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Ein Jahr nach der Oder-Katastrophe

Im August 2022 wurde der Grenzfluss von einem Fischsterben heimgesucht – Umweltschützer auf beiden Seiten der Grenze sehen die Gefahr noch nicht gebannt.

14.08.2023
Ein Angler am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder
Ein Angler am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder © picture alliance/dpa

Am 9. August 2022 wurde die Umweltkatastrophe in der Oder zum ersten Mal sichtbar, dutzende tote Fische treiben den Fluss hinab. Bis zu 1000 Tonnen Fische und Muscheln starben in den nächsten Wochen, schätzen Forscher heute. Ein Jahr nach der Katastrophe sieht es an der Oder wieder besser aus. Aber deutsche und polnische Umweltschützer machen sich wenig Illusionen über die Nachhaltigkeit der Situation. Viel Regen und hohe Wasserstände sowie niedrigere Temperaturen verringern die Wahrscheinlichkeit einer starken Blüte der giftigen Goldalge. „Es kann sein, dass Vieles von den Problemen weggeschwemmt wird und wir in diesem Jahr Glück haben“, sagt der Fischökologe Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Immerhin geht es den Fischen inzwischen besser. Es gibt viele Jungfische, weil die Fortpflanzungsbedingungen laut Wolter derzeit gut sind.

Massenhafte Vermehrung der Goldalge führte zu Vergiftung

Einig sind sich die Experten inzwischen, was 2022 das große Sterben ausgelöst hat: Es war eine Kombination von zu hohen Salzeinleitungen, zu niedrigem Wasserstand und zu hohen Temperaturen, die zu einer explosionsartigen Vermehrung der giftigen Goldalge (Prymnesium parvum) geführt haben. Das kann jederzeit wieder passieren, denn auch heute noch zeigen die Messungen in der Oder einen deutlich zu hohen Salzgehalt.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke und ihre polnische Kollegin Anna Moskwa 2022 an der Oder
Bundesumweltministerin Steffi Lemke und ihre polnische Kollegin Anna Moskwa 2022 an der Oder © picture alliance/dpa

„Das gesamte Ökosystem der Oder ist nach der Umweltkatastrophe im Sommer 2022 nach wie vor stark geschädigt“, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke der Nachrichtenagentur dpa. Zwei kleinere Fischsterben hat es 2023 bereits gegeben. Mitte Juni waren im Kanał Gliwicki (Gleiwitzer Kanal) und im Kedzierzyn-Kanal fast eine halbe Tonne Fische verendet, wieder war vermutlich das Gift der Goldalge die direkte Ursache. Polens Umweltministerin Anna Moskwa sagte dazu im polnischen Hörfunk, das Risiko einer Wiederholung der Situation von 2022 sei sehr hoch. Auch im Stausee Czernica hatte die regionale Umweltinspektion WIOŚ tote Fische gemeldet. Umweltorganisationen und auch Bundesumweltministerin Lemke gehen davon aus, dass der weiterhin zu hohe Salzgehalt wahrscheinlich auf Abwässer aus der polnischen Bergbauindustrie zurückgeht.

Gemeinsamer Schutzgebietsverbund Unteres Odertal bedroht

Im Nationalpark Unteres Odertal wird regelmäßig kontrolliert, wie sich die Goldalge in den Poldergewässern entwickelt. Bisher seien nur sehr geringe Konzentrationen nachgewiesen worden, sagt Nationalparkleiter Dirk Treichel. Aber dem Fluss fehlt seit der Katastrophe eine wichtige ökologische Stütze: Laut Treichel verendeten etwa 65 Prozent der Großmuscheln. Sie filtrieren das Wasser und sorgen für Lichtdurchlässigkeit. Nun sieht der Fluss auffällig trüb aus. Das Untere Odertal ist Teil eines einzigartigen, grenzüberschreitenden Großschutzgebiets mit der Nationalparkregion Unteres Odertal und den polnischen Landschaftsschutzparks Dolina Dolnej Odry und Cedynia.

Testweise wird die Oder 2023 bei Schwedt befischt.
Testweise wird die Oder 2023 bei Schwedt befischt. © picture alliance/dpa

Uneins sind sich die Anrainer weiter beim von Polen betriebenen Oder-Ausbau, der die Fließgeschwindigkeit erhöht und bei Trockenheit, wie manche Experten meinen, zu noch niedrigeren Wasserständen führen kann. (mit dpa/DW)