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Ökotourismus im Reich des Tigers

Im Nam Et-Phou Louey Nationalpark in Laos sorgen Touristen für mehr Naturschutz. Wir nehmen euch mit in das Schutzgebiet.

Lauralie Mylène Schweiger, 30.09.2022
Ökotourismus im Reich des Tigers
© WCS Laos/NEPL NP

Auf mehr als 2.000 Metern ist von der laotischen Hitze wenig zu spüren, doch die Luftfeuchtigkeit verschont auch hier keinen: Durch dichten Nebel wandern die Besucherinnen und Besucher des Nam Et-Phou Louey Nationalparks (NEPL) mit ihrem Guide Somli Sivilay, während sie alle paar Meter Blutegel wegschnipsen. Die nimmt man für so ein Erlebnis aber gerne in Kauf!

Der sogenannte Wolkenwald-Klettersteig, „Cloud Forest Climb“ zur Spitze des 2257 Meter hohen Phou Loueys gilt als anspruchsvollste Tour. Belohnt werden die Wanderer mit einer atemberaubenden Aussicht auf die unberührte Natur des Regenwaldes und mit etwas Glück auch mit einer außergewöhnlichen Sichtung. So viel vorweg: Tiger bekommt kaum einer zu Gesicht, dafür gibt es aber genügend andere vom Aussterben bedrohte Tierarten. Später wird es am Lagerfeuer noch Essen geben, das die Tour-Begleiter größtenteils auf dem Weg sammeln.

Wissensvermittler: Guide Somli Sivilay
Wissensvermittler: Guide Somli Sivilay © WCS Laos/NEPL NP

Somli Sivilay ist in der Houaphan-Provinz in Ost-Laos aufgewachsen, die von dichten Bergwäldern und geschützten Gebieten geprägt ist. Im Nam Et-Phou Louey Nationalpark leben die Menschen vorwiegend als Selbstversorger und im Einklang mit der Natur. Viele Jahre prägten Wilderei und illegale Waldrohdung das Reservat – für die Menschen eine existenzielle Bedrohung, weil sie vom Bestand der Ressourcen abhängig sind. Seit der Einführung des Ökotourismus im Jahr 2010 ist die Natur wieder in den Händen der Bewohner. Diese nachhaltige Form des Reisens zielt darauf, die häufig negativen Folgen von Tourismus zu verringern. Stattdessen wird der Naturschutz unterstützt und Wissen über das jeweilige Gebiet vermittelt.

Wie funktioniert der Ökotourismus?

Das Projekt ist eine Win-Win-Situation für Touristen, Natur und Bewohner: Wer einen der Trails bucht, zahlt in den „Ecotourism Benefit Fonds“. Das Geld geht größtenteils direkt an die Menschen in der Region, die sich dafür wiederum für den Naturschutz stark machen. Das wird durch Bildung der Bevölkerung zum Naturerhalt erreicht: Seit einigen Jahren gibt es einen gezielten Umgang mit Ressourcen in der Landnutzung. Patrouillenteams kontrollieren das Gebiet streng. Bei den Touren gibt es für jede Tiersichtung, egal ob live oder in den Fotofallen, die bei Tierbewegung auslösen, zusätzliche Bonuszahlungen für die Einheimischen aus dem Fond. Dass das Schutzgebiet nun den Tieren überlassen wird, macht sich bemerkbar: Knapp vier Jahre nach der Einführung wurden mit einem Anstieg von 63 Prozent deutlich mehr bedrohte Arten gesichtet. Darunter ist zum Beispiel auch der asiatische Rothund: „Der wird ganz oft vergessen, weil alle immer nur an den Tiger denken“, sagt die Beraterin für Ökotourismus im Nationalpark, Janina Bikova.

 Seltenes Vergnügen: Der Rothund auf der Kamerafalle
Seltenes Vergnügen: Der Rothund auf der Kamerafalle © WCS Laos/NEPL NP

Unterstützer sind dabei unter anderem die Europäischen Union und die KfW Entwicklungsbank. Gemeinsam mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützte die KfW die laotische Regierung dabei, Strategien für Wald- und Klimaschutz umzusetzen. Dank des Projekts wurden im Nationalpark mit Unterstützung der Wildlife Conservation Society (WCS) ein starkes Verwaltungsteam aufgebaut, das die Aktivitäten für den Naturschutz managt.

