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Botschafter Dr. Peter Schoof in Griechenland

In der deutschland.de-Serie „Auf Posten“ gewähren Botschafter und hochrangige deutsche Mitarbeiter in internationalen Organisationen Einblicke in ihre Arbeit. Teil 15: Dr. Peter Schoof in Griechenland.

20.10.2015
Auswärtiges Amt -  Botschafter Dr. Peter Schoof

Welche Themen bestimmen derzeit die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Ihrem Gastland?

Zunächst: Die deutsch-griechischen Beziehungen basieren auf einer langen Tradition. Das beiderseitige Interesse aneinander ist ausgesprochen hoch. Viele Griechinnen und Griechen kennen unser Land aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als wir unseren Mangel an Arbeitskräften durch eine gesteuerte Migration ausglichen und sog. „Gastarbeiter“ ins Land holten. Viele Intellektuelle kamen nach Deutschland während der Diktatur 1967 bis 1974. Das Goethe-Institut und die Deutsche Welle waren wichtige Plattformen für die damalige Opposition. Umgekehrt war Griechenland für die Deutschen immer Anziehungspunkt für Historiker, Archäologen, andere Geisteswissenschaftler und Wissenschaftler anderer Disziplinen. Und schließlich zieht es jedes Jahr Millionen deutscher Urlauber nach Griechenland. Das Jahr 2015 wird hier eine neue Rekordzahl zeigen.

 

Aktuell sind die Diskussionen über die Finanz- und Schuldenkrise auch weiterhin das beherrschende  Thema in den bilateralen Beziehungen. Wir dürfen nicht vergessen, dass gerade die Mittelschicht in Griechenland, aber auch die jungen Menschen, mit großen Schwierigkeiten kämpfen. Griechenland, das sind nicht nur die reichen Reeder, sondern das sind in der überwältigenden Zahl normale Familien, die versuchen, über die Runden zu kommen.  Es ist nicht zu bestreiten, dass es angesichts dieser Situation auch gelegentliche Ressentiments gibt. Die Rolle der Medien – auf beiden Seiten – ist dabei nicht immer hilfreich. Mit der im August erfolgten Einigung auf ein neues, dreijähriges Anpassungsprogramm hoffe ich, dass nun die Grundlage für mehr Stabilität geschaffen ist. Und dass Griechenland wieder zu Wachstum und zu mehr Beschäftigung findet. Im übrigen ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass eine große Zahl junger, motivierter Menschen bereit ist, den Kurs der Modernisierung des Landes, hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, mitzutragen und ihren Beitrag zu leisten.

 

Ein zweites dominierendes Thema ist natürlich die Migration. Griechenland ist das mit Abstand am meisten betroffene Ersteinreiseland der EU. Man schätzt die Zahl der 2015 erfolgten illegalen Einreisen nach Griechenland auf über 400.000, was eine enorme zusätzliche Herausforderung für das Land darstellt. Da Deutschland andererseits das Hauptzielland ist, ist es nur konsequent, wenn unsere beiden Länder hier besonders eng kooperieren.

 

Was verbindet Ihr Gastland mit Deutschland auf besondere Weise und in welchen Feldern würden Sie die Beziehungen gern weiter vertiefen?

Historisch gesehen verbindet Griechenland und Deutschland zunächst die Rezeption des Hellenismus in der deutschen Klassik des 18. Jahrhunderts. Der Begriff des „Philhellenismus“ steht  für die Entdeckung des antiken Griechenlands, auch als Grundlage der eigenen Kultur. Nicht zufällig wurde die erste Außenstelle des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen errichtet. Auf griechischer Seite gibt es natürlich die Verbindung über die Regentschaft des Wittelsbacher Königs Otto von 1830-1862. Im 20. Jahrhundert gab es das dunkle Kapitel der deutschen Besatzung mit ihren grausamen Konsequenzen. Die Zahl der Opfer schwankt, aber wird auf mindestens 100.000 geschätzt. In der Nachkriegszeit vertieften sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern durch die Migration vieler Griechen nach Deutschland, und insbesondere auch über die Rolle der damaligen Bundesrepublik als Plattform für die Opposition gegen die Diktatur.

 

Über die Jahrzehnte sind vor diesem Hintergrund intensive und vielfältige Beziehungen entstanden. Deutschland ist der drittgrößte Handelspartner für Griechenland, in Griechenland sorgen über 120 deutsche Unternehmen für mehr als 30.000 Arbeitsplätze. Griechenland ist ein Magnet für deutsche Touristen. Im Jahr 2015 gab es – ungeachtet der Krise – erneut einen Besucherrekord.

 

Im Lichte der Entwicklungen während der Krise würde ich mir wünschen, dass wir noch mehr in das eigentliche Fundament der bilateralen Beziehungen investieren, nämlich in den  Austausch zwischen den Menschen, und hier insbesondere der Jugendlichen. Die Generation der ehemaligen „Gastarbeiter“ ist ja nun etwas in die Jahre gekommen und es sollten mehr griechische Jugendliche die Möglichkeit haben, unser Land kennenzulernen. Umgekehrt würde ich mir wünschen, dass auch mehr deutsche Jugendliche Griechenland wirklich kennenlernen, über den touristischen Aufenthalt  hinaus. Nur so können wir langfristig verhindern, dass sich Stereotypen festsetzen, die beiden Seiten nicht gerecht werden. Einen besonderen Ansatz sehe ich übrigens auf dem Gebiet des kulturellen Austausches. Das Interesse in Griechenland an der deutschen Kulturszene ist ausgesprochen hoch. Die wichtigsten deutschen Theatermacher, Filmregisseure und Autoren sind den Kulturschaffenden hier in Griechenland sehr geläufig. Umgekehrt gibt es hier in Griechenland eine unglaublich aktive und kreative Kulturlandschaft, von der ich mir wünsche würde, dass sie stärkere Aufmerksamkeit in Deutschland finden würde. Allein in Athen gibt es über 100 Theater, es gibt unzählige Film- und Musikfestivals. Ich würde gerne dazu beitragen, dass die Deutschen hier mehr Neugier entwickeln; sie werden nicht enttäuscht werden.

