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Die Geschichte einer Rebellion

„Unorthodox“, die Serie der deutschen Regisseurin Maria Schrader, feiert Erfolge. Wir haben mit Schauspieler Aaron Altaras gesprochen.

Kim Berg, 28.04.2020
In Berlin lässt Esty ihre orthodoxe Vergangenheit hinter sich.
In Berlin lässt Esty ihre orthodoxe Vergangenheit hinter sich. © Anika Molnar/Netflix

Sie muss weinen, als der Rasierer angesetzt wird und ihre langen Haare fallen. Dieser Moment ist gleichzeitig der Start in ihr Leben als Hausfrau und Mutter in einer ultraorthodoxen jüdischen  Religionsgemeinschaft im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Esther Shapiro, genannt Esty, hat in eine arrangierte Ehe einwilligt. Nach dem ersten Ehejahr ist sie jedoch immer noch nicht schwanger und der Druck auf die 19-Jährige wächst. Als sie nicht mehr weiter weiß, flieht sie nach Berlin. Dort lernt sie eine Gruppe junger Musikstudenten kennen und taucht ein in ein freieres, selbstbestimmtes  Leben.

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Estys Geschichte basiert auf dem Bestseller „Unorthodox“ von Deborah Feldmann. Die wahre Geschichte der Autorin, die ihre Kindheit und Jugend in der Glaubensgemeinschaft der Satmarer in New York verbrachte, ist nun als Miniserie auf Netflix zu sehen. Das Außergewöhnliche: Die Serie ist weitgehend auf Jiddisch gedreht, in dem heute nur noch wenigen gesprochenen Sprachmix aus mittelalterlichem Deutsch, Hebräisch und Polnisch. Regie führte Maria Schrader, die sich als  Schauspielerin und Regisseurin schon vielfach und erfolgreich mit der deutsch-jüdischen  Vergangenheit beschäftigt hat.

Hauptdarstellerin der deutsch-amerikanischen Koproduktion ist die israelische Schauspielerin Shira Haas. In der Serie baut sie als Esty eine Beziehung zu dem Berliner Musiker Robert auf – gespielt von dem deutschen Schauspieler Aaron Altaras. Wir haben mit ihm gesprochen.

Dein Charakter Robert ist der erste Kontakt von Esty, als sie in Berlin ankommt. Welche Rolle spielt er in ihrer Entwicklung?

Eine sehr wichtige als ihr Freund und Geliebter. Es ist ein Akt der Selbstbestimmung, als Esty sich zum ersten Mal einen Liebespartner aussucht, der sich auch für sie interessiert. Diese Situation ist für sie vollkommen neu – überhaupt diese Art zu daten. Es ist eine sehr zärtliche und ehrliche Romanze zwischen den beiden. Für Esty ist diese Art der sexuellen Selbstbestimmung ein absolutes Novum. So wie Robert sie sieht, wurde sie vorher selten gesehen.

In Berlin wird Esty sehr gut in die Gemeinschaft der Musiker aufgenommen. Nimmst du die Stadt auch als so offen und tolerant wahr, wie sie bei Estys Ankunft dargestellt wird?

Es ist schön, dass Esty in Berlin Anschluss an eine Gruppe finde, die sehr multikulturell ist. Die Begegnung spiegelt Berlin und vor allem die klassische Musikszene sehr realistisch wider. Hier leben unglaublich viele Menschen aus anderen Ländern, wie Spanien, Italien oder auch den USA. Berlin ist in den letzten Jahren weltweit zu einer begehrenswerten Stadt zum Leben und Arbeiten geworden.

Die Serie befasst sich mit einem sehr ernsten Thema, hat sich das am Set widergespiegelt?

Der Berliner Teil der Geschichte ist etwas leichter als der Part in New York. Wir haben im Hochsommer bei 30 Grad in Berlin gedreht – da war die Stimmung eher ausgelassen. Aber allein durch die Anwesenheit von Shira und ihre Rolle ist einem das Thema natürlich immer wieder vor Augen geführt worden. Es ging bei dem Dreh um eine wahre Geschichte, das bleibt im Hinterkopf.

Wir wollten in der Serie die Realität möglichst genau abbilden.
Aaron Altaras , Schauspieler

Wie war die Zusammenarbeit in dem internationalen Team?

Es war eine sehr freundschaftliche, ausgelassene Stimmung. Wir haben uns alle super verstanden, auch privat. Die Schauspieler waren mehrere Monate lang in Berlin und wir haben gemeinsame Ausflüge gemacht, zum Beispiel zum Baden an den Schlachtensee in Berlin. Eigentlich wäre ich am 7. April nach Israel geflogen, um dort den Serienstart zu feiern, gemeinsam mit Shira und Amit Rahav, der Estys Mann spielt. Leider hat das wegen der Corona-Krise nicht geklappt.

Wie wichtig war der Bezug zur Realität bei den Dreharbeiten?

Auf jeden Fall sehr wichtig. Wir wollten die Realität möglichst genau abbilden. Aber natürlich ist eine Verfilmung immer auch eine Form von Kunst, an der manche Stellen überhöht werden. Deshalb war die Umsetzung auch eine Gratwanderung zwischen Realität und Idealisierung. Wir wollten allen Seiten gerecht werden und haben gehofft, dass das Ergebnis von den Zuschauern gut aufgenommen wird. Oft haben wir uns gefragt, wer sich so eine Serie anschaut. Wer interessiert sich für das Thema? Es hat sich gezeigt: Anscheinend sehr viele!

Wie sind die Reaktionen auf die Serie?

Die Kritiken sind herausragend. Besser, als wir je gedacht hätten. Sowohl in der anglophonen Presse  wie der New York Times oder dem britischen Guardian. Aber auch in den deutschen Medien bekommen wir sehr gute Reviews für diese ernsthafte Auseinandersetzung mit einer jungen Frau, die sich befreien möchte. Natürlich gibt es auch negative Stimmen, zum Beispiel aus dem orthodoxen Milieu. Aber die Klickzahlen zeigen, dass die Serie sehr gut angenommen wird. Obwohl es nur eine kleine Produktion war, ist sie sehr viel erfolgreicher als viele andere Serien auf Netflix.

 

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