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Der Startup-Mentor in Frankfurt

Ram Shoham treibt den Aufbau eines Startup-Ökosystems in Deutschland voran. Frankfurt könnte sich zu einem Hotspot dafür entwickeln.

Interview: Steffen Ermisch, 26.07.2023
Ram Shoham unterstützt Nachwuchsgründerinnen und -gründer.
Ram Shoham unterstützt Nachwuchsgründerinnen und -gründer. © Frankfurt School

Ram Shoham treibt den Aufbau eines Startup-Ökosystems in Frankfurt am Main voran: Mit seiner Partnerin Maria Pennanen hat der gebürtige Israeli 2015 einen Accelerator gegründet – und mehr als 50 Startups bei Markteintritt und Investorensuche begleitet. Seit Mai 2022 leitet er zudem das neue Entrepreneurship Center an der Frankfurt School of Finance & Management, einer privaten Wirtschaftsuni.

Herr Shoham, was ist die Idee hinter dem Entrepreneurship Center an der Frankfurt School of Finance & Management?

Die Frankfurt School hat eine lange Geschichte und war einst als Bankakademie gestartet. Aber heute streben viele Studierende keine Karriere in einer Bank mehr an, sondern wollen ihr eigenes Unternehmen gründen. Das Entrepreneurship Center ist zum einen ein Inkubator: Studierende oder Absolventinnen und Absolventen mit einer Geschäftsidee können kostenlos unsere Räumlichkeiten nutzen, bekommen Tipps zu den ersten Schritten und lernen erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Investorinnen und Investoren kennen. Zum anderen gibt es in den Semesterferien ein Accelerator-Programm, in dem wir mit Gründerinnen und Gründern intensiv an ihrer Idee arbeiten.

 Man muss Menschen finden, die an die Idee glauben und investieren wollen – oder die jemanden kennen, der daran interessiert sein könnte.
Ram Shoham, Direktor des Frankfurt School Entrepreneurship Centres

Ist Frankfurt als Standort attraktiv für junge Unternehmerinnen und Unternehmer? Zieht es Gründerinnen und Gründer in Deutschland nicht eher in Startup-Metropolen wie Berlin oder München?

Im Vergleich zu anderen Städten gibt es in Frankfurt tatsächlich noch viel Luft nach oben. Aber es tut sich etwas. Mein Schwerpunkt liegt aktuell darin, ein Netzwerk rund um die Frankfurt School aufzubauen. Viele Absolventinnen und Absolventen der Hochschule arbeiten heute in leitenden Funktionen in Banken oder mittelständischen Unternehmen, haben Private Equity Firmen gegründet oder verwalten Wagniskapitalfonds. Diese Menschen will ich mit den Gründerinnen und Gründern zusammenbringen. Bei Startups dreht sich alles um Netzwerke: Man muss Menschen finden, die an die Idee glauben und investieren wollen – oder die jemanden kennen, der daran interessiert sein könnte.

Zusammen mit ihrer Partnerin haben sie 2015 den Accelerator Frankfurt gegründet: ein privates Unternehmen, das Startups fördert. Wie kam es dazu?

Ich habe vorher lange im Investmentbanking in Hongkong gearbeitet. In meinen Bereich ging es darum, Firmenübernahmen zu finanzieren. In der Zeit habe ich zahlreiche Unternehmerinnen und Unternehmer getroffen, die mit Herzblut etwas aufgebaut haben. Das hat mir immer imponiert – ich habe mich in meiner Jugend selbst als Gründer eines Softwareunternehmens versucht. Während der weltweiten Finanzkrise 2008 kamen die Übernahmen zum Erliegen. Statt aufregende Unternehmerinnen und Unternehmer zu treffen, saß ich plötzlich den ganzen Tag im Büro und musste mich mit administrativen Dingen beschäftigen. Das war nichts für mich. Beim Sprung in die Selbständigkeit hat mir sehr geholfen, dass ich über Jahre ein gutes Netzwerk aufgebaut hatte.

