Ana und Imad starten durch
Eine Mediengestalterin aus Mexiko und ein Kfz-Mechatroniker aus Syrien wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. Hier teilen sie Tipps und Erfahrungen.
Ana Paniagua lässt ihrer Kreativität freien Lauf. In ihrem Büro in Frankfurt am Main zeichnet sie Skizzen, probiert etwas am Computer aus, entwickelt Ideen – und verwirft sie wieder. Plötzlich hat sie den entscheidenden Einfall, sie strahlt und stürzt sich in die Arbeit. Knapp 300 Kilometer weiter südlich, in Hechingen in Baden-Württemberg, beugt sich Imad Srywel konzentriert über den Motorraum eines Autos, macht präzise Handgriffe, kontrolliert nochmal alles – und wischt sich schließlich mit zufriedenem Blick an einem Tuch die öligen Hände ab. Paniagua ist Mediengestalterin, Srywel Kfz-Mechatronikermeister. Zwei Berufe, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Und doch haben die beiden jungen Leute etwas gemeinsam: Sie haben eine Migrationsgeschichte und in Deutschland den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.
„Mexikaner sind temperamentvoller und vielleicht fröhlicher, aber die Deutschen sind viel zuverlässiger – das mag ich sehr“, beschreibt Ana Paniagua die kulturellen Unterschiede. Die 33-Jährige kommt aus Mexiko-Stadt und hat in ihrer Heimat Grafikdesign studiert. Die Liebe führte sie nach Deutschland. Paniagua kam zunächst als Au-pair nach Frankfurt und besuchte einen Sprachkurs bis zum C1-Niveau.
Ich wollte am liebsten meine eigenen Ideen verwirklichen.
Weil die Anerkennung ihres mexikanischen Studienabschlusses kompliziert gewesen wäre, entschied sie sich für eine dreijährige Ausbildung zur Mediengestalterin – in einer kleinen Werbeagentur in Wiesbaden.
Beratung und Gründungszuschuss
„Die Ausbildung war gut, und das Team sehr nett, aber ich wollte schon immer am liebsten meine eigenen Ideen verwirklichen – und das kann ich am besten in der Selbstständigkeit“, erzählt Ana Paniagua. Sie besuchte Vorbereitungskurse, holte sich Rat bei der Agentur für Arbeit, schrieb einen Businessplan und erhielt schließlich einen Gründungszuschuss. Seit 2023 kreiert sie Designs und Websites für kleine und mittlere Unternehmen und verkauft mit wachsendem Erfolg ihr Sortiment an Illustrationen, Schmuckentwürfen und bedruckten Taschen über ein Onlineportal.
Schulabschluss, Ausbildung, Meistertitel
Imad Srywels Weg nach Deutschland war hart: Der Syrer floh 2014 vor dem Terror des Assad-Regimes und kam über Libyen und Italien nach Bayern. Er lernte Deutsch und machte in Fürth den Hauptschulabschluss. Es folgte eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker in seiner neuen Heimat, der mittelfränkischen Kleinstadt Scheinfeld. „Der Chefin des Autohauses bin ich bis heute dankbar, denn sie hat immer zu mir gehalten, auch wenn ich mal Probleme in der Berufsschule hatte“, erinnert sich der heute 28-Jährige.
Wir treffen eigene Entscheidungen,das fühlt sich gut an.
