Zum Hauptinhalt springen

Interview mit dem Schriftsteller Rafik Schami

Vor mehr als 30 Jahren floh er aus Syrien nach Deutschland. Heute hilft er Landsleuten, die in Flüchtlingslagern leben. DE-Interview mit dem Schriftsteller Rafik Schami:

Helen Sibum, 06.03.2015
© dpa/Wolfram Steinberg - Rafik Schami

Herr Schami, Sie haben einmal geschrieben: „Immer, wenn ich aufwache, denke ich zuerst an Damaskus.“ In jüngster Zeit mussten wieder unzählige Menschen aus Syrien fliehen. Sie engagieren sich für sie. Empfinden die „neuen“ Flüchtlinge ähnlich?

Exil ist immer eng verbunden mit dem individuellen Schicksal. Ich kenne keine zwei Menschen, die ihre Situation im Exil ähnlich erleben. Doch es gibt auch große Gemeinsamkeiten: Alle Syrer teilen die Erfahrung, dass ihr Land und ihre Kultur zerstört werden. Die Mehrheit von ihnen möchte lieber heute als morgen nach Hause zurückkehren. Gemeinsam ist ihnen auch die Trauer um so viele schöne Städte, die in Ruinen liegen, und um so viele Menschen, die sterben mussten.

 

Wie helfen Sie syrischen Flüchtlingen konkret?

Indem ich die Öffentlichkeit ununterbrochen und unermüdlich auf ihr Schicksal aufmerksam mache. Die Welt vergisst schnell, und Gleichgültigkeit ist der größte Feind der Flüchtlinge. Gemeinsam mit Freunden habe ich in Tübingen den Verein „Schams“ gegründet. Wir helfen Kindern und Jugendlichen in den Flüchtlingslagern, vor allem im Libanon, in der Türkei und in Jordanien. Durch Benefizveranstaltungen, Spenden und Aktionen können wir ein paar von ihnen das Leben etwas weniger schwer machen. Zusammen mit lokalen Organisationen sorgen wir dafür, dass Flüchtlingskinder Unterricht, psychologische Betreuung, Essen und Medikamente bekommen. Geld ist aber nur die eine Seite, am wichtigsten ist das Mitgefühl.

 

In Deutschland haben viele Menschen Initiativen gegründet, um Menschen zu helfen, die hierher geflohen sind. Wie erleben Sie dieses Engagement, was bedeutet es Ihnen?  

Hilfe für Flüchtlinge in jeder Form ist ein Ausdruck von Solidarität, ein Beweis, dass Menschen Brüder und Schwestern sind. Jede Hand, die Hilfe anbietet, jeder Pullover, der vor Kälte schützt, ist hervorragend. Niemand soll denken, dass seine Hilfe zu klein ist. Die Deutschen sind besser als ihr Ruf, sie helfen mit allen Mitteln. Sprache ist ein Schlüssel zum neuen Land, deshalb ist gerade Unterstützung beim Deutschlernen wichtig. Man darf aber nicht zu hohe Erwartungen haben, nicht immer führt schnelle Hilfe zu schnellem Erfolg. Großzügigkeit muss stets einhergehen mit Geduld.

 

www.schams.org

© www.deutschland.de