Ernährung sichern – mit Daten
Gemeinsam gegen Hunger und Mangelernährung: Ein neues deutsch-afrikanisches Zentrum in Südafrika setzt auf Daten, Kooperation und Nachwuchs für mehr Ernährungssicherheit.

Wie lassen sich Hunger und Mangelernährung in Afrika und der Welt dauerhaft bekämpfen? Und welche Rolle können moderne Datenanalysen dabei spielen? Die Universität Hohenheim geht diesen Fragen gemeinsam mit vier Hochschulpartnern in Südafrika und Malawi auf den Grund. Mit dem Aufbau des neuen Fachzentrums für nachhaltige und resiliente Ernährungssysteme und Agrar- sowie Ernährungsdatenwissenschaften (UKUDLA) in Südafrika unterstreichen die Kooperationspartner ihr zukunftsweisendes Engagement. Das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aus Mitteln der Bundesregierung und von südafrikanischen Ministerien geförderte Zentrum soll nicht nur Expertise bündeln, sondern auch nachhaltige Lösungen für die Ernährungssicherheit in Afrika und darüber hinaus entwickeln. Über Ziele, Herausforderungen und die Zusammenarbeit sprechen Prof. Dr. Christine Wieck und Dr. Marcus Giese von der Universität Hohenheim mit deutschland.de. Wieck leitet das Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik, Giese ist Projektmanager des Fachzentrums.
Frau Professorin Wieck, Herr Dr. Giese, das neue Fachzentrum soll nachhaltiger Ernährung in Afrika einen Schub verleihen. Wie soll das Zentrum in den kommenden Jahren Gesellschaft, Forschung und Politik prägen?
Wieck: Unser Ziel ist es, wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland und Afrika auszubilden, der evidenzbasierte Lösungen für Politik und Gesellschaft in Subsahara-Afrika entwickelt. Ich würde mir wünschen, in ein paar Jahren auf Fachleute zu treffen, die sagen: „Das Zertifikatsprogramm am Fachzentrum hat mir die Augen geöffnet für datenbasierte Entscheidungsfindung.“
Die jungen Talente sollen mit ihrem Wissen selbst zu Impulsgebern werden.
Giese: Wir wollen Strukturen und Netzwerke schaffen, die langfristig bestehen – über Forschungsprojekte, Stipendienprogramme und Austausche für Masterstudierende, Doktoranden und Postdocs. Diese jungen Talente sollen mit ihrem Wissen selbst zu Impulsgebern werden.
Wie ist die Idee zum neuen Fachzentrum entstanden?
Wieck: Die Kooperationen zwischen der Universität Hohenheim und afrikanischen Partneruniversitäten bestehen schon länger, auch weil viele afrikanische Studierende bei uns forschen und studieren. Die Initialzündung war dann eine Ausschreibung des DAAD, auf die wir mit einem etablierten Konsortium aus Partnern in Südafrika und Malawi reagieren konnten. Bei der Antragstellung haben wir bewusst die Komponente der Datenwissenschaft gestärkt, da diese für nachhaltige Ernährungssysteme immer wichtiger wird.
Ernährungssysteme sind ein breiter Begriff. Was genau meinen Sie damit?
Wieck: Agrar- und Ernährungssysteme umfassen nicht nur die landwirtschaftliche Produktion oder einzelne Wertschöpfungsketten, sondern meinen das Zusammenspiel von Produktion, Umwelt, Gesellschaft und Ernährung. Ziel ist es, diese Systeme nachhaltig und widerstandsfähig gegenüber Krisen wie dem Klimawandel zu gestalten.
Giese: Durch die Verknüpfung mit Datenwissenschaften entstehen neue Möglichkeiten. Große Mengen an Klima-, Bevölkerungs- oder Verbrauchsdaten können helfen, beispielsweise den Ressourcenbedarf präziser zu steuern oder die Landwirtschaft gezielt an Herausforderungen wie Dürren oder den demografischen Wandel anzupassen.

Warum liegt der regionale Fokus des Zentrums zunächst auf dem südlichen Afrika?
Giese: Zunächst aus Praktikabilität – unsere Partneruniversitäten liegen in Südafrika und Malawi. Doch deren Ernährungssysteme stehen exemplarisch für viele Herausforderungen auf dem gesamten Kontinent. Perspektivisch soll das Zentrum auch für weitere afrikanische Regionen offen sein.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen für diese Ernährungssysteme?
Wieck: Neben dem Klimawandel und Wetterextremen sind es vor allem die Herausforderungen der Ernährungssicherheit, des ökonomischen Wandels und der sozialen Ungleichheit. Trotz Fortschritten gibt es weiterhin massive Probleme – sowohl beim Zugang zu gesunder Nahrung als auch bei der politischen Gestaltung nachhaltiger Ernährungssysteme.
Die Partner in Südafrika ergänzen sich fachlich ideal.
Was macht Ihre vier afrikanischen Partner – die südafrikanischen Universitäten Western Cape, Pretoria und Mpumalanga sowie in Malawi die Universität Lilongwe – so wertvoll?
Wieck: Die Partner in Südafrika ergänzen sich fachlich ideal – von Biotechnologie und Ernährungswissenschaften über Data Science bis hin zu umfassendem Know-how im Bereich Tierhaltung und Farming Systems. Die teils neuen, teils sehr etablierten Universitäten arbeiten schon seit vielen Jahren eng zusammen – und auch wir kooperieren schon länger mit ihnen, das vereinfacht die Partnerschaft sehr.

