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„Unglaublich aufregend“

Astronomin Nora Lützgendorf über ihre Arbeit mit dem James-Webb-Teleskop und ein weiteres spektakuläres Großprojekt.

Interview: Johannes Göbel, 03.08.2022
Planetarischer Nebel, aufgenommen vom James-Webb-Teleskop
Planetarischer Nebel, aufgenommen vom James-Webb-Teleskop © picture alliance / ZUMAPRESS.com

Sie blickt in die Tiefe des Alls – und sieht dabei mehr als die meisten Menschen: Die Astronomin Nora Lützgendorf aus Deutschland arbeitet für die Europäische Weltraumorganisation (ESA) im amerikanischen Baltimore. Von dort aus wirkt sie an zwei spektakulären Großprojekten mit: am James-Webb-Teleskop und an der Entdeckungsmission LISA. Ein Interview über beeindruckende Bilder, Lützgendorfs außergewöhnlichen Karriereweg und die Forschung zu Schwarzen Löchern.

Frau Dr. Lützgendorf, im Juli 2022 gingen die ersten beeindruckenden Aufnahmen des James-Webb-Teleskops um die Welt. Wie haben Sie diesen Moment erlebt?

Ich zählte zwar zu den Fachleuten, die die Aufnahmen zwei Tage vor der Weltöffentlichkeit sehen durften, aber es war auch für mich unglaublich aufregend. Ich konnte mich wenigstens etwas auf den Medienansturm zur Veröffentlichung der Aufnahmen vorbereiten und mich auch mit Fragen jenseits meiner Spezialgebiete befassen. Der Tag der Veröffentlichung war dann sehr stressig und zugleich sehr schön: Schließlich konnte ich die ganze Zeit über diese faszinierenden Bilder sprechen.

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Was hat Sie besonders beeindruckt?

Ich finde die räumliche Auflösung der Bilder einfach spektakulär und habe Stunden damit verbracht, mich durch sie durchzuscrollen. Immer wieder entdeckt man Neues, etwa eine Hintergrundgalaxie. Als Bild am beeindruckendsten war für mich der an ein Korallenriff erinnernde Planetarische Nebel. Die dreidimensionale, plastische Darstellung war der Wahnsinn.

Was sind Ihre Arbeitsschwerpunkte am Space Telescope Science Institute in Baltimore?

Meine genaue Jobbezeichnung lautet Instrument and Calibration Scientist. Ich arbeite am James-Webb-Teleskop am Instrument NIRSpec, mit dem wir die Infrarot-Strahlung der ältesten Galaxien aufspüren. Unser Team stellt sicher, dass NIRSpec die richtig kalibrierten Daten liefert. Das ist die Grundlage, damit die Kolleginnen und Kollegen die Informationen zu der Entstehung der Galaxien auch korrekt interpretieren können.

Nach Ihrer Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München haben Sie zwei Jahre als Postdoktorandin am European Space Research and Technology Centre der ESA im niederländischen Noordwijk gearbeitet und sind von dort 2015 direkt zur Arbeit an NIRSpec gewechselt. Wie ist das, so früh in der Laufbahn an einem Jahrhundertprojekt mitzuarbeiten?

Eigentlich kann ich es immer noch nicht ganz fassen. Vor NIRSpec hatte ich nur wissenschaftlich gearbeitet; die technische Arbeit an einem derartigen Instrument war für mich eine neue Erfahrung. Ich kann Ihnen sagen: Es hat unglaublich viel Spaß gemacht! Wir sind ein großartiges Team und konnten unseren Teil dazu beitragen, dass mit dem James-Webb-Teleskop auf lange Sicht herausragende Wissenschaft ermöglicht wird. Für mich persönlich steht jetzt eine weitere große Mission im Vordergrund.

Neue Ziele nach dem Aufbau von „Webb“: Nora Lützgendorf
Neue Ziele nach dem Aufbau von „Webb“: Nora Lützgendorf © Northrop Grumman Aerospace Systems

Können Sie uns dazu mehr verraten?

Als Study Scientist bin ich Teil der LISA-Entdeckungsmission der ESA. LISA wird ab Mitte der 2030er-Jahre das erste Gravitationswellen-Observatorium im All sein. Die Beobachtung der Gravitationswellen kann den Nachweis Schwarzer Löcher wesentlich vorantreiben. Schwarze Löcher waren immer das Hauptthema meiner Forschung – und LISA ist die beste Mission, die man sich in diesem Feld vorstellen kann.

Was fasziniert Sie an Schwarzen Löchern?

Sie sind die pure Gravitationskraft. Aber viel wissen wir nicht über sie. Das kann LISA ändern. Mein Spezialgebiet sind mittelschwere Schwarze Löcher, die besonders schwer nachzuweisen sind. Sie sind zu groß, um sich in einem Doppelsternsystem zu befinden. Zugleich ziehen sie aber nicht so viel Materie an wie supermassereiche Schwarze Löcher. Die Verschmelzung mittelschwerer Schwarze Löcher liefert aber unter anderem eine mögliche Erklärung, warum bereits in der Anfangszeit unseres Universums supermassive Schwarze Löcher entstanden sind. Und ganz grundsätzlich sind sie wichtig, um die Entstehung unseres Universums nachvollziehen zu können.

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