rechtssicherheit und damit auch Investitionssicherheit für die Unternehmen. Als wichtige technologische Schlüsselfelder nenne ich Robotik, Sensorik, neuartige Produktionssysteme und natürlich Logistik. Lassen Sie uns die Ressourcen und das Ingenieurwissen beider Länder bündeln, um zusammen neue globale Standards zu setzen!

 

Im März 2016 jährte sich die Dreifachkatastrophe von Fukushima zum fünften Mal. Wie hat sich Japan durch „Fukushima“ verändert?

Die Katastrophe von 2011 hat alle Deutschen sehr betroffen gemacht, und daraus ist damals eine gewaltige Hilfsbereitschaft für die Japaner entstanden. Die Nachwirkungen dauern an. Nach vielen Gesprächen mit japanischen Freunden und Kollegen kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass die Katastrophe einen tiefgreifenden Einschnitt in der Öffentlichkeit bewirkt hat. Jedenfalls ist der Glaube an die Sicherheit von Nukleartechnologie seitdem erschüttert. Ich begrüße die Einführung strenger Überprüfungsregeln für den Betrieb von Atomkraftwerken in Japan. Und es ist sicher ein Signal des Vertrauens, dass ein Unternehmen aus Deutschland den Auftrag erhalten hat, Studien zur Entfernung der stark strahlenden Brennstäbe zu erstellen. Dies zeigt unsere enge Partnerschaft auch dort, wo wir – wie bei der Atomkraft – ganz unterschiedliche Ansichten haben.

 

Sie waren 2004-2005 Leiter des Arbeitsstabes „Deutschland in Japan 2005/2006“. Was hat sich in den bilateralen Beziehungen seitdem getan?

Mit dem Deutschlandjahr in Japan, das vor elf Jahren begann, hatten wir uns vorgenommen, Seiten von Deutschland näherzubringen, die in Japan noch nicht so recht bekannt waren: Wir wollten zeigen, dass Deutschland über die Klischees von Beethoven, Bier und Bratwurst, von Fleiß, Sorgfalt und Effizienz hinaus viel zu bieten hat, zum Beispiel Lifestyle, Lebensqualität, eine lebendige Popkultur, Hochtechnologie und vieles mehr. Wir haben Deutschland nicht nur als lohnendes Reiseziel, sondern auch als attraktiven Standort für Studium und Forschung bekanntgemacht. Das ist uns, glaube ich, recht gut gelungen, auch wenn eine solche Aufgabe natürlich nie abgeschlossen ist. Heute verstehen sich Deutschland und Japan mehr als je zuvor als gleichgesinnte, verlässliche Partner, die in einer sich immer stärker vernetzenden Welt auf allen Ebenen gut zusammenarbeiten und viel voneinander lernen. Diese Zusammenarbeit vollzieht sich auf vielen Ebenen: zwischen den Zivilgesellschaften, durch Hochschulpartnerschaften und Kulturaustausch, zwischen Kommunen und Regionen, auf der Ebene der Regierungen bilateral, aber auch multilateral wie im Rahmen der G7.

 

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