Wie die globalen Klimaziele erreichbar bleiben
Der zehnte Berlin Energie Transition Dialogue (BETD24) diskutiert die konkrete Umsetzung der COP28-Ziele und die dafür nötige Finanzierung erneuerbarer Energien.
Die Energiewende ist eine globale Herausforderung, ihre Umsetzung aber muss lokal erfolgen. Und die kann von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. Spräche er zu einem afrikanischen Publikum, so Namibias Energieminister Tom K. Alweendo auf dem großen Eröffnungspanel des diesjährigen zehnten Berlin Energy Transition Dialogue, „dann würde sich die Hälfte fragen: Über welche Energy Transition sprechen wir hier eigentlich? Wir haben ja gar nichts, was wir transferieren könnten.“
Worauf Alweendo unter allgemeiner Zustimmung im vollbesetzten Weltsaal des Auswärtigen Amtes anspielte: Während die reichen Industrieländer in Rekordtempo von fossilen auf erneuerbare Energieträger umstellen (2023 eine Steigerung von 50 Prozent), leben in Afrika immer noch weit über eine Million Menschen ohne jeden Zugang zu Elektrizität. Ein beunruhigendes Ungleichgewicht, das wenig später Fatih Birol, Exekutivdirektor der internationalen Energieagentur IEA durch eine weitere Zahl belegte: Nur ein Prozent des weltweit produzierten Solarstroms komme aktuell aus Afrika. „Das ist so viel, wie das kleine, nordeuropäische Land Belgien derzeit produziert“, so Birol.
Klimaschutz meint Schutz menschenwürdigen Lebens
Die Lösung kann nur sein, stärker auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Länder und Regionen einzugehen. Unter dem Motto „Accelerating the Global Energy Transition“ widmet sich die Konferenz der wichtigen Frage, wie die ehrgeizigen Ziele der letzten Weltklimakonferenz COP 28 nun auch umgesetzt werden können. Die COP28 habe mit ihrem staatenübergreifenden Bekenntnis zum Ende des fossilen Zeitalters zwar Beeindruckendes geleistet, sagte Außenministerin Annalena Baerbock in ihrer Keynote zur Konferenz. Insbesondere die angestrebte Verdreifachung des weltweiten Ausbaus von erneuerbaren Energien bis 2030 sei ein wichtiges Zwischenziel, um die globale Erwärmung zu begrenzen. Jetzt komme es darauf an, Erneuerbare Energien zu implementieren, wo immer es geht. „Die Frage ist, wie wir uns gegenseitig unterstützen können, damit der Ausbau vorankommt.“
Das bedeutet aber auch, der Vielschichtigkeit des Klimaschutzes Rechnung zu tragen. Klimaschutz meint nicht den Schutz des Klimas, so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in seinen einleitenden Worten. „Dem Klima selbst ist es egal, ob es am Ende um ein paar Grad wärmer ist. Worum es eigentlich geht, ist der Schutz menschenwürdigen Lebens.“ Und hierbei komme eben auch stark die soziale Komponente der Energiewende zum Tragen. „Unser Hauptziel muss es sein, Wohlstand mit Dekarbonisierung zusammenzubringen“, so Habeck. Dafür leiste Deutschland mit seinen weltweiten Energiepartnerschaften einen wichtigen Beitrag.
Für viele Klimaprojekte gilt: Kleiner ist schneller
Wie kann das gelingen? Die Senegalesin Ndiarka Mbodji plädiert für einen Perspektivwechsel bei der Finanzierung von Klimaprojekten. Ihr Unternehmen Kowry Energy Services installiert Solarstromanlagen in ländlichen Regionen in Subsahara-Afrika. „Wir müssen kleiner und lokaler denken“, sagt sie. „Die bisher üblichen Finanzierungswege über ausländische Entwicklungsfonds dauern mit durchschnittlich 12 bis 36 Monate dauernden Bewilligungsfristen viel zu lang. Stattdessen müssen wir die lokalen Banken befähigen, Kredite an Projekte vor Ort zu vergeben.“ Viele rasch bewilligte, kleinere Projekte kämen am Ende zu einem besseren Ergebnis als langwierige Großvorhaben. Aktuell realisiert Kowry solarbetriebene Wasserpumpen im ländlichen Gambia. 1.000 dieser Einheiten wurden bereits installiert. „In diesem Fall ist kleiner schneller“, sagt sie. Auch die Nigerianerin Glory Oguegbu setzt auf die niedrigschwellige Bereitstellung erneuerbarer Energien in lokalen Kontext. Mit ihrem Unternehmen Renewable Energy Technology Training Institute (RETTI) bildet sie Fachkräfte für die Installation von Solaranlagen aus, rund 25.000 Familien erhielten dadurch bereits Zugang zu Elektrizität.
Ein Wort fällt in diesem Zusammenhang immer wieder: Derisking. Als Hauptgrund für den nach wie vor erschreckend geringen Ausbau erneuerbarer Energien in Afrika werden die ebenfalls geringen privatwirtschaftlichen Investitionsvolumina in diesem Bereich identifiziert. Erfolge stellten sich dann ein, wenn es gelinge, das Risiko für solche Kapitalflüsse zu reduzieren, berichtet etwa Bhupinder Singh Bhalla, Staatssekretär im indischen Energieministerium. Sein Land sei gerade auch deshalb so erfolgreich beim Ausbau erneuerbarer Energien, weil man es geschafft habe, dem Privatsektor durch eine hohe Transparenz der Kapitalströme die Scheu vor Investitionen zu nehmen.
IRENA: Ausbau immer noch zu langsam
Neue Wege in der Finanzierung werden auch deshalb dringend gebraucht, weil das Ausbautempo bei der Implementierung Grüner Energie trotz des Rekordjahrs 2023 immer noch zu langsam ist. Statt der erzielten 473 Gigawatt Leistung wären bis 2030 jährlich 1.000 GW nötig, um den weltweiten Temperaturanstieg auf unter 1,5 Grad zu halten. Dies formuliert die Internationale Organisation für erneuerbare Energien IRENA in einem auf dem BETD vorstellten Sonderbericht.
Atomkraft übrigens sieht auf dem BETD24 kaum jemand als Option. „Uns läuft schlicht die Zeit davon“, so IRENA-Direktor Francesco La Camera. „Wir brauchen schnell Resultate. Und die liefern uns nur die erneuerbaren Energien.“