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„Voneinander lernen“

Eine Allianz mit Unterstützung aus Deutschland soll der dualen Ausbildung in Lateinamerika und der Karibik zum Durchbruch verhelfen.

Sandra Weiss, 27.10.2021
Montage in einem VW-Werk in Brasilien
Montage in einem VW-Werk in Brasilien © dpa

Er ist „ein großer Anhänger der dualen Bildung“, die in Mexiko schon vor 15 Jahren eingeführt wurde: Enrique Ku Herrera leitet dort die nationale weiterführende Schule für technische Berufsbildung (CONALEP). CONALEP übernimmt die erste Präsidentschaft einer neuen lateinamerikanischen Allianz für duale Bildung. Der Zusammenschluss wird unterstützt vom deutschen Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).

Enrique Ku Herrera
Enrique Ku Herrera © privat

Herr Ku Herrera, warum unterstützen Sie den Ausbau der dualen Bildung in Mexiko und darüber hinaus?

Das duale Modell ist ein sehr gutes Mittel, um Jugendlichen eine hochwertige Ausbildung und damit eine höhere Lebensqualität zu bieten und gleichzeitig den Firmen diejenigen Arbeitskräfte, die sie benötigen. Ein Studium ist oft viel zu theoretisch und für viele junge Menschen ohnehin nicht finanzierbar. Gleichzeitig ist die Sekundarstufe II traditionell unser „Flaschenhals“ – sehr viele Jugendliche brechen in dieser Phase die Schule ab, meist aus wirtschaftlichen Gründen. Sie helfen dann zu Hause oder arbeiten informell. Das hat dazu geführt, dass wir in Lateinamerika ein Problem haben mit Jugendlichen, die weder studieren noch arbeiten, den sogenannten „ni-nis“. Allein in Mexiko sind es rund sieben Millionen.

Deutschland hat Mexiko beim Aufbau dualer Systeme von Anfang an unterstützt, etwa durch Beratung, Erstellung von Lehrplänen und Kooperationen mit Unternehmen. Daher hat das Land in der Region einen Vorsprung. Welche Erfahrungen wollen Sie mit lateinamerikanischen Kolleginnen und Kollegen teilen?

Wir haben festgestellt, dass jedes Land sein eigenes Modell finden muss und Erfahrungen nicht hundertprozentig übertragbar sind. Die Marktbedürfnisse sind manchmal sogar innerhalb eines Landes von Region zu Region verschieden. Traditionelle Universitäten sind da viel zu langsam – sie brauchen oft Jahre, bevor der Studienplan geändert wird, von der Einführung neuer Fächer ganz zu schweigen. Die duale Bildung ist viel flexibler – und erfolgreich damit: In Mexiko zum Beispiel werden 80 Prozent der Absolventen der CONALEP anschließend von den Partnerbetrieben übernommen, unter anderem in der Auto- und Luftfahrtindustrie.

 

Die Allianz soll also eine Art Austauschplattform sein?

Ja, genau. Uns geht es darum, Erfahrungen zu sammeln, zu systematisieren und zu verbreiten, damit wir alle voneinander lernen können. Die ersten Foren haben bereits stattgefunden und 2022 soll eine erste Publikation fertig sein. Federführend beteiligt ist übrigens auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine Initiatorin der Allianz. Bislang haben sich 15 Länder Lateinamerikas und der Karibik angeschlossen.

Welche Rolle spielt das BIBB dabei?

Das BIBB ist bereits seit 2009 unser strategischer Partner. Nun hat es uns bei der Gründung der Allianz unterstützt und den gesamten bisherigen Prozess begleitet, etwa die Organisation von Kolloquien und das Definieren von Schwerpunkten. [SH1] 

 

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Was sind diese Schwerpunkte?

Zum einen wollen wir gemeinsame pädagogische Standards erarbeiten. Diese wiederum sollen die Mobilität der Lehrkräfte erleichtern und einen interkontinentalen Austausch ermöglichen. Zudem wollen wir das qualitative Niveau der dualen Ausbildung insgesamt anheben und sie sowohl institutionell als auch im Bewusstsein der Bevölkerung stärker verankern.

Gibt es Erfahrungen anderer Länder, die Sie besonders beeindruckt haben?

In Brasilien beispielsweise lernen Auszubildende in der Agrarindustrie den Umgang mit Drohnen zur Aussaat und Wiederaufforstung. Davon können wir lernen. Hier in Mexiko haben Auszubildende der CONALEP während der Pandemie Roboter entworfen, die vor Krankenhäusern oder anderen Institutionen Desinfektionsgel verabreichen und die Körpertemperatur messen. Chile wiederum ist führend im Bereich der Dozentenausbildung.

 

Laut UNICEF stiegen seit Beginn der Pandemie fünf Millionen Mexikanerinnen und Mexikaner aus dem formalen Bildungssystem aus. Hat sich COVID-19 auch in der dualen Bildung negativ ausgewirkt?

Anders als im nationalen Trend konnten wir an der CONALEP die Zahl der Eingeschriebenen sogar noch steigern sowie fünf neue Studiengänge anbieten. Wir haben auch neue Firmen als Partner gewonnen, so dass wir für die Jugendlichen gerade in der Pandemie eine attraktive Option waren.

Gibt es ein persönliches Ziel, das Sie mit der Ausbildungsallianz erreichen wollen?

Ich plane die Eröffnung eines internationalen Zentrums für duale Bildung im strukturschwachen Süden Mexikos und würde dort gerne alle Erfahrungen weltweit zusammentragen. Das wäre ein großer Schritt, um die duale Bildung auf dem Kontinent zu stärken. Man kann sich in diesem Bereich nie ausruhen, sondern muss immer mit der Zeit gehen. In Mexiko brauchen wir neue, moderne Studiengänge, die sich mit virtueller Realität oder dem Internet der Dinge befassen. Alles in allem stelle ich fest, dass in ganz Lateinamerika eine Bereitschaft für Neuerungen in der Bildung besteht. Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass wir die Herausforderungen nur in gemeinschaftlicher Anstrengung bewältigen können.

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