Warum haben Sie sich für Frankfurt entschieden?

Mir war klar, dass ich vor allem IT-Sicherheits- und Finanz-Startups helfen kann. Anfangs dachte ich, Hongkong sei ein guter Ort dafür, dort sind schließlich alle großen Banken vertreten. Aber die wichtigen Entscheidungen werden an den Hauptsitzen gefällt. Also kamen Städte wie New York, London und Frankfurt infrage. Für Frankfurt sprach, dass der Wettbewerb hier nicht so groß ist wie in den USA – und angesichts des Brexits war klar, dass der Standort gegenüber London an Bedeutung gewinnen wird.

In Frankfurt sitzen viele wichtige Banken, der deutsche Markt ist groß.
Ram Shoham, Direktor des Frankfurt School Entrepreneurship Centres

Das Programm im Accelerator Frankfurt haben bisher gut 50 Startups durchlaufen, davon viele aus Israel. Ist das ein Zufall?

Nein, ich habe gezielt Konferenzen in Israel besucht und mit Investoren dort gesprochen. Die meisten israelischen Startups, die es nach Europa zieht, haben sich Richtung London orientiert. Frankfurt hatte lange niemand auf dem Schirm. Dabei sitzen hier viele wichtige Banken, der deutsche Markt ist groß. Und wer in einem regulatorisch anspruchsvollen Umfeld Fuß fassen kann, hat es leicht, im Anschluss in andere europäische Länder zu expandieren. Frankfurt hat zudem praktische Vorteile: Die Lebenshaltungskosten sind vergleichsweise niedrig und die Stadt ist bestens angebunden. Nach Tel Aviv zum Beispiel gibt es täglich mehrere Flüge.

Israel ist kaum größer als Hessen, hat aber eine ungleich höhere Startup-Dichte. Warum ist das so?

Die Mentalität ist eine andere. Deutsche sind vorsichtig und haben einen hohen Qualitätsanspruch. Das passt sehr gut, wenn es darum geht, ein verlässliches Auto zu bauen. Aber in der Startup-Welt bremst einen der Perfektionismus aus. Ich kenne deutsche Gründerinnen und Gründer, die schon an einer Website ewig herumbasteln. Bei der Produktentwicklung ist es genauso. Israelis trauen sich,  auch mit einer nicht ausgereiften Version zu starten – und dann vom Kundenfeedback zu lernen. Im Hebräischen gibt es den Begriff „Chuzpe“, was übersetzt so etwas wie „unverfroren“ heißt. Das trifft es ganz gut.

Was können umgekehrt israelische Gründerinnen und Gründer in Deutschland lernen?

Manche Gründerinnen und Gründer sind zu forsch – und halten sich direkt für den nächsten Steve Jobs. Vor ein paar Jahren habe ich einmal einem IT-Sicherheits-Startup einen Termin bei der Lufthansa arrangiert. Aber die Gründer wollten erst nicht zum Meeting kommen, weil sie nicht gleich mit dem IT-Chef sprechen konnten, sondern mit jemandem von einer Hierarchiestufe darunter. Sie haben nicht verstanden, dass man erstmal langsam eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen muss.

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Mentalitätswechsel sind sie gewohnt, denn es gab schon viele Ortswechsel in ihrem Leben: Sie sind in Israel geboren, haben als Kind in Mexiko und Spanien gelebt, studierten in den Niederlanden, arbeiteten in Asien. Nun leben Sie schon acht Jahre in Deutschland. Werden Sie langsam sesshaft?

Seit ich Vater bin, will ich nicht mehr leichtfertig umziehen. Mein Sohn ist größtenteils in Frankfurt  aufgewachsen, er geht hier in die Schule, hat hier seine Freunde. Und mir gefällt es hier. Frankfurt ist eine Israel-freundliche Stadt, es gibt eine jüdische Gemeinde. Außerdem ist man schnell im Grünen und kann durch wunderschöne Wälder wandern. Es fühlt sich inzwischen nach Heimat an.