Und was zeichnet die Universität Hohenheim als deutschen Partner aus?
Giese: Die Uni Hohenheim gehört zu den führenden europäischen Forschungseinrichtungen im Bereich der Agrar-, Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften und bietet gleichzeitig ein umfassendes Wissen zu tropischen Agrar- und Ernährungssystemen. Unsere langjährige Erfahrung mit allein mehr als 80 Forschungsprojekten in Afrika innerhalb der vergangenen zehn Jahre, gebündelte regionale Kompetenz und die breite interdisziplinäre Aufstellung machen uns zu einem verlässlichen Partner. Wichtig ist dabei die Zusammenarbeit auf Augenhöhe: Wir lernen genauso von unseren Kollegen in Afrika, wie sie von uns.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit in der Praxis?
Wieck: Das Zentrum ist keine Einzelinstitution, sondern als Netzwerk und Plattform konzipiert, die die Kompetenzen aller beteiligten Universitäten bündelt. Zentral sind die neu eingerichteten Lehrstühle an zwei südafrikanischen Universitäten, die – finanziert von Deutschland und Südafrika – innovative Forschungsthemen im Bereich Ernährungssysteme und Datenwissenschaften besetzen. Doktoranden, Postdocs und Masterstudierende profitieren von Stipendien und internationalen Austauschprogrammen. Die Forschung findet dezentral an allen beteiligten Standorten und in enger Kooperation statt. Gemeinsame Workshops, digitale Tools und bilaterale Projekte sorgen dafür, dass das Fachzentrum fortlaufend Impulse erhält und der Wissenstransfer zwischen Afrika und Europa zum festen Bestandteil der Arbeit wird.
Wichtig ist die Zusammenarbeit auf Augenhöhe: Wir lernen genauso von unseren Kollegen in Afrika, wie sie von uns.
Eines Ihrer Ziele ist der Transfer Ihrer Forschungsarbeit in die Praxis. Wie stellen Sie sicher, dass Ergebnisse wirklich ankommen?
Giese: Wir setzen auf Dialog: Mit regelmäßigen Workshops und Austauschformaten holen wir die Perspektiven aus Gesellschaft, Landwirtschaft und Politik ins Zentrum. Gleichzeitig wollen wir unsere Forschungsergebnisse gezielt zurückspiegeln, etwa indem wir anwendungsorientierte digitale Tools entwickeln oder Empfehlungen an Entscheidungsträger formulieren.
Welchen gesellschaftlichen Wert sehen Sie im internationalen Wissenschaftsaustausch?
Wieck: Nachhaltige Lösungen für Ernährungssicherheit, Klimaanpassung und Ressourcenmanagement sind globale Herausforderungen. Diese können wir nur in Kooperation, im Austausch und gegenseitigen Lernen bewältigen. Projekte wie unser neues Fachzentrum leisten dazu einen wichtigen Beitrag.
African German Centre for Sustainable and Resilient Food Systems and Applied Agricultural and Food Data Science (UKUDLA)
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) fördert gemeinsam mit deutschen und südafrikanischen Partnern ein neues Fachzentrum in Südafrika. Fünf Projektpartner sind beteiligt: Die Universität Hohenheim, die südafrikanischen Universitäten Western Cape, Pretoria und Mpumalanga sowie in Malawi die Universität Lilongwe. Das UKUDLA beschäftigt sich mit nachhaltigen Ernährungssystemen und nutzt Datenwissenschaften, um die Landwirtschaft zu verbessern. Ziel ist es, Ernährungssysteme zu optimieren und Fachkräfte auszubilden. Gefördert werden Studierende und Forschende aus Deutschland und Afrika. Die Finanzierung des Fachzentrums stammt aus Mitteln der Bundesregierung. Auf südafrikanischer Seite wird die Implementierung des Fachzentrums durch die National Research Foundation (NRF) über Mittel des Department of Science, Technology and Innovation (DSTI) unterstützt. Das Zentrum bündelt die Mittel zu einem umfassenden Förderangebot.