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Mit Kuhbonbons schmilzt die Distanz zu Polen

Das PolenMobil zu Besuch in deutschen Schulen – wie ein Projekt des Deutschen Polen-Instituts die Kenntnisse über die Nachbarn vertieft.

Martina Propson-Hauck, 13.03.2024
Das PolenMobil an einer Schule in Brandenburg
Das PolenMobil an einer Schule in Brandenburg © pictureAlliance/dpa

Das Kennenlernen anderer Kulturen geht nicht zuletzt über die Zunge. Wenn Barbara Kaczocha und Natalia Mariankowska vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt mit dem PolenMobil in einer deutschen Schule Halt machen, haben sie immer eine große Tüte Krówki dabei. Die „kleinen Kühe“, wie die auf der Zunge zergehenden Bonbons aus Weichkaramell wörtlich übersetzt heißen, lassen jede Distanz schnell schmelzen. Mit dem süßen Geschmack im Mund gehen den Kindern auch die ersten Sätze auf Polnisch viel leichter über die Lippen. „Jak sie masz? Wie geht es Dir?“, das müssen sie ein wenig üben. „Jako tako“, mit leichtem Schulterzucken vorgetragen, erklärt sich dann schon von ganz allein: „Geht so.“ 

Polen und Deutschland spielerisch kennenlernen: Begehbare Landkarte für Hüpfspiele
Polen und Deutschland spielerisch kennenlernen: Begehbare Landkarte für Hüpfspiele © Polen-Institut

Im Gepäck haben die Kulturvermittlerinnen für die Grundschülerinnen und -schüler einen Plüsch-Storch – weil in Polen so viele Störche leben. Auch eine große begehbare Landkarte der Nachbarn Deutschland und Polen haben sie dabei. Für Oberstufenschüler gibt es zum Beispiel ein Quiz und interessante Fakten zu den aktuellen Diskussionen in Polen, etwa über die LGBTQ-Community. Spätestens wenn sie erzählen, dass der deutsche Sänger und Songwriter Mark Foster polnische Wurzeln hat, werden auch die letzten in der Klasse munter. Klar, den kennen sie doch! 

„Manchmal werden wir auch von Schülerinnen und Schülern direkt mit Stereotypen konfrontiert, wie etwa, dass ,Polen‘ klauen“, sagt Christof Schimsheimer, Koordinator der Einsätze der beiden PolenMobile. „Dann erklären wir ganz sachlich und ruhig, woher solche Vorurteile kommen.“ Dieses stammt aus den 1990er-Jahren, der Zeit direkt nach der Öffnung der Grenzen, als es ein starkes Wohlstandsgefälle zwischen beiden Ländern gab, von dem aber schon lange keine Rede mehr sein 

Erste Sprachübungen beim Besuch des PolenMobils
Erste Sprachübungen beim Besuch des PolenMobils © Polen-Institut

Ganz wichtig ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch, den Unterricht in der Herkunftssprache in Deutschland zu stärken. So fragen sie bei ihren Schulbesuchen, welche Kinder und Jugendliche polnische Wurzeln haben. „Wir weisen dann immer direkt auf die Schulen hin, an denen auch der muttersprachliche Unterricht angeboten wird“, erläutert Schimsheimer.

Mehr als 100 Schulen hat das PolenMobil 2023 besucht

Im Jahr 2023 waren die PolenMobile, zwei silberne Kastenwagen mit roter Beschriftung und Bemalung, die in Berlin und Regensburg stationiert sind, in fast allen Bundesländern mehr als 200 Mal im Einsatz. Rund 4.200 Kinder und Jugendliche an mehr als 100 verschiedenen Schulen haben so etwas über Polen erfahren, was sie sonst im Unterricht eher selten tun. Polnisch als Fremdsprache wird in Deutschland nur an sehr wenigen Schulen angeboten, als muttersprachlicher Unterricht für Kinder mit polnischen Wurzeln allerdings etwas öfter, besonders häufig ist es in Nordrhein-Westfalen der Fall. 

Für die Älteren: Ein Quiz vermittelt spielerisch Wissen über Polen.
Für die Älteren: Ein Quiz vermittelt spielerisch Wissen über Polen. © Polen-Institut

Das Deutsche Polen-Institut hat es sich zum Ziel gesetzt, den Zugang zum größten östlichen Nachbarn Deutschlands zu erleichtern. Und das geht am einfachsten, wenn man schon Kindern den Kontakt ermöglicht. Im Schulunterricht fristet die Vermittlung von Wissen über die Geschichte und Kultur Polens eher ein Nischendasein – trotz vieler geschichtlicher, kultureller und politischer Verbindungen zwischen beiden Ländern. 

Polen kann als Thema in viele Fächer integriert werden

Der Schriftsteller Matthias Kneip kam vor 24 Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter ans Deutsche Polen-Institut, das im Darmstädter Stadtschloss residiert. Als ehemaliger Lehramtsstudent hatte er damals angefangen, erste Unterrichtsmaterialien für einen großen Schulbuchverlag zu entwickeln, um Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit zu geben, in verschiedenen Fächern Polen als Thema zu integrieren. „Das geht schon im Deutschunterricht los mit der Novelle ,Kleider machen Leute‘. Kaum einer kennt oder erwähnt den historischen Bezug zu Polen im Unterricht, der dort thematisiert wird“, sagt Kneip. Gottfried Kellers berühmtes Werk handelt von einem Schneiderlehrling, der dank seiner edlen Kleider für einen Grafen gehalten wird.

Mir ist es ein Herzensanliegen, möglichst vielen Menschen Polen näherzubringen.
Matthias Kneipp, Deutsches Polen-Institut

Heute können sich Lehrerinnen und Lehrer viele Materialien vom Film bis zu didaktischen Texten kostenlos auf den Seiten von „Polen in der Schule“ des Polen-Instituts herunterladen. Finanziell unterstützt wird die Plattform von verschiedenen Stiftungen, die sich um ein gutes deutsch-polnisches Verhältnis bemühen. 

Fortbildung für deutsche Lehrkräfte in Polen

„Mir ist es ein Herzensanliegen, möglichst vielen Menschen Polen näherzubringen, damit sie mal dort hinfahren und es kennenlernen“, sagt Kneip. Den Newsletter der Plattform haben mittlerweile 600 Lehrkräfte abonniert, mit etwa 25 Lehrerinnen und Lehrern fährt er jedes Jahr in verschiedene Städte Polens auf den Spuren von Geschichte und Kultur sowie möglichen Anknüpfungspunkten zwischen beiden Kulturen. So ist unter anderem der Geburtsort des romantischen Dichters Joseph von Eichendorff, ein Schloss bei Racibórz in Oberschlesien, Ziel einer solchen Reise.