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Das syrische Kulturerbe

Deutschland engagiert sich auf vielen Ebenen für den Erhalt des syrischen Kulturerbes. Eine zentrale Rolle spielt das Deutsche Archäologische Institut – ein Interview mit der Präsidentin, Frau Professor Friederike Fless.

18.07.2016
© dpa/Marc Deville/akg-images - Cultural heritage

Frau Professor Fless, das Kulturerbe Syriens ist durch kriegerische Auseinandersetzungen in Gefahr. Über was reden wir konkret, wenn wir vom Kulturerbe Syriens sprechen?

Was das kulturelle Erbe Syriens ausmacht, lässt sich gut am Beispiel der sechs UNESCO- Welterbestätten beschreiben. Es gehören die bedeutenden Altstädte von Damaskus und Aleppo mit ihrer langen Geschichte, aber auch die Altstadt von Bosra hinzu. Diese Stadt im Süden Syriens ist durch einmalige antike Gebäude aus Basalt, dem typischen Baumaterial dieser Landschaft an der syrischen-jordanischen Grenze, einzigartig. Welterbe ist aber auch eine andere Landschaft, das Kalksteinmassiv im Nordwesten Syriens. Auch hier dominiert ein charakteristisches Baumaterial, der Kalkstein die Landschaft. Und auch hier sind ganze antike Dörfer, Gebäude und Kirchen bis heute extrem gut erhalten geblieben. Diese ausgezeichnete Erhaltung ist auch für die Wüstenschlösser und bedeutenden frühen Moscheen charakteristisch. Hinzu kommen auf der Liste der UNESCO-Welterbestätten die kreuzfahrerzeitlichen Burgen wie der Krak des Chevaliers und die bedeutende Oasenstadt Palmyra. Bedeutende frühe Städte wie Ugarit, Mari und Ebla, die ab dem 3. Jahrtausend archäologisch gut fassbar sind, finden sich ebenfalls auf der Liste der Orte, die nominiert werden sollen.

Was ist die größte Gefahr, wie ist der aktuelle Stand?

Die Gefahren für das kulturelle Erben in Syrien sind vielfältig. Die gezielten Zerstörungen durch den Islamischen Staat sind uns allen noch vor Augen. Die Zerstörungen durch Kampfhandlungen sind hingegen allgegenwärtig und haben einen unglaublichen Umfang angenommen. Hinzu kommen Raubgrabungen. Für das Jahr 2015 gibt es Schätzungen, dass von den ca. 740 archäologischen Stätten weit über 200 durch illegale Ausgrabungen zerstört sind. Darüber hinaus kommt es durch die Zerstörungen von Wohnhäusern und das Fehlen von Baumaterial immer häufiger dazu, dass antike Gebäude zur Gewinnung von Baumaterial abgerissen werden.

Auf einer internationalen Konferenz zum Schutz des syrischen Kulturerbes Anfang Juni 2016 im Auswärtigen Amt wurden umfangreiche Notfallmaßnahmen beschlossen. Was genau?

Bereits im Jahr 2014 wurde ein Aktionsplan für Syrien durch die UNESCO verabschiedet. Dieser wurde nun konkretisiert. Es wurden für das gesamte syrische Gebiet sehr spezifische Bedarfe im Bereich von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zum Kulturgutschutz und zum Kulturerhalt sowie zur Unterstützung durch Informationen und Geräte beschrieben und Wege der Umsetzung vereinbart. Es geht zunächst einmal darum, dass man für den Kulturgutschutz und Kulturerhalt, Informationen aus den internationalen Forschungen zu heute zerstörten Gebäuden und Denkmälern benötigt, um überhaupt Entscheidungen zu Fragen der Konservierung und Restaurierung treffen zu können. Man braucht dann aber auch das Know-how und die Vermessungsgeräte, um Schäden zu dokumentieren, zu bewerten und Maßnahmen zum Erhalt zu treffen. Und dies schaffen die syrischen Kollegen, die unter schwierigen Bedingungen versuchen, dass kulturelle Erbe ihres Landes zu bewahren, nicht alleine. Sie brauchen Hilfe.

Welche Rolle spielt Deutschland beziehungsweise das Deutsche Archäologische Institut dabei? 

Das Deutsche Archäologische Institut hat bereits seit 2012 zusammen mit dem Museum für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin begonnen, seine Archive zu digitalisieren. Mittlerweile liegen über 100.000 Fotos, Pläne und Zeichnungen zu Syrien digital vor. Sie stehen natürlich auch den syrischen Kollegen zur Verfügung. Flankiert wird das „Syrian Heritage Archive Project“ nun durch das vom Archaeological Heritage Network getragene Projekt „Die Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“. Das Projekt hat zum Ziel, mit Blick auf einen möglichen Wiederaufbau in Syrien, aber auch den durch die Zerstörungen des IS betroffenen Regionen des Irak, Kapazitäten aufzubauen und gleichzeitig mit Planungen für einen Wiederaufbau zu beginnen. Es werden Spezialisten ausgebildet, um Baudokumentationen und Schadensbewertungen durchführen zu können und zugleich Maßnahmen für die Konservierung und Restaurierung zu planen. Die Altstadt von Aleppo, die UNESCO-Welterbe ist, wurde seit den 1990er-Jahren von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wieder bewohnbar gemacht. An das Rehabilitierungsprojekt der Altstadt von Aleppo  wird die GIZ daher im Projekt „Die Stunde Null“ anknüpfen. Es werden aber auch Experten für den Bereich Museen und Konservierung ausgebildet.

Ist es nicht schwer, im Krisengebiet zu agieren?

Die Maßnahmen finden vor allem in den Anrainerstaaten Syriens und im Irak statt. Es werden aber nicht nur Experten weitergebildet. Es geht vielmehr auch darum, syrische Flüchtlinge als Handwerker, vor allem Steinmetze, und somit als Fachkräfte für den zukünftigen Wiederaufbau auszubilden. Ausbildung und die Schaffung von Arbeitsplätzen für Kulturerhaltsmaßnahmen in Jordanien, der Türkei und im Libanon sind also auch als humanitäre Hilfe für Flüchtlinge angelegt. Indem sie zum Beispiel gemeinsam mit Libanesen und Jordaniern arbeiten und ausgebildet werden, tragen die Projekte auch zum Abbau von Spannungen in den Ländern bei. Durch die Einbindung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) werden nicht zuletzt auch spezielle Studienprogramme für syrische Flüchtlinge in Kairo und in Amman unterstützt. Es geht hier um die Perspektive eines „Leadership for Syria“. Damit sind jedoch nur einige wenige Facetten des Netzwerkes beschrieben. An sich gäbe es sehr viel mehr zu berichten, das Projekt „Die Stunde Null“, das vom Auswärtigen Amt in den nächsten drei Jahren mit 2,65 Millionen Euro jährlich gefördert wird, hat weitaus mehr Facetten.

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