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Botschafter Dr. Michael Witter in Singapur

In der deutschland.de-Serie „Auf Posten“ gewähren deutsche Botschafter Blicke hinter die diplomatischen Kulissen und auf ihr Gastland. Teil 9: Dr. Michael Witter in Singapur.

24.04.2015
© dpa/Jörg Carstensen - Singapore Embassy

Herr Dr. Witter, welche Themen bestimmen derzeit die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Ihrem Gastland?

2015 jähren sich sowohl die Unabhängigkeit Singapurs als auch die Aufnahme bilateraler diplomatischer Beziehungen zum 50. Mal. Dazu werden wir eine Reihe von Veranstaltungen durchführen. Als ein Ergebnis des Besuchs von Premierminister Lee Anfang Februar in Deutschland wollen wir die Zusammenarbeit bei der berufspraktischen Ausbildung intensivieren. Dazu arbeiten wir an einem Pilotprojekt, bei dem deutsche Firmen in Singapur und das Singapore Institute of Technology einen Bachelor-Abschluss anbieten. Für die Teilnehmer sind circa neun Monate praktischer Arbeit unter berufskundiger Anleitung integriert. Im politischen Dialog  sind die Klimaverhandlungen für ein neues globales Abkommen in Paris und die Energiewende in Deutschland herausgehobene Themen. Zugleich werben wir gegenüber Singapur für eine stärkere Rolle der EU in der Region.

Was verbindet Ihr Gastland mit Deutschland auf besondere Weise und wo würden Sie die Beziehungen gern weiter vertiefen?

Singapur ist das Land mit dem höchsten Pro-Kopf Einkommen Asiens, das wie kaum ein anderes Land durch wirtschaftliche Öffnung, verlässliche Rahmenbedingungen und einem strategischen Akzent auf Technologie die Globalisierung genutzt hat. Für uns sind deshalb Wirtschaft, Investitionen, wissenschaftliche Kooperation und natürlich die Kultur „Evergreens“ und bilden die Substanz der Beziehungen. Die Zahl deutscher Firmen, die Singapur als regionalen Hub nutzen – zurzeit  sind es 1400 – nimmt weiter zu. Die Botschaft arbeitet hier eng mit der Auslandshandelskammer und dem German Centre zusammen; auch der Kontakt mit der Regierung ist sehr gut. Die seit vielen Jahren bestehende größte deutsche Auslandsschule Asiens ist ein weiterer wirtschaftlicher Standortfaktor. Bei unserer wissenschaftlichen Kooperation ist die Technische Universität München hier ebenso vertreten wie das Fraunhofer Institut. Das muss bewahrt und kann ausgebaut werden. Der politische Dialog auf Ebene der Staatssekretäre wird jährlich mit großem Gewinn für beide Seiten geführt. Im sicherheitspolitischen Bereich hat sich inzwischen der Shangri-La Dialog zur „Münchener Sicherheitskonferenz Asiens“ entwickelt. Fragen regionaler Sicherheit und die auf Ausgleich setzende Rolle Singapurs dabei sind derzeit besonders spannend.

2015 feiert Singapur 50 Jahre Unabhängigkeit und mit Deutschland 50 Jahre bilaterale Beziehungen. Welche Highlights sind geplant?

Wir nutzen dieses Jubiläum, um einem breiten Publikum die Dichte der Beziehungen und die Mitwirkung auch Deutschlands am Aufbau Singapurs etwa durch die Investitionen deutscher Firmen darzustellen. Dazu wird es  eine Foto-Ausstellung an prominenter Stelle aber auch ein Picknick im Botanischen Garten geben, zu dem die bis zu 8000 hier lebenden Deutschen und ihre singapurischen Freunde eingeladen sind. Das Außenministerium plant eine eigene  Fotoausstellung über die Außenpolitik Singapurs, in der wir als eines der 13 Länder mit eigenen Beiträgen vertreten sind, die unmittelbar nach der Unabhängigkeit - noch im Jahr 1965 -  diplomatische Beziehungen mit Singapur aufgenommen haben.

2015 soll auch die ASEAN Economic Community (AEC) kommen. Was verändert sich dadurch? Und welche Rolle wird Singapur in wirtschaftlicher Hinsicht in Zukunft für Deutschland spielen?

Die AEC sehe ich mehr als Prozess. Da gibt es innerhalb ASEANs noch eine Reihe nationaler Sonderinteressen. Die Richtung stimmt aber, und wir dürfen nicht vergessen, dass die Ursprünge des ASEAN Zusammenschlusses primär sicherheitspolitisch waren. Insoweit ist wirtschaftlich schon viel passiert. Singapur ist auch auf die nächsten 50 Jahre gut vorbereitet und wird seine Erfolgsgeschichte - wenn auch mit kontinuierlichem Anpassungsdruck - fortsetzen. In den Bereichen Überalterung, Fachkräftemangel und Kosten der medizinischen Versorgung zum Beispiel hat Singapur dieselben Probleme wie Deutschland. Allerdings sehe ich bis auf weiteres kein Szenario als realistisch, in dem die größten Volkswirtschaften ASEANs bezüglich Infrastruktur, Rechtssicherheit und Korruptionsfreiheit etc. zügig zu Singapur aufschließen, und internationale Firmen dann in großer Zahl ihren Hub in Singapur aufgeben könnten.

Häufig unterscheiden sich Innensicht und Außensicht eines Landes. Was muss nach Ihren persönlichen Erfahrungen mal über Singapur gesagt werden?

Singapur ist definitiv und unverändert ein sehr regelbasierter Stadtstaat mit strengen Gesetzen und hohen Strafen. Im Rahmen unseres intensiven Austausches mit Singapur setzen wir uns für die Abschaffung der Todesstrafe sowie der Prügelstrafe ein. Er wird heute aber offener regiert als noch vor einigen Jahren. Mit der neuen Generation und den in Singapur sehr verbreiteten sozialen Medien wird sich das graduell weiter lockern.

www.singapur.diplo.de

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