Nach seiner Ausbildung lähmte die Corona-Pandemie die Wirtschaft, viele Betriebe stellten auf Kurzarbeit um – und Srywel hielt sich mit verschiedenen Jobs über Wasser. Doch der junge Handwerker ist ehrgeizig: „Ich wollte mich weiterentwickeln, habe richtig Gas gegeben und schaffte 2021 die Meisterprüfung.“ Auch mit der deutschen Staatsbürgerschaft klappte es. Srywel arbeitete zwei Jahre fest angestellt in einer Autowerkstatt, doch glücklich wurde er nicht damit. „Die Arbeitsbedingungen waren schlecht – wenig Lohn, viele unbezahlte Überstunden. Da habe ich beschlossen: Ich will mein eigener Chef werden.“
Eine lange To-do-Liste
Im Oktober 2023 eröffnete er gemeinsam mit seinem Cousin, einem Elektroniker, und einem weiteren Partner eine Werkstatt in Hechingen. Schon im Vorfeld spürte das Trio: Der unternehmerische Erfolg wird einem nicht geschenkt. Die Suche nach einem geeigneten Standort, Kapitalbedarf, Bankgespräche, Mietvertrag, Versicherungen, Gewerbeanmeldung, Investitionen in die Ausstattung – die To-do-Liste war und ist lang. „Es ist schon
anstrengend und es gibt viel Papierkram zu erledigen“, sagt der Jungunternehmer schulterzuckend. Und fügt lächelnd hinzu: „In Deutschland muss man auch hohe Steuern zahlen.“ Dennoch fällt Srywels Zwischenbilanz positiv aus: „Wir tragen Verantwortung und treffen unsere eigenen Entscheidungen. Das fühlt sich gut an. Und wir haben viele zufriedene Kunden – das ist die Hauptsache!“
Zugewanderte hinter jeder fünften Gründung
Bei allen Herausforderungen ist klar: Die Berufschancen für Fachkräfte aus dem Ausland sind hervorragend. Wegen des demografischen Wandels suchen viele Betriebe qualifiziertes Personal. Auch die Gründungszahlen zeigen, dass Zugewanderte längst Teil der Lösung sind. Rund jeder fünfte der jährlich knapp 600.000 Existenzgründer in Deutschland hat einen Migrationshintergrund – Tendenz: steigend.
Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht. Aber oft werden Mut und Unternehmergeist belohnt. In Frankfurt klickt Ana Paniagua auf „Veröffentlichen“ – eine neue, von ihr gestaltete Website geht live. In Hechingen sinkt die Hebebühne surrend ab; ein von Imad Srywel reparierter Wagen rollt vom Hof.
Der Weg zur erfolgreichen Gründung
Wer in Deutschland erfolgreich ein Unternehmen gründen möchte, sollte sich gut vorbereiten – das gilt für Menschen mit Migrationshintergrund ganz besonders. Zugewanderte aus Nicht-EU-Staaten brauchen in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis zur selbstständigen oder freiberuflichen Tätigkeit nach § 21 Aufenthaltsgesetz. Wenn die Gründerinnen und Gründer mit ihrer Selbstständigkeit ihren Lebensunterhalt finanzieren können, wird der zunächst auf drei Jahre befristete Aufenthaltstitel verlängert. Nach fünf Jahren folgt die sogenannte Niederlassungserlaubnis, die zu einem unbefristeten Aufenthalt in Deutschlandberechtigt.
Im Handwerk greift zusätzlich die Ordnung des deutschen Kammerwesens. In den meisten Gewerken brauchen Gründerinnen und Gründer einen Meistertitel – oder sie bestellen eine Meisterin oder einen Meister als technische Leitung. Es gibt allerdings auch sogenannte zulassungsfreie Handwerke, in denen man ohne Meistertitel gründen kann. Die örtlichen Handwerkskammern beraten umfassend zu Formalien wie Eintragung, Betriebsnummer, Arbeitsschutz und Weiterbildung. Für Gründerinnen und Gründer mit Einwanderungsgeschichte gibt es vielfach eigene Sprechstunden, etwa zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse oder zur Qualifizierung.
Hier gibt’s guten Rat
Informationen über ein Visum zur Selbstständigkeit bietet ↗ Make it in Germany.
Zum Thema Startkapital gibt es zahlreiche Beratungsangebote, Förderprogramme und günstige Darlehen – etwa von der ↗ Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Bei vorangehender Arbeitslosigkeit kann ein Gründungszuschuss der ↗ Agentur für Arbeit den Anfang erleichtern.
Eine wichtige Anlaufstelle sind auch die örtlichen ↗ Handwerkskammern.