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Pro & Contra

Bargeld abschaffen?

Wirtschaftsjournalistin Sophie Schimansky will am liebsten nur noch digital bezahlen, Geschäftsmann Friedemann Berg sieht im Bargeld ein Stück Freiheit.

28.05.2025
Pro & Contra
© photoschmidt

Sophie Schimansky
© privat

Pro

„Durch mobiles Zahlen haben ich einen besseren Überblick über meine Ausgaben.“

Sophie Schimansky ist freie Wirtschaftsjournalistin.

Friedemann Berg
© privat

Contra

„Bargeld schützt die Privatsphäre und schafft Unabhängigkeit.“

Friedemann Berg ist Vorsitzender des Bundesverbands „Bargeld zählt“.

Bargeld: Man hat es selten passend und die vielen Münzen im Portemonnaie nerven auch ganz schön – oder?

Sophie Schimansky

Mich nervt das ziemlich. Ich habe fast nie Bargeld dabei und gehe oft nur mit dem Smartphone aus dem Haus. An der Kasse muss ich nicht in meinen Taschen kramen oder Münzen abzählen. Das spart Zeit – dem Kassierer, den Leuten in der Schlange und mir selbst. Ich weiß genau, welche Cafés und Restaurants nur Bargeld akzeptieren. Will ich dorthin, bin ich vorbereitet. Oder aber eine Person aus dem Freundeskreis zahlt und ich schicke ihr dann das Geld digital. 

Friedemann Berg

Es stimmt – Kleingeld kann manchmal lästig erscheinen. Doch genau darin liegt auch ein Stück Freiheit: Bargeld gibt uns die volle Kontrolle über unsere Ausgaben, jeden Cent buchstäblich in der Hand. Dass man es „nicht passend“ hat, ist oft nur eine Frage der Gewohnheit. Zudem ist das Klimpern im Portemonnaie kein Nachteil, sondern ein hörbarer Beweis gelebter Souveränität. Bargeld funktioniert ohne Strom, ohne Netz, ohne Drittanbieter. Die Annahme von Bargeld ist Verbraucherschutz und Ausdruck eines demokratischen Grundprinzips, der Wahlfreiheit. 

Ist man mit weniger Bargeld in der Tasche nicht sicherer unterwegs?

Sophie Schimansky

Absolut, ich fühle mich unsicher mit viel Bargeld. Nicht nur, weil ich glaube, damit ein leichtes Ziel zu sein, sondern auch, weil ich es verlieren kann. Mein Handy habe ich immer griffbereit und ich kann es orten, sollte es weg sein. Außerdem: Wenn mir jemand 100 Euro stiehlt, kann ich der Person hinterherrennen oder zur Polizei gehen. Online kann ich meiner Bank oder dem Zahlungsdienstleister Bescheid geben und sie zahlen mir im besten Fall das Geld zurück. 

Friedemann Berg

Sicherheit ist zweifellos ein zentrales Anliegen für uns alle. Doch es wäre zu kurz gegriffen, die Frage der Sicherheit ausschließlich an der Bargeldmenge in der eigenen Tasche festzumachen. Kriminalität verlagert sich – mit weniger Bargeld wächst nicht automatisch die Sicherheit, vielmehr verändern sich die Angriffspunkte: Datenklau, digitale Betrugsmaschen und systemische Ausfälle zeigen, dass auch rein digitale Zahlmethoden Risiken bergen – oft mit weitreichenderen Folgen als bei einem gestohlenen Portemonnaie. Bargeld ist greifbar, verlässlich und anonym. Es schützt Privatsphäre und schafft Unabhängigkeit, gerade in einer zunehmend digitalisierten Welt.

Würden wir dazu neigen, mehr Geld auszugeben, wenn wir nur noch digital bezahlen?

Sophie Schimansky

Nicht unbedingt. Wenn ich bar bezahle, habe ich am Ende des Tages oft keinen guten Überblick, wofür ich wie viel ausgegeben habe. Durch mobiles Zahlen kann ich Apps verknüpfen, die mein Ausgabeverhalten verfolgen und analysieren. Meine Bank macht das automatisch, ich kann genau nachvollziehen, wie viel ich für einzelne Kategorien wie Lebensmittel ausgegeben habe. Ich kann auch Budgets einstellen. Dann sehe ich genau, wenn ich im laufenden Monat mal wieder zu oft essen gegangen bin. 

Friedemann Berg

Tatsächlich gibt es zahlreiche wissenschaftliche Hinweise darauf, dass wir tendenziell mehr ausgeben, wenn wir ausschließlich digital bezahlen. Der Grund liegt auf der Hand: Digitale Zahlungen sind bequem, aber auch abstrakt. Das physische Gefühl, einen Geldschein aus der Hand zu geben, schafft eine unmittelbare Verbindung zum Wert des Geldes – eine Art „psychologische Bremse“, die uns hilft, bewusster mit unseren Ausgaben umzugehen.

Die Abschaffung des Bargelds könnte im Kampf gegen Geldwäsche helfen – korrekt?

Sophie Schimansky

Ja, das könnte es. Es geht um eine Balance aus Transparenz und Freiheit, das ist immer ein schmaler Grat. Bargeld ist anonym und schützt besonders die, die im Schatten Geschäfte machen. Weniger Bargeld erschwert bestimmte Formen der Geldwäsche, löst das Problem allerdings nicht grundsätzlich. 

Friedemann Berg

Die These, dass die Abschaffung des Bargelds im Kampf gegen Geldwäsche helfen könnte, ist weit verbreitet – sie greift jedoch zu kurz. Bargeld ist nicht das Problem, sondern nur ein möglicher Kanal unter vielen. Die meisten großen Fälle von Geldwäsche finden mittlerweile über komplexe digitale Strukturen und internationale Finanztransaktionen statt – nicht mit der Aktentasche voller Scheine.

Bargeld ist Freiheit, sagen manche. Nehmen wir uns ein Stück Freiheit, wenn wir das Bargeld abschaffen?

Sophie Schimansky

Emotional kann ich das gut verstehen, weil Neues einfach beängstigend sein kann. Rational überhaupt nicht. Denn ein neues Geldsystem bedeutet auch Fortschritt, und der sollte uns Menschen antreiben – nur so kann sich auch etwas verbessern. 

Friedemann Berg

Bargeld ist tatsächlich Freiheit, das ist mehr als ein geflügeltes Wort. Bargeld ist ein öffentliches Gut, das jedem Menschen zugänglich ist, unabhängig von Alter oder technischer Affinität. Es ermöglicht uns, unsere täglichen Geschäfte anonym, direkt und ohne Drittparteien zu tätigen – und zwar rund um die Uhr, auch wenn Server ausfallen oder die Netzverbindung stockt.