Zum Hauptinhalt springen

Die Kanzlerkandidaten

Persönlichkeiten im Porträt: Angela Merkel und Martin Schulz kandidieren für das Amt des deutschen Regierungschefs.

Johannes Göbel, 28.08.2017
Kanzlerkandidaten: Martin Schulz und Amtsinhaberin Angela Merkel
Kanzlerkandidaten: Martin Schulz und Amtsinhaberin Angela Merkel © dpa

Die Amtsinhaberin: Angela Merkel

Angela Merkel
Angela Merkel © dpa

„Selbst wenn sie unbeholfen und schüchtern war, man konnte ihre Energie, ihre Kraft von Anfang an spüren.“ So hat die Fotografin Herlinde Koelbl ihren Eindruck von der jungen Politikerin Angela Merkel dem „Time Magazine“ geschildert, für das große Porträt der Bundeskanzlerin als „Person des Jahres 2015“. Viele verbinden die zurückhaltende und dennoch entschiedene Art Angela Merkels mit ihren beruflichen Anfängen in den Naturwissenschaften, in denen nüchterne Analysefähigkeit gefragt ist.

Die 1954 geborene Merkel ist promovierte Physikerin und arbeitete in der DDR lange Zeit an der Ost-Berliner Akademie der Wissenschaften. Als die DDR 1989 die dramatische politische Wende erlebte, engagierte sich Merkel im Zusammenschluss „Demokratischer Aufbruch“ und wechselte kurz vor der deutschen Wiedervereinigung im Oktober 1990 zur Christlichen Demokratischen Union Deutschlands (CDU) – deren Parteivorsitz sie im Jahr 2000 übernommen und bis heute inne hat.

Unter Kanzler Helmut Kohl wurde Angela Merkel in den 1990er-Jahren Bundesministerin; zunächst leitete sie das Ressort Frauen und Jugend, später das Umweltministerium. Die Wahl zur Bundeskanzlerin 2005 und eine mittlerweile zwölfjährige Amtszeit hatten ihr viele erst nicht zugetraut, auch aufgrund ihres eher abwartenden Politikstils. Umso mehr Aufsehen erregte 2015 ihre Entscheidung, die Grenzen Deutschlands für Flüchtlinge zu öffnen.

Angela Merkel hat Deutschland verändert – und ihre Partei, die konservative CDU. Bahnbrechend war beispielsweise ihre Entscheidung für die Energiewende und ihre grundsätzliche Offenheit für die „Ehe für alle“. Zugleich steht Angela Merkel für Konstanz. So will sie im Fall eines Wahlsiegs die erfolgreiche Wirtschaftspolitik ihrer Regierung fortsetzen und auf dem Arbeitsmarkt Vollbeschäftigung erreichen. Als eine der am längsten amtierenden Regierungschefinnen der Welt wird sie als internationale Partnerin besonders geschätzt.

Der Herausforderer: Martin Schulz

Martin Schulz
Martin Schulz © dpa

Martin Schulz ist leidenschaftlich. Das gilt bei dem ehemaligen Abwehrspieler und gelernten Buchhändler nicht nur für Fußball und Literatur, sondern ganz besonders für die Politik. Und noch einmal speziell für Europa: Von 2012 bis 2017 war Schulz Präsident des Europäischen Parlaments, dem er bereits seit 1994 angehört hatte.

Er hat die Rolle des Europaparlaments gestärkt und ihm immer wieder Aufmerksamkeit verschafft. So verteidigte er die europäische Idee gegen nationalistische Tendenzen und rechtspopulistische Kräfte oder stritt gegen Demokratieabbau. Nach dem gescheiterten Putschversuch gegen die türkische Regierung und Staatspräsident Erdoğan im Juli 2016 reiste Schulz als erster ranghoher EU-Politiker in die Türkei. Im Europaparlament hat ihm die Fähigkeit, bei aller Leidenschaft parteiübergreifend Kompromisse zu finden, viele Sympathien gebracht.

1987, mit nur 31 Jahren, wurde Schulz Bürgermeister von Würselen, seiner Heimatstadt nahe der Grenzen zu Belgien und den Niederlanden. Schon als Lokal- und Regionalpolitiker setzte er sich für europäischen Zusammenhalt ein, etwa für den Ausbau der Städtepartnerschaft mit dem französischen Morlaix. Dass er auf Menschen zugehen und sie begeistern kann, bewies er auch zum Start seiner Kampagne als Kanzlerkandidat. Im Internet kreierten Anhänger sogar einen Hype um „The Schulz“: Auf der Plattform Reddit wird der Kandidat humorvoll mit Meme-Bildern zur Ikone stilisiert. Mit einer Zustimmung von 100 Prozent wählte ihn die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) im März 2017 zu ihrem neuen Vorsitzenden.

Das Thema soziale Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt von Schulz‘ Wahlkampf, etwa wenn er sich für den europäischen Haushalt als „Solidarpakt“ stark macht oder Arbeitnehmern ein „Chancenkonto“ für Weiterbildung und Existenzgründung finanzieren will. Für Martin Schulz, der aus einfachen Verhältnissen stammt, ist das eine Herzensangelegenheit.

© www.deutschland.de