Gemeinsam handeln – im Dienst der Natur

Zu ihnen gehört neben Janina Bikova auch Souvit Chuekongya. Er ist seit 2015 Beauftragter für Ökotourismus im NEPL und hat, so wie Somli Sivilay, ein nationales Training als Touristenführer in der Hauptstadt Vientiane absolviert. Solche Trainings bietet der Nationalpark mit Unterstützung vom WCS auch für Ranger, die gegen illegale Handlungen vorgehen. Auch das Umweltwissen der Einheimischen wird durch Ökotourismus finanziert, um sie auf Schutzaktivitäten vorzubereiten. Dafür ist das Gebiet in eine strikte Schutzzone und eine kontrollierte Nutzungszone unterteilt. Letztere lässt eingeschränkte Landwirtschaft für die Einwohner zu, der Erhalt der Schutzzone wird von den Rangern überwacht. Chuekongya sagt, die Region habe sich seit der Einführung von Ökotourismus verändert: „Vorher haben die Dorfbewohner zum Verkauf gejagt oder einfach, um ihre Familie zu ernähren.“

Souvit Chuekongya kontrolliert den Tierbestand mit Kamerafallen
Souvit Chuekongya kontrolliert den Tierbestand mit Kamerafallen © WCS Laos/NEPL NP

Mittlerweile sind mehr als 150 Familien aus 26 Dörfern Teil des Projekts. Frühere Jäger sind jetzt Guides, Pförtner, Köche oder Bootsführer. „Es darf aber nur eine Person pro Haushalt in einer der Servicegruppen beteiligt sein – damit die größeren Familien nicht mehr profitieren als andere“, erklärt Chuekongya. Ökotourismus ist für sie, neben vorwiegend landwirtschaftlicher Arbeit, eine zusätzliche Einnahmequelle. Er soll vor allem illegale Aktivitäten einschränken und keine Abhängigkeiten schaffen.

Einheimische tragen auf verschiedene Weise zum Ökotourismus bei
Einheimische tragen auf verschiedene Weise zum Ökotourismus bei © WCS Laos/NEPL NP

Urlaub auf Bäumen und über den Wolken

Dank der Unterstützung des WCS konnten in den letzten Jahren weitere Ökotourismus-Angebote aufgebaut werden. Ein Highlight ist die 24-stündige Nam Nern Night Safari. Parkbesucher übernachten in traditionellen Bungalows, wobei sie einiges über das Leben der Menschen und ihre Geschichten erfahren, und befahren in der Nacht den Fluss Nam Nern. Hier ist die Chance am höchsten, Wildtiere zu sichten. Die Tour wurde bereits zweifach mit dem „World Responsible Tourism Award“ ausgezeichnet.

Bis zu drei Tage dauert der „Nest Trek“, dessen Höhepunkt die Übernachtung in von Bäumen hängenden Körben ist. Nahe des Camps gibt es eine Salzleckstelle, an dem ein Beobachtungsturm errichtet wurde. „Insbesondere im Morgengrauen fühlen sich hier viele Tiere ungestört. Sambarhirsche kommen gerne dort hin“, sagt Chuekongya. Auch Muntjaks, eine kleinere asiatische Hirschart, Warane und Stachelschweine können die Besucher beobachten.

Übernachtungen finden in solchen Nestern statt
Übernachtungen finden in solchen Nestern statt © LaurenKanaChan_Face2Hearts_EU

Die größte Herausforderung ist der fünftägige „Cloud Forest Climb“. Nicht ohne Grund heißt es „Wolkenwald“, denn die Gipfeltour führt durch einen langen Wald aus dichtem Nebel. Wer diese Tour gebucht hat, dringt tief in die strikte Schutzzone. Am Ende jeder Tour gibt es handgewebte Schals als Erinnerung. Für die Menschen im NEPL ist es wiederum das größte Geschenk, wenn viele Touristen kommen. Touristen, die die Natur wertschätzen und von ihr lernen wollen.

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