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„Soziale Sicherung verbessern“

UN-Nachhaltigkeitsziele: Was jetzt und in Zukunft getan werden muss, erklärt UN-Wissenschaftlerin Gabriele Köhler.

Sabine Balk, 15.09.2023
Expertinnen und Experten untersuchen den Boden in Ruanda.
Expertinnen und Experten untersuchen den Boden in Ruanda. © picture alliance / imageBROKER

Die Halbzeitbilanz der Agenda 2030 fällt ernüchternd aus. Um bis 2030 die 2015 von den Vereinten Nationen beschlossenen Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) umzusetzen, sind enorme Anstrengungen erforderlich. „Es ist Zeit, noch entschlossener zu handeln“, sagt Deutschlands Entwicklungsministerin Svenja Schulze. Die Entwicklungsökonomin Gabriele Köhler vom Forschungsinstitut der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung (UNRISD) spricht darüber, wo besonders schnell gehandelt werden muss und was nach dem Jahr 2030 geschehen sollte.

Entwicklungsökonomin Gabriele Köhler
Entwicklungsökonomin Gabriele Köhler © privat

Frau Köhler, bei welchen Zielen der Agenda 2030 besteht besonderer Handlungsbedarf?

Die Ziele, Armut, Hunger, unfaire Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung zu überwinden, sind besonders gefährdet. 2,4 Milliarden Menschen sind täglich unsicher, ob sie überhaupt genügend Nahrungsmittel haben. Deswegen müssen alle Staaten die soziale Sicherung verbessern. Die rund 60 hochverschuldeten, einkommensarmen Länder brauchen einen stringenten Schuldenerlass, damit sie ihren sozialen Aufgaben nachkommen können.

Außerdem müssen UN-Organisationen wie das Kinderhilfswerk UNICEF, das Flüchtlingskommissariat UNHCR und das Welternährungsprogramm WFP, die bei Katastrophen und Hungersnöten einspringen, eine ausreichende und verlässliche Finanzierung bekommen.

Was muss nach 2030 passieren? Braucht es eine neue Agenda?

Ideal wäre es, eine Nachfolge-Agenda zu verabschieden, die die Prinzipien der Allgemeinen Menschenrechtserklärung und die UN-Charta als unabdingbar stellt. Sie sollte zudem den Vereinten Nationen mehr Handhabe geben, bei Angriffs- und Bürgerkriegen friedliche Konfliktlösungen zu initiieren. Wir bräuchten auch eine ehrliche Ursachenanalyse: Wem nützt, wem schadet die Globalisierung? Wie könnten wir anders wirtschaften? Das muss in Deutschland und den 193 Mitgliedsstaaten der UN unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger diskutiert werden.

Eine Menschheitsaufgabe bleibt der Klimaschutz. Könnte im Kampf gegen den Klimawandel der European Green Deal, mit dem Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden will, Vorbild für andere Kontinente sein?

Als Anspruch und Ansporn ist der European Green Deal zu begrüßen. Ich hoffe, dass die EU zudem eine fortschrittliche Lieferkettenrichtlinie verabschiedet. Das würde den Green Deal ergänzen, da diese Richtlinie Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit und Schutz des Klimas und der Biodiversität entlang der Produktionsketten europäischer Unternehmen verankern würde und dadurch andere Länder anregen könnte, nachzuziehen.