 

Wie würden Sie die Stimmung in der Bevölkerung - auch gegenüber Deutschland - beschreiben? Auffällig ist, dass sich zumindest in den deutschen Medien viele hochrangige Griechen in fließenden Deutsch zur Krise äußern. Lässt das auf eine gewisse Nähe schließen?

Ja, es trifft zu: Trotz aller politischen Auseinandersetzungen stelle ich immer wieder eine große Nähe zu Deutschland fest. In den griechischen Hauptnachrichten werden allabendlich die Kommentare und Reaktionen der deutschen Medien ausführlich wiedergegeben. Die Namen der Pressesprecher der deutschen Bundesressorts sind den politisch Interessierten hier geläufig. Was die Stimmung in der Bevölkerung angeht, so muss man zunächst daran erinnern, dass die Griechen ein zutiefst gastfreundliches  Volk sind. In dieser Tradition wird der Fremde besonders großzügig behandelt. Dieselben Menschen, die in einer politischen Diskussion gerade Deutschland kritisieren, kommen oft danach auf einen zu und laden zum Essen ein. Ich finde in Griechenland sehr angenehm, wie man hier klar zwischen der abstrakten Diskussion einerseits und dem menschlichen Verhältnis andererseits zu unterscheiden weiß. Ich selbst werde, nicht nur von Regierungsseite, sondern in allen Begegnungen mit Menschen sehr offen und freundlich behandelt. Im Grundsatz wird Deutschland als ein verlässlicher und starker Partner in Europa wahrgenommen. Man respektiert unsere Wirtschaftskraft und Dynamik, man bewundert unseren Bürgersinn und unsere kulturelle Vielfalt. Die Hauptstadt Berlin wirkt wie ein Magnet und zieht viele Besucher an. Viele Akteure kennen Deutschland ja auch sehr gut. Zwei der Premierminister in den letzten 15 Jahren sprechen fließend Deutsch, die ehemalige Außenministerin Dora Bakoyanni hat in München studiert, und so gibt es viele Griechen, die gern gesehener Gast in deutschen Talkshows sind.

 

 

2014 wurde ein Deutsch-Griechisches Jugendwerk beschlossen. Was sind die Hintergründe und Ziele? Wie weit ist das Projekt gediehen?

Am 12. September 2014 wurde im Beisein von Bundespräsident Gauck und des damaligen griechischen Präsidenten Karolos Papoulias in Berlin der Grundstein zur Errichtung eines gemeinsamen Jugendwerks gelegt. Das Jugendwerk soll eine gemeinsam von Griechenland und Deutschland getragene Einrichtung sein und das gegenseitige Verständnis füreinander stärken. Dabei geht es in erster Linie um den Austausch von Jugendlichen aus Deutschland und Griechenland. Dies kann zum Beispiel geschehen in Form von Schulpartnerschaften, in Ausbildungsaufenthalten sowie im Rahmen von Programmen der Kirchen und zivilgesellschaftlicher Träger. Das Jugendwerk soll die Freundschaft und den Zusammenhalt gerade der jungen Menschen sichern.

 

Das deutsch-griechische Jugendwerk ist keine Einbahnstraße. Es soll deutschen Jugendlichen den direkten Kontakt mit den Menschen in Griechenland ermöglichen, um so Freundschaften für das ganze Leben zu schließen. Und griechische Jugendliche sollen ebenfalls Deutschland und seine Menschen direkt kennenlernen. In den Kontakten sollen auch die dunklen Kapitel unserer gemeinsamen Vergangenheit angesprochen und thematisiert werden. Wichtig ist, Stereotypen abzubauen und ein ehrliches Bild über den Anderen zu gewinnen. So können wir auch dazu beitragen, die oft verzerrende Medienberichterstattung zu korrigieren.

 

Aber es geht auch darum, die Mobilität und Flexibilität der jungen Generation durch den Austausch zu fördern und ein fundiertes Verständnis füreinander zu entwickeln, bei kulturellen und sportlichen, aber auch bei politischen und historischen Themen.

 

Nach den guten Erfahrungen mit dem deutsch-französischen Jugendwerk und dem deutsch-polnischen Jugendwerk bin ich davon überzeugt, dass auch das deutsch-griechische Jugendwerk ein Erfolg wird. Wichtig ist mir darauf hinzuweisen, dass das deutsch-griechische Jugendwerk sein eigenes Profil und Agenda haben wird. Mein Wunsch ist es, dass wir die Aktivitäten auf die konkreten Anliegen und Situationen in beiden Ländern ausrichten, auch hinsichtlich der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

 

Häufig unterscheiden sich Innensicht und Außensicht eines Landes. Was muss nach Ihren persönlichen Erfahrungen mal über Griechenland gesagt werden?

Der Großteil der Menschen in Griechenland arbeitet hart, und versucht die Belastungen durch die Krise aufzufangen. Das wäre nicht möglich ohne einen sehr ausgeprägten Familiensinn. Ich kenne Fälle, in denen ein Beschäftigter mit seinem Gehalt  mehrere arbeitslose Familienmitglieder miternährt. Diese natürliche Solidarität der Familien, die ohne große Worte daherkommt, finde ich sehr beeindruckend. Darüber lohnte es mehr zu sprechen